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Naturphänomene

TWohnungen und Festungen: Diese Vogelnester sind eine Baukunst für sich

Die Mönchsgrasmücke sammelt Material für den Nestbau.

Die Mönchsgrasmücke sammelt Material für den Nestbau. Foto: Reinhard Paulin

Manche Vogelnester sind wahre Kunstwerke, andere wieder erscheinen völlig fantasielos und simpel. Doch der Nestbau ist ein höchst komplizierter Vorgang.

Von Wolfgang Kurtze Sonntag, 06.04.2025, 14:50 Uhr

Landkreis. Das Nest soll dem Nachwuchs eine gute Entwicklung, Schutz und Tarnung geben. Weil jede Vogelart an ihren Lebensraum sehr speziell angepasst ist, müssen auch die Nester bestimmten Ansprüchen genügen. Es gibt zum Beispiel Schwimmnester (Blesshuhn), Bodennester (Kiebitz) oder Nester in Höhlen (Star). Die Nester können geflochten (Amsel), verfilzt (Buchfink), gemauert (Schwalbe) oder gewebt (Rotkehlchen) sein. Die enorme Vielfalt der Baukunst beeindruckt.

Tauben machen es sich einfach: Es scheint, als würden ein paar Zweiglein aufeinandergeschichtet - und fertig ist das Sparnest. Doch dieses sperrige Konstrukt hat es in sich. Das Männchen schafft das wenige Material heran, das Weibchen verbaut es - oder lässt es auf den Boden fallen, wenn es nicht passt.

Stabilität beim Bau ist immer gewährleistet. Das Weibchen weiß genau, wie viele und welche Kontaktpunkte nötig sind, damit das Nest nicht zerfällt. Sie kennt die nötige Dicke der Zweige, sie ist Architektin und Statikerin zugleich. Passen die Teile nicht zusammen, wird erneut probiert. Wissenschaftler fanden heraus: Die Fähigkeit zum Nestbau ist überwiegend angeboren, doch Lernvorgänge spielen dabei auch eine Rolle.

Tauben sind die Minimalisten unter den Vögeln

Blaumeisen arbeiten weitaus sorgfältiger. In der Nisthöhle wird zunächst eine Unterlage aus Grashalmen oder Federn hergestellt. Dann erfolgt der Bau einer dicken Moosschicht. Ist sie fertig, beginnt die Feinarbeit. Unzählige Tierhaare werden herangeschafft. Baumeisterin dieses kuscheligen Isolierpalastes ist das Weibchen. Bauzeit: etwa eine Woche. Oft werden ausgekämmte Hundehaare verbaut. Die enthalten mitunter Flohschutzmittel in so hoher Konzentration, dass die Nestlinge daran zugrunde gehen können.

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Eine wahre Festung können Elstern bauen. Schon im Winter prüft das Weibchen ausgiebig den Standort. Gefällt er, wird eine Plattform aus gekreuzten Zweigen und dann der Rohbau angefertigt. Das Elsternpaar testet, ob er hoch oben in einem Baumwipfel dem Winter- und Frühjahrssturm standhält. Beäugen zu viele Rabenkrähen den Bau, wird er nicht zu Ende geführt. Denn Rabenkrähen plündern gern ein Elsternest. Bewährt sich der Standort, wird die Nestkugel vervollständigt.

Elstern bauen wahre Festungen

Mehr als 600 Zweige kann ein Elsternpaar heranschaffen. Mit Dornen bewehrte Zweige zur Feindabwehr sind beliebte Baumaterialien. Wenn Elstern Drähte, Stacheldraht, Stahlspitzen oder Vogelspikes finden, werden sogar diese verbaut. Anschließend verschmiert das Paar innen alles sorgsam mit Lehm und polstert das Nest mit Haaren oder Moos aus, damit es später die Jungen in luftiger Höhe schön warm haben.

Am Ende wird die Behausung ausgiebig beobachtet: Nisten Rabenkrähen in der Nähe, erfolgt der Bau einer Überdachung, so dass ein Kugelnest entsteht. Schließlich kommt der allerletzte Härtetest: Männchen und Weibchen stoßen, trampeln und ruckeln an ihrer Festung. Bewährt sie sich, kann das Brüten beginnen. Solch ein wundervoller und massiver Kobel kann von Elstern über viele Jahre hinweg immer wieder genutzt werden. Oder Nachmieter ziehen ein: Turmfalken oder Waldohreulen zum Beispiel.

Autor und Serie

Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.

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