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Neujahrsempfang

TWorüber die Kutenholzer sauer sind - und was sie vermissen

Der Runde Tisch in Kutenholz: Op Platt servieren Klaus Heins (links) und Daniel Jahnke der Politik ihre Fragen. Sandra Lemmermann, Kai Seefried, Matthias Hartlef und Melanie Reinecke antworteten.

Der Runde Tisch in Kutenholz: Op Platt servieren Klaus Heins (links) und Daniel Jahnke der Politik ihre Fragen. Sandra Lemmermann, Kai Seefried, Matthias Hartlef und Melanie Reinecke antworteten. Foto: knappe

Op Platt klingt alles viel netter. Doch auch wenn beim Neujahrsempfang in Kutenholz die Fragen am Runden Tisch als humoriger Plattdeutsch-Talk serviert wurden - die Probleme bleiben ernster Natur, egal ob es um Schule, Lampen oder Straßen geht.

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Von Katja Knappe
Sonntag, 14.01.2024, 17:45 Uhr

Kutenholz. Erst das Kulinarische: Grünkohl, Schnitzel und Salate waren vertilgt, als die vier Grundschüler Milon, Lukas, Jelle und Xaver in der Festhalle Kutenholz vor rund 160 Bürgern unter kräftigem Applaus den mulitmedialen Jahresrückblick für Kutenholz präsentierten. Am Runden Tisch ging es danach ans Eingemachte.

Klaus Heins und Daniel Jahnke vom Runden Tisch erkundeten bei den anwesenden Lokal- und Landtagspolitikern den Stand der Dinge - etwa in der Schulfrage. Bis 2026, also bis zur Einführung der Ganztagsbetreuung, soll in der Samtgemeinde Fredenbeck eine neue Grundschule stehen. „In Kutenholz oder in Mulsum oder wo?“, unkten die beiden Talker.

Hartlef spricht von massiven Steuererhöhungen

Landrat Kai Seefried (CDU) äußerte sich zweifelnd zur Zeitschiene in Sachen Ganztagsschule. „Anspruch und Wirklichkeit klaffen extrem weit auseinander. Der Bund hat sich das ausgedacht.“

Schon jetzt gebe es nicht genügend Lehrer. Samtgemeindebürgermeister Matthias Hartlef verwies auf ein Investitionsvolumen von mehr als 30 Millionen Euro, die noch nicht direkt in den Haushalt eingepreist seien. Bei solchen Summen werde die Samtgemeindeumlage steigen - „massivste Steuererhöhungen“ wären die Folge.

Für Stefanie (35) und Stefan (37) Zerbin ist das alles wenig befriedigend. Das Ehepaar mit zwei Kindern im Alter von fünf und acht Jahren und ist vor zweieinhalb Jahren von Berlin nach Kutenholz gezogen, wo die Familie ein Haus gekauft hat.

„Wir sind hier super aufgenommen worden. Aber wenn meine Nachbarn nicht wären - die halten mich hier. Wir haben ein Riesenproblem mit der Kinderbetreuung“, sagte der Berufssoldat. Die Zerbins haben zwar einen Großelternteil, der von Berlin zu ihnen gezogen ist und bei der Kinderbetreuung unterstützt, erläutert Stefan Zerbin. „Das ändert aber auch nichts an der Problematik für neu zugezogene Bürger ohne zusätzliche Kinderbetreuung“, so Zerbin.

Stefan (37) und Stefanie (35) Zerbin leben seit zweieinhalb Jahren in Kutenholz. Für die berufstätigen Eheleute ist die Kinderbetreuung in der Gemeinde "ein Riesenproblem".

Stefan (37) und Stefanie (35) Zerbin leben seit zweieinhalb Jahren in Kutenholz. Für die berufstätigen Eheleute ist die Kinderbetreuung in der Gemeinde "ein Riesenproblem". Foto: knappe

Neue Straßenlampen in der fünften Kalenderwoche

„Die Schulbetreuung macht hier um 13 Uhr zu, dann ist unser Großer fünf, sechs Stunden allein zu Hause.“ Das fünfjährige Kind bringt Stefanie Zerbin, die in Zeven arbeitet, jeden Morgen dort in die Kita. „Meine Kollegen raten mir immer: Zieh nach Bremervörde“, sagte Stefan Zerbin.

Auch den Abriss des Spielplatzes Im Lakum können die Eheleute nicht nachvollziehen. „Für Neubürger ist es schwer, hier Fuß zu fassen“, sagt Stefan Zerbin. Er wünscht sich von der Lokalpolitik zudem Bürgerbefragungen bei politischen Entscheidungen - „in Elm haben die dafür eine Bürger-App“.

Der Zustand der Straßen, die Verkehrslage und die mangelhafte Straßenbeleuchtung in der Gemeinde und in der Samtgemeinde sind Dauerbrenner-Themen in Kutenholz, seit Jahren. Die Erneuerung der Straßenbeleuchtung und die Umrüstung auf LED werde samtgemeindeübergreifend angepackt, sagte die Kutenholzer Bürgermeisterin Sandra Lemmermann.

Hartlef verwies darauf, dass es bei den Fördermittelanträgen für die Straßenbeleuchtung immer wieder zu Verzögerungen gekommen sei. Aber im Oktober 2023 seien endlich die Aufträge für 1500 Lichtpunkte in der Samtgemeinde vergeben worden: „In der fünften Kalenderwoche geht es los in Aspe“, versprach er.

Heike Zychla-Schadeck (64), Vorsitzende vom DRK-Ortsverein Kutenholz und Heimatvereinsmitglied: "Die Straßenbeleuchtung ist seit Jahren eine Katastrophe".

Heike Zychla-Schadeck (64), Vorsitzende vom DRK-Ortsverein Kutenholz und Heimatvereinsmitglied: "Die Straßenbeleuchtung ist seit Jahren eine Katastrophe". Foto: Knappe

Kutenholzer vermissen Dorftreff und Kneipe

Was mit den sanierungsbedürftigen Straßen passiere, wollten die Lokalmatadoren vom Runden Tisch wissen. Seefried sagte, die Baustelle Elm sei eine „große Herausforderung“, die Straßen, die als offizielle Umleitung fungierten, würden saniert.

„Die Kreisstraßen machen mir Sorgen. Aber uns fehlen die Köpfe, mit denen wir die Straßen bauen können“, so Seefried, der erneut auf den Mangel an Straßenbauingenieuren in der Kreisbehörde verwies.

Etliche Kutenholzer vermissen in der Gemeinde einen Dorftreff oder eine Kneipe. „In Kutenholz gibt es einen guten Zusammenhalt zwischen den Leuten und unter den Vereinen - was die alles fürs Dorf auf die Beine stellen“, sagt Sebastian Witz, Vorsitzender des Motorsportclubs.

„Aber ein Ort, wo Jung und Alt sich mal einfach so treffen können, der fehlt. Die Vereine unter sich haben ihre Lokalitäten. Aber es ist nach wie vor ein großer Verlust, dass wir unsere Kneipe verloren haben, das war vor etwa 15 Jahren.“ Die Kutenholzerin Silke Breier (49) findet: „Es fehlt ein Dorfgemeinschaftshaus, wo die Jugend feiern kann.“

Reaktivierung der Bahnlinie?

Heike Zychla-Schadeck (64), Vorsitzende des DRK-Ortsvereins Kutenholz und Mitglied im Heimatverein, hofft, dass die Kommune den gesetzlich vorgeschriebenen Klimaplan möglichst schnell erstellt - damit Hausbesitzer mit alten Heizungen möglichst bald zuverlässig planen können. Und sie wünscht sich, dass unbedingt der Bahnhof Essel-Mulsum reaktiviert wird, wenn die Bahnlinie nach Stade 2026 wieder in Betrieb geht.

Hinweis der Redaktion: Zunächst hieß es, das Ehepaar Zerbin habe keine Großeltern vor Ort, die bei der Kinderbetreuung unterstützen. Richtig ist: Ein Großelternteil ist von Berlin nach Kutenholz gezogen.

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