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Landgericht Stade

TWindige „Palmöl“-Geschäfte: 56-Jährige soll in 143 Fällen betrogen haben

Ein 56-Jähriger aus dem Landkreis Rotenburg steht wegen Betrugs vor dem Landgericht Stade.

Ein 56-Jähriger aus dem Landkreis Rotenburg steht wegen Betrugs vor dem Landgericht Stade. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Im Prozess vor der Wirtschaftskammer geht es um einen Millionenbetrag. Der Angeklagte aus dem Landkreis Rotenburg ist dabei „kein unbescholtenes Blatt“. Wie die Betrugsmasche funktionierte.

Von Theo Bick Donnerstag, 08.02.2024, 09:15 Uhr

Stade. Beim Prozessauftakt am 17. Januar hatte er aufgrund von ärztlich bescheinigten gesundheitlichen Problemen noch gefehlt, jetzt saß der 56 Jahre alte Mann aus der Samtgemeinde Selsingen auf der Anklagebank. Vor der 5. Großen Strafkammer, die am Mittwoch als Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes Stade unter dem Vorsitz von Richter Stefan Tomczak tagte, muss sich der Angeklagte wegen des Vorwurfes des besonders schweren Betruges in 143 Fällen verantworten. Die Straftaten sollen sich im Zeitraum zwischen 2015 und 2020 in Sandbostel und andernorts ereignet haben, wie Oberstaatsanwalt Dr. Burkhard Vonnahme bei der Anklageverlesung ausführte.

Mit diversen Geldgebern habe er Darlehensvereinbarungen getroffen. Seinen Geldgebern habe der Angeklagte die Abwicklung von Palmöl-Geschäften vorgegaukelt und sie über seine Rückzahlungsbereitschaft und -fähigkeit getäuscht. Das erschwindelte Geld habe der Angeklagte zum Bestreiten seines Lebensunterhalts sowie zur Rückzahlung einiger Summen an andere Gläubiger verwendet. Insgesamt habe der 56-Jährige knapp 1,8 Millionen Euro erhalten.

Ein von Rechtsanwalt Michael Stephan vor der Vernehmung des ersten Zeugen angeregtes Rechtsgespräch, um vorab über einen potenziell denkbaren Strafrahmen zu sprechen, verlief ergebnislos. Es sei kein üblicher Betrugsfall, so der Verteidiger. Trotz schleppender Rückzahlungen und Kenntnis der finanziellen Nöte seines Mandanten sei von den Geldgebern immer wieder Geld nachgeschossen worden.

Fast-Food-Kettenbetreiber sagt als Zeuge aus

Die Kammer könne ihrerseits ohne vorherige Anhörung der Zeugen kein wie auch immer geartetes Verständigungsangebot machen, so Tomczak. Die angeklagte Summe liege über der „Millionengrenze“ erinnerte der vorsitzende Richter. Auch sei der Angeklagte „kein unbescholtenes Blatt“, sagte Tomczak und verwies auf dessen Eintragungen im Bundeszentralregister.

Fortgesetzt wurde der Prozess mit der Vernehmung eines 65-jährigen Mannes aus Verden. Zwischen 2015 und 2018 hatte der Zeuge dem Angeklagten insgesamt mehrere 100.000 Euro überwiesen. Angefangen habe alles mit der Bitte des Angeklagten, ihm wegen bestehender Steuerschulden mit einer Summe von 5.000 Euro auszuhelfen. „Das habe ich dann auch gemacht“, so der Zeuge. Die Summe sollte nach etwa sechs Monaten inklusive 3,5 Prozent Zinsen zurückgezahlt werden.

Als der Angeklagte, den der Zeuge als Betreiber von vier Schnellrestaurants geschäftlich über den Bereich Marketing kennengelernt hatte, dann erwähnt habe, dass er nebenberuflich mit Palmöl handele, habe es weitere Zahlungen gegeben. Immer mit der Auflage, dass diese mit 3,5 Prozent Zinsen vergütet und anschließend zurückgezahlt werden sollten, schilderte der Zeuge. Schriftliche Vereinbarungen habe es allerdings nicht gegeben.

„Kann Ihnen keine logische Erklärung geben“

Auf Nachfrage von Richter und Staatsanwalt bekannte der Zeuge: „Eine logische Erklärung dafür, warum ich ihm das Geld gegeben habe, kann ich Ihnen nicht geben.“ Nur so viel: Zum Zeitpunkt der Zahlungen habe er sich einer hoch dosierten Cortison-Therapie unterziehen müssen. Auch sei immer wieder sporadisch Geld zurückgezahlt worden. Alles in allem stünden jedoch bis heute rund 550.000 Euro an Rückzahlungen aus. Das Geld habe er abgeschrieben.

Die Geschichten, mit denen der Angeklagte immer mehr Zahlungen erbeten habe, hätten stets glaubwürdig geklungen, so der Zeuge. Zudem habe der Angeklagte - offenbar fingierte - Kontoauszüge einer ungarischen Bank vorgelegt, auf der das benötigte Geld vorhanden sei, und eine notarielle Abtretungserklärung vorgelegt. Hellhörig sei er erst Ende 2017/Anfang 2018 geworden, als eine Überweisung in Höhe von 2.000 Euro von der Kriminalpolizei eingezogen worden war. „Von da an gab es keinen einzigen Cent mehr“, sagte der Zeuge.

Am Nachmittag wurden zwei weitere Zeugen angehört. Die nächsten Verhandlungstermine sind für den 14. Februar (13 Uhr) sowie den 6. und 7. März (jeweils 9.15 Uhr) angesetzt. Die Vernehmung weiterer mutmaßlicher Betrugsopfer und einer Kriminalbeamtin stehen aus. Auch kündigte der Angeklagte über seinen Anwalt an, sich im März gegebenenfalls selbst zum Sachverhalt zu äußern.

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