TWesermarsch attackiert das Umweltministerium: Es geht um den Schutz von Vögeln

In Niedersachsen brüten nur noch rund 1.600 Paare der Uferschnepfe. Mehr als 10 Prozent davon nisten in der Wesermarsch. Ihre Zahl soll deutlich gesteigert werden. Foto: Christopher Marlow
In der Wesermarsch liegen große Vogelschutzgebiete. Für mehr als 10.000 Hektar hat die Untere Naturschutzbehörde Managementpläne erstellt. Doch es gibt manche Unsicherheit.
Landkreis Wesermarsch. Welch große Bedeutung der Naturschutz im Landkreis hat, wird daran deutlich, dass sich die drei Vogelschutzgebiete Butjadingen (5400 Hektar), Marschen am Jadebusen (7700 Hektar, davon 4500 in der Wesermarsch) und Hunteniederung (1080 Hektar, davon 640 in der Wesermarsch) über ein Achtel der Fläche des Landkreises Wesermarsch erstrecken. Weitere große Schutzgebiete wie Nationalpark Wattenmeer, Strohauser Plate und Strohauser Vordeichländereien, Elsflether Sand, Juliusplate, Tideweser und Moorgebiete wie die Gellener Torfmöörte kommen noch hinzu.
Das Land will seine Ziele in der Wesermarsch durchsetzen
Die EU-Vogelschutzgebiete Butjadingen, Marschen am Jadebusen und Hunteniederung sind Bausteine der landesweiten Naturschutzvereinbarung Niedersächsischer Weg. Das Land, das Landvolk und die Naturschutzverbände NABU und BUND haben sich gemeinsam auf diese Naturschutzstrategie verständigt.
Zu den Zielen gehört es, bessere Lebensbedingungen für Wiesenvögel zu entwickeln. Und weil die Bedingungen für Wiesenvögel in der Wesermarsch noch einigermaßen gut sind und es diese Vögel hier noch gibt, konzentrieren sich die Anstrengungen des Landes auch auf die EU-Vogelschutzgebiete zwischen Weser und Jade. Die Naturschutzbehörde des Landes hat ehrgeizige Ziele für diese EU-Vogelschutzgebiete vorgegeben. An diesen Vorgaben scheiden sich die Geister. In der Wesermarsch herrscht große Skepsis, dass die Ziele zu erreichen sind.
Schauen wir auf die Vogelschutzgebiete V 65 Butjadingen und V 64 Marschen am Jadebusen. Dort brüten nach den jüngsten Erhebungen jeweils etwa 200 Kiebitz-Paare, 50 bis 70 Paare der Uferschnepfe und 50 bis 70 Paare des Rotschenkel. Das sind die Wiesenvogelarten, die im Fokus der Schutzmaßnahmen stehen. Bis 2030 soll die Zahl der Brutpaare in etwa verdoppelt werden und bis 2050 dann noch einmal deutlich steigen. Zielgrößen für das EU-Vogelschutzgebiet Butjadingen, das weit ins Nordenhamer Stadtgebiet hineinragt, sind: 533 Paare des Kiebitz, 230 Paare Uferschnepfe und 119 Brutpaare des Rotschenkel. Doch wie soll dieses Ziel erreicht werden?
Wenn Höfe ihr Geld mit Kiebitzküken verdienen
In Managementplänen hat die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Wesermarsch eine ganze Reihe von Maßnahmen festgelegt, wie eine Steigerung der Brutvogelzahl gelingen kann. Das reicht von späten Mähterminen, Begrenzung des Viehbesatzes, der Vernässung der Böden über eine Einzäunung von Gebieten mit hohen Brutdichten bis hin zu einer intensiven Jagd auf Beutegreifer.
Die Ziele seien nur zu erreichen bei einer optimalen Bewirtschaftung der Flächen im Sinne des Vogelschutzes, sagte Thomas Garden, bei der Unteren Naturschutzbehörde mit der Koordinierung des Wiesenvogelschutzes betraut, bei der Sitzung des Umweltausschusses des Kreistags, in der das Thema behandelt wurde. Das Ganze kann nur funktionieren, wenn die Landwirte in den Schutzgebieten mitziehen. Denn denen gehören die Flächen. Inzwischen ist bereits von Vogelschutzhöfen die Rede, die mehr von Naturschutz-Zuschüssen leben als vom Verkauf von Milch und Fleisch.
Doch die brauchen eine langfristige Perspektive für diese Form der Finanzierung. Die garantiert die aktuelle Förderstruktur nicht. Da laufen die Verträge immer nur über maximal fünf Jahre. „Wir sind nicht mit dem zufrieden, was das Land uns anbietet“, sagte der Kreisvorsitzende des Landvolkverbandes, Karsten Padeken, in der Sitzung. Und weiter: „Wir haben nichts gegen ambitionierte, aber etwas gegen unrealistische Pläne.“ Er hätte sich mehr Flexibilität gewünscht. Man müsse auch sehen, dass durch die Ziele für die Vogelschutzgebiete der Milchwirtschaft erhebliche Flächen entzogen würden.
Es geht um mehrere Millionen Euro
Kritisch äußerte sich auch Matthias Wenholt, stellvertretender Verwaltungschef des Landkreises. „Diese Zahlen sind absolut nicht zu erreichen“, widersprach er der Naturschutzbehörde des Landes. Zudem sei die Finanzierung nicht gesichert. Die Region brauche klare Zusagen des Landes. Der Kreis hat Schreiben zu den Brutzahl-Zielen und zur Finanzierung ans Umweltministerium gerichtet. Die Antworten stehen aus.
Es geht um eine Menge Geld. Die jährlichen Naturschutz-Kosten für das Vogelschutzgebiet Marschen am Jadebusen beziffert der Landkreis Wesermarsch auf 3,6 Millionen Euro. Ähnliche Kosten entstehen im Vogelschutzgebiet Butjadingen. Das Geld soll im Wesentlichen vom Land kommen, und das langfristig.
Die Managementpläne sind in Arbeitskreisen mit Vertretern aus der Landwirtschaft, dem Naturschutz und der zuständigen Behörden besprochen worden. So soll es weitergehen. Auch die Umsetzung der Maßnahmen soll von diesen Arbeitskreisen begleitet werden. Denen dürfte der Gesprächsstoff so schnell nicht ausgehen.