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Naturphänomene

Zarter Florfliegen wissen sich zu wehren

Filigranes Wesen: eine Florfliege auf einem Blütenstand.

Filigranes Wesen: eine Florfliege auf einem Blütenstand. Foto: Reinhard Paulin

Florfliegen sind die grazilen Leichtgewichte unter den Insekten. Sie verputzen Schädlinge und fliehen im Sturzflug vor Fledermäusen. Auch sonst sind sie wehrhaft gegen Feinde.

Von Wolfgang Kurtze Sonntag, 10.12.2023, 08:00 Uhr

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Landkreis. Die großen, glänzenden, pergamentartigen, von vielen Adern durchzogenen Flügel; der hell apfelgrüne, dünne und langgezogene Körper; die langen Fühler – alles an der Florfliege wirkt elfengleich. Die auffallend roten Augen stehen hervor. Im flatternden Flug können sie leicht vom Wind abgetrieben werden. Jetzt müssen sie geschützte Plätze gefunden haben, an denen sie die kalte Jahreszeit überdauern.

In Holzstößen oder unter Laub, zwischen Baumrinden, in Garagen, auf Dachböden oder zwischen Halmen erstarren sie nun mehrere Monate, bis sie im Frühjahr wieder erwachen. Wenn sie sich im Haus verfliegen, sollten sie wieder ins Freie gebracht werden, denn in der warmen Wohnung sterben sie. Oft werden mit Holzwolle oder Stroh ausgestopfte Holzhäuschen angeboten, die Florfliegen während des Winters eine gute Bleibe bieten können. Für den Biogarten kann sich die Fürsorge um Florfliegen lohnen. Diese „Schädlingsbekämpfer“ können als Blattlausvertilger wahre Wunder verbringen.

Erwacht die Florfliege aus der Winterstarre, macht sie sich an die Eiablage. Sie produziert feine, lange Fäden, an deren Ende sich jeweils ein Ei befindet. Die Eier werden meistens in der Nähe von Blattlauskolonien abgelegt. Aus dem Ei schlüpft eine lange Larve mit kräftigen Zangen am Kopf. Mit deren Hilfe werden Blattläuse erbeutet und gefressen, mitunter bis zu 100 an einem Tag. Muss eine Larve hungern, dann sucht und frisst sie auch Milben, sie greift sogar die Larven von Marienkäfern an. Mitunter vertilgt sie auch andere Florfliegenlarven.

Zartes Insekt wehrt sich im Sturzflug und per Chemie

Nach einigen Wochen verpuppt sich die Larve, nach etwa einer Woche schlüpft die fertige Florfliege. Sie sucht nach Blüten, deren Pollen und Nektar sie frisst. Bei uns im Norden erzeugen Florfliegen noch eine weitere Generation. Dann ist das Florfliegenjahr vorbei. Wieder suchen die Tiere nach Verstecken. Während der Winterstarre verändern Florfliegen ihre Körperfarbe. Die Tiere sind dann zart hellbraun eingefärbt.

Der „Nutzen“ von Florfliegen im Ökosystem hat dazu geführt, dass Insektenkundler sie genauer untersuchten: Interessant ist, dass Florfliegen wahrscheinlich die Ultraschallaute von Fledermäusen wahrnehmen. In solchen Situationen versuchen sie im Sturzflug ihnen zu entkommen. Florfliegen nehmen mit Ultraschall untereinander Kontakt auf. Werden sie bedrängt, sondern sie im Brustbereich Wehrsekrete ab. Darin sind unter anderem Skatol und Tridecane enthalten. Skatol riecht für uns Menschen unangenehm. Tridecane riechen benzinartig. Das zusammen kann Feinde vergrämen.

In den letzten Jahren wurde in Mitteleuropa ein sehr deutlicher Rückgang der Florfliegenbestände festgestellt. Forscher machen dafür den Glyphosateinsatz verantwortlich.

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.

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