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Harriet von Waldenfels

TWerden Moderatorinnen weniger ernst genommen als Männer?

Wechselte vom ZDF-Morgenmagazin zum NDR: Moderatorin Harriet von Waldenfels.

Wechselte vom ZDF-Morgenmagazin zum NDR: Moderatorin Harriet von Waldenfels. Foto: Svea Pietschmann/ZDF/dpa

TV-Moderatorin Harriet von Waldenfels wurde für ihre kritischen Fragen schon von einem Ministerpräsidenten zurechtgewiesen. Jetzt hat sie eine neue Aufgabe - bei der sie vor allem eines reizt.

Von Manfred Ertel Sonntag, 22.12.2024, 08:00 Uhr

TAGEBLATT: Genießen Sie es eigentlich, morgens endlich mal wieder in Ruhe ausschlafen zu können?

Harriet von Waldenfels: Wie man so ausschlafen kann, wenn man ein Kita- und ein Schulkind zu Hause hat (lacht). Aber klar ist, ich komme wieder zu viel mehr Sachen, seit ich nicht mehr nachts um drei Uhr aufstehen muss.

Gab es nach dem Abschied vom ZDF für Sie auch Momente der Erleichterung, nicht mehr ständig Überbringerin der schlechten Nachrichten sein zu müssen?

Ich bin jetzt freier, was meinen persönlichen Nachrichtenkonsum angeht. Ich kann auch mal abschalten und sagen, ich will das jetzt nicht sehen oder hören. Das ist angenehm und tut der Seele ganz gut, ein bisschen Abstand zu gewinnen. Bei den vielen schrecklichen Nachrichten, die es täglich gibt. Andererseits habe ich das so viele Jahre gemacht, dass es auch fast schon einen Automatismus gibt und ich mich zum Beispiel über mich selbst gewundert habe, dass ich nicht arbeitete an dem Tag, an dem US-Präsident Trump gewählt wurde. Und dann auch noch die Ampel-Koalition in Berlin geplatzt ist. Das war eine Art Huch!-Moment für mich nach dem Motto: Ich muss doch berichten. Daran habe ich auch gemerkt, welche Veränderung der Wechsel für mich ist.

Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen, vom großen überregionalen Sender zu einer regionalen Sendeanstalt zu wechseln?

Die ist mir nicht schwergefallen, denn es war eine sehr komplexe Entscheidung, die vor allem privat begründet war. Ich muss jetzt nicht mehr nach Berlin pendeln, sondern kann bei meiner Familie in Hamburg sein. Außerdem finde ich die neue Aufgabe im NDR sehr reizvoll und total schön.

Gab es nicht Kollegen und Kolleginnen, die Ihren Wechsel als Rückschritt in der Karriere betrachten?

Doch schon, es gab welche, die mich angerufen und solche Fragen gestellt haben. Das war schon auffällig und hat mich auch berührt, aber ich konnte das ja gut erklären. Die Leute, die mich besser kennen, haben das sofort total verstanden als mutige, aber genau richtige Entscheidung für mich.

Was reizt Sie an Ihrer neuen Rolle besonders?

Es haben sich viele Sachen geändert, abgesehen davon, dass ich wieder regelmäßig schlafe. Ich bin tatsächlich in meiner Art der Berichterstattung viel näher an meinem eigentlichen Leben, am eigenen Alltag dran. Ich berichte über Themen, die mich in jeder Form direkt betreffen. Ich moderiere zum Beispiel eine schöne Ausstellung im Bucerius Kunst Forum an und denke, die ist ja so toll. Und eine Woche später gehe ich selber dahin. Auch das Politische, etwa mit den Bürgerschaftswahlen im Frühjahr, oder das Wirtschaftliche ist alles viel unmittelbarer. Es sind alles Sachen, die ich täglich sehe oder erlebe und mitfühlen kann.

Warum gab es in fünf Jahren ZDF-Morgenmagazin eigentlich keine dokumentierten Versprecher von Ihnen?

Weil der Kollege nicht lange genug gesucht hat (lacht). Das hat er bei meiner Verabschiedung tatsächlich so gesagt, aber natürlich habe ich mich sicher auch irgendwann mal versprochen. Ich kann mich selbst zwar nicht daran erinnern, aber man hätte im Archiv bestimmt was finden können.

Gleich bei Ihrer ersten Moderation im ZDF wurden Sie vom sächsischen CDU-Regierungschef Kretschmer für Ihre kritischen Fragen mehrfach scharf zurechtgewiesen. Werden Moderatorinnen weniger ernst genommen als Männer?

Ich will ihm das persönlich nicht unterstellen. Ich erinnere mich noch gut: Er teilte die Klatsche nicht nur an mich, sondern auch noch an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus, für den ich vorher nie gearbeitet hatte. Er wusste vielleicht nicht, dass es mein erster Tag beim ZDF war. Aber grundsätzlich ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass das bei einigen Männern so ist. Auch für mich gab es ab und zu Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, mich mehr behaupten zu müssen als vielleicht männliche Kollegen, die 15 Jahre länger vor der Kamera stehen. Das hat mich aber auch enorm geschult und geübt.

Der Ton gegenüber öffentlichen Personen ist schärfer geworden und oft hasserfüllt. Wurden Sie schon mal bedroht?

Im Ansatz habe ich das schon erlebt, aber bei weitem nicht so wie manch andere Kolleginnen und Kollegen. Und bedroht worden bin ich noch nicht. Ich kenne das aber von meinen alten ZDF-Kollegen Mitri Sirin und Dunja Hayali. Ich habe erlebt, was die so abbekommen und möchte wirklich nicht mit ihnen tauschen. Ich habe allergrößten Respekt, wie die damit umgehen und das wegstecken. Auch neue Kollegen haben mir schon von solchen Erlebnissen erzählt. Tatsächlich wird alles kommentiert, vom Aussehen bis zu meinen Fragen, aber ich lese mir die Sachen gar nicht mehr durch. Das habe ich ganz am Anfang beim ZDF gemacht. Da war ich am selben Tag die „linksgrün Versiffte“ und die „Rechte Punkt Punkt Punkt von Axel Springer“. Das kann ich nicht ernst nehmen.

Müssen Moderatorinnen und Journalisten im Job Haltung haben und zeigen?

Haltung haben wir eigentlich alle, weil wir gesellschaftspolitisch interessierte Menschen sind. Haltung zeigen hat aber im Studio nichts zu suchen. Da bin ich neutrale Beobachterin, das ist wichtig. Studiogäste befrage ich alle gleichermaßen nach neutralen journalistischen Maßstäben und nicht den einen härter oder weniger hart. So etwas geht nicht.

Als Journalistin kennen Sie mehr Hintergründe als viele Menschen in unserer Gesellschaft, wie groß sind Ihre Sorgen um die Zukunft Ihrer Kinder?

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, zu dem ich mit vielen Experten gesprochen und manchmal auch erfahren habe, was die unter der Hand sagen, mache ich mir viel mehr Gedanken. Ich habe keine Angst, aber meine Jungs sind noch sehr klein und ich frage mich schon, werden die ohne Wehrpflicht davonkommen und ohne Krieg? In was für einer Welt werden sie groß, das fängt bei ganz kleinen Sachen an. Mein Jüngster ist mitten in der Corona-Pandemie geboren und ich habe oft gedacht, wo soll das hinführen, wenn wir alle fünf Jahre eine große Pandemie haben. Wenn man zwei kleine Menschen hat und aufwachsen sieht, verändert man sich. Das prägt schon.

Wie wirkt sich das im Alltag aus?

Wir diskutieren zu Hause viel, zum Beispiel bevor wir in Urlaub gehen: Müssen wir unbedingt fliegen, was können wir im Alltag verändern? Der Große geht in die 2. Klasse und lernt zum Beispiel in der Schule, dass Plastik schlecht für die Umwelt ist. Unsere Kinder werden uns mit Sicherheit irgendwann fragen, was habt ihr eigentlich damals gemacht, um den Klimawandel aufzuhalten. Fridays for Future hat bei vielen Menschen was verändert, das rechne ich der Bewegung hoch an. Vielleicht nicht immer genug im großen Handeln. Aber Kleinvieh macht auch Mist. Und wenn alle ein bisschen Kleinvieh machen würden, wäre der Welt schon mal geholfen.

Sie sind sehr engagiert bei der Stiftung Mittagskinder und Stiftungslesen, sind Sie nicht ausgelastet?

Das sind Themen, die mich persönlich bewegen. Ich glaube, wir müssen deutlich mehr tun für Kinder in unserer Gesellschaft. Ich lese zum Beispiel einfach gern, bin mit Büchern groß geworden und lese meinen Kindern sehr viel vor. Wenn ich die Studien sehe, dass am Ende der Grundschule ein Viertel der Kinder im internationalen Vergleich keine richtige Lesekompetenz haben, dann finde ich das total erschreckend. Eigentlich ist das sogar bedrohlich, wenn man es hochrechnet. Da geht so viel Potenzial verloren für zukünftige Generationen. Lesen ist eine Fähigkeit, bei der ich vielleicht helfen kann. Deshalb war ich an einer Grundschule in Berlin-Wedding auch eine Zeit lang als Lesepatin tätig.

Sind Sie eine Powerfrau?

(Denkt länger nach) Das würde ich schon sagen, weil ich einfach grundsätzlich gerne viel mache und gerne viele Sachen gut mache, privat wie beruflich. Es ist wie in vielen Familien nicht immer einfach, alle Herausforderungen unter einen Hut zu bringen. Aber wenn’s gut läuft, finde ich es auch befriedigend, viel geschafft zu haben.

Zur Person

In Madrid geboren, verbrachte Harriet von Waldenfels ihre Kindheit und Jugend bis zum Abitur in Hamburg. 2005 ging sie zum Studium der Philologie, Soziologie und Komparatistik nach Göttingen und zwischendurch für ein Stipendium in die Provence. Schon während des Studiums arbeitete sie als Praktikantin unter anderem bei ARD und ZDF und machte eine Sprecherinnenausbildung. Nach einem Volontariat begann sie ihre journalistische Karriere 2010 in der Politikredaktion von WeltN24, wo sie ab 2016 auch Moderatorin war. Anfang 2019 wechselte sie zum ZDF-Morgenmagazin. Gleich in der ersten Sendung wurde sie vom sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer schwer angegangen, weil ihm insistierende Fragen zur AfD und die kritische Rolle der Öffentlich-Rechtlichen zum Verhältnis CDU/AfD missfielen. Vorigen Sommer verließ Harriet von Waldenfels das ZDF, seitdem ist die 39-Jährige beim „Hamburg Journal“ des NDR Teil des Moderatorenteams.

Persönliches

Wenn ich nicht im Studio sitze… verbringe ich die Nachmittage gern mit meinen Kindern.

Zeit für Hobbys… gibt es, zum Beispiel für Sport: Krafttraining.

Selfies mit Zuschauern… mache ich selten. Ich bin grundsätzlich nicht so ein Selfie-Typ und suche diese Situation selbst nicht.

Als öffentliche Person ins Schwimmbad… gehe ich nur, wenn meine Kinder unbedingt wollen, sonst nicht so gern.

Die Advents- und Weihnachtszeit ist… für mich Zeit zum Runterkommen, ruhig werden, besinnlich sein.

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