TWie eine Buxtehuder Mutter mit wenig Geld ein schönes Weihnachtsfest organisiert

„Ich mag, wenn es überall leuchtet“, sagt Manuela, die Bürgergeld bezieht. Mit bescheidenen Mitteln versucht sie, ihren Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Foto: IMAGO/Cavan Images
Das Bürgergeld sichert das Existenzminimum - mehr nicht. Doch Weihnachten ohne Geschenke für die Kinder, ohne Baum und Festessen wäre undenkbar, findet eine Mutter aus Buxtehude. Wie sie das schafft.
Buxtehude. „Mir und meinem Mann wäre das Weihnachtsfest nicht so wichtig. Aber für die Kinder soll es schön sein“, sagt Manuela*. Dafür tut sie eine ganze Menge. Seit sechs Monaten denkt sie daran, dafür immer wieder etwas Geld beiseite zu legen. Denn sie und ihr Mann gehören zu den mehr als fünf Millionen Beziehern von Bürgergeld in Deutschland.
Ihre Jüngste ist acht Jahre alt und wünscht sich vom Weihnachtsmann ein Puppenhaus. „Gabby’s Dollhouse“ heißt es und kostet um die 70 Euro. Das ist viel, denn so etwas wie Weihnachtsgeld gibt es für Bürgergeldempfänger nicht. Die 35-jährige Manuela und ihr Mann bekommen den monatlichen Regelsatz von 451 Euro pro Person und 341 Euro für die gemeinsame achtjährige Tochter. Außerdem werden die Kosten für Unterkunft und Heizung erstattet.
Manuela hat noch zwei ältere Töchter aus einer früheren Beziehung. Sie sind 15 und 17 Jahre alt und wohnen beim Vater. Wie in vielen Patchworkfamilien ist das Weihnachtsfest auch bei ihnen etwas kompliziert in Sachen Organisation. Auf jeden Fall will Manuela auch ihre beiden Großen beschenken.
Zum Bürgergeld gehört kein Weihnachtsgeld
Bis 2005 gehörte zur damaligen Sozialhilfe noch eine Weihnachtsbeihilfe. Doch die wurde abgeschafft, als Hartz IV in Kraft trat. Das Bürgergeld soll ein menschenwürdiges Existenzminimum absichern. Doch das Einkommen der Familie liegt unterhalb der Armutsgrenze, die laut Bundeszentrale für politische Bildung bei weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verläuft.
Manch ein TAGEBLATT-Leser erinnert sich vielleicht, dass Manuela schon vor gut einem Jahr einen Einblick in ihr Leben mit knappen Mitteln in Zeiten der Inflation gestattete und sich beim Einkauf im Discounter begleiten ließ. „Seitdem hat sich bei mir aber etwas getan“, berichtet sie.
Manuela hat jetzt ein Auto und eine Arbeit. Für den Wagen wollte sie mit Unterstützung des Arbeitsamts einen Kredit aufnehmen. Der wurde nicht genehmigt, aber mit Unterstützung ihrer Eltern hat sie sich vor sechs Wochen einen alten Gebrauchtwagen gekauft. Sie braucht ihn - auch - zum Arbeiten: Die Eltern betreiben eine Reinigungsfirma, in der sie jetzt mit Putzen 240 Euro pro Monat verdient. Davon darf sie 120 zusätzlich zum Bürgergeld behalten. Ihr Mann, ein Maler, der seine Ausbildung abgebrochen hat, hatte im vergangenen Jahr einen Ein-Euro-Job. Jetzt ist er arbeitslos und versucht, sich beruflich neu zu orientieren. Er möchte eine Ausbildung machen.
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Eine große Bratwurst zu dritt auf dem Weihnachtsmarkt
Das Auto hat Manuela nicht nur die Arbeit in der Reinigungsfirma ermöglicht, sondern einiges mehr: Sie kann ihre beiden älteren Töchter, die in einer anderen Stadt wohnen, leichter besuchen. Zu Weihnachten bekommt ihre Älteste einen Rollerhelm, und für beide Mädchen gibt es Beauty-Artikel. Außerdem haben sie sich einen gemeinsamen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt gegönnt. „Die 50-Zentimeter-Bratwurst war super“, sagt Manuela. Sie haben sie sich zu dritt geteilt. Die jüngste Tochter durfte Enten angeln und erwischte ein niedliches Kuscheltier. Ein Lebkuchenherz für sie war nicht mehr drin, denn das kostete 7 Euro. Doch es war ein schöner Tag, findet Manuela.
Vor einem Jahr, als aus Hartz IV das Bürgergeld wurde und die Regelsätze um rund 50 Euro stiegen, befürchteten Kritiker, dass dadurch die Verlockung der „sozialen Hängematte“ zu groß werden könnte. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Inflation die Erhöhung aufgefressen hat, weshalb die Sätze zum 1. Januar erneut steigen sollen, diesmal um rund 60 Euro. Und wieder wird ähnliche Kritik laut, während auf der anderen Seite der Sozialverband VdK die Erhöhung als „zu spät und zu gering“ bewertet.
Manuela findet das nicht wenig: „Irgendwie muss es ja noch einen Unterschied geben, ob man Vollzeit arbeitet oder Bürgergeld bekommt.“ Sie selbst könnte sich gut vorstellen, mehr zu arbeiten, wenn sie mehr Kundinnen hätte. Sie ist eine von acht Geschwistern. Auch eine Schwester arbeitet in der Reinigungsfirma der Eltern. Andererseits macht ihr die Perspektive eines Lebens ohne staatliche Unterstützung auch Angst. „Wenn ich kein Bürgergeld mehr bekomme, was mache ich dann, wenn die Nebenkostenabrechnung kommt? 750 Euro mussten diesmal nachgezahlt werden.“
Wie Manuela zum helfenden Engel wurde
Am Monatsende hat Manuela manchmal kein Geld mehr, obwohl sie zwei Mal im Monat zur Tafel geht. „Da bekommt man aber immer weniger“, berichtet sie. Die Anzahl der Tafelkunden ist seit der russischen Invasion in der Ukraine stark angestiegen, die Menge der gespendeten Lebensmittel infolge der Preissteigerungen aber eher gesunken, weil die Märkte knapper kalkulieren und weniger übrigbleibt.
In der Facebook-Gruppe „Die helfenden Engel“ hat Manuela kürzlich am Monatsende gefragt, ob ihr jemand übergangsweise etwas Geld borgen könnte. Dass eine Frau das tatsächlich einfach so tat, auf Vertrauensbasis, hat sie sehr gerührt: „Ich habe das am Monatsanfang ganz schnell zurückgezahlt und ihr zum Dank ein kleines Geschenk geschickt.“ Schenken, sagt Manuela, macht ihr sowieso viel mehr Spaß als Geschenke zu bekommen. Deshalb ist sie selbst auch ein „Helfender Engel“ geworden: Eine alte Dame hatte sich Weihnachtsplätzchen gewünscht. Manuela hat für sie Kekse gebacken, sie hübsch verpackt und gleich weggeschickt.

Der Wünschebaum in St. Petri 2023. Foto: Thomas Haase
Der Weihnachtsmann kann sich das Puppenhaus leisten
Manuelas Jüngste glaubt, dass der Weihnachtsmann die Geschenke bringt. Und der kann sich das teure Puppenhaus leisten – dank der Wünschebaum-Aktion der St.-Petri-Kirchengemeinde und der Diakonie. 230 Sterne mit Kinderwünschen hingen in diesem Jahr im Baum, auch der von Manuelas Tochter. Sie wurden in der Adventszeit von Kirchenbesuchern abgenommen und kamen als Anhänger an hübsch verpackten Paketen zurück.
Eins davon wird an Heiligabend in Manuelas Wohnzimmer unterm Baum liegen. Den hat ihnen ein Freund ihres Mannes, der Tannen verkauft, geschenkt. Sonst hätte sie 20 Euro dafür ausgeben müssen. Ihr Mann wird den Baum mit der Deko vom letzten Jahr schmücken - und mit vielen Lichterketten, sagt Manuela: „Ich mag, wenn es überall leuchtet.“ Sonst kocht sie immer, aber Weihnachten übernimmt das ihr Mann. Es gibt Grünkohl. Manuela hat noch andere Dinge vorzubereiten.
Das große Geschenk mit dem Puppenhaus wird nicht das einzige sein. Manuela hat von ihrem Ersparten zusätzlich für 30 Euro Zubehör besorgt. Ihre achtjährige Tochter wird mit der Oma in ihrem Zimmer warten, bis die Tür aufgeht. Wenn sie ins Wohnzimmer läuft, wird sie Fußspuren entdecken - große, weiße Fußspuren. „Die mache ich mit Stiefeln und Mehl“, verrät Manuela. Sie werden von der Haustür bis zum Christbaum führen. Und zu den Geschenken.
*Der Name ist der Redaktion bekannt und wurde auf Wunsch der Frau verändert.