Zum Friseur während der Arbeitszeit? Unternehmer platzt der Kragen

Ablenkung im Homeoffice? In der Mehrheit gibt es laut Umfragen keine Probleme mit der Arbeitsdisziplin. Foto: Helena Dolderer/dpa
Ein vierstündiger Friseurtermin dick markiert im Kalender. Der Hamburger Chef wettert gegen Homeoffice - doch nicht alle teilen seine Aufregung.
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Hamburg. Ein Friseurtermin während der Arbeitszeit hat eine Debatte über Homeoffice und Arbeitsdisziplin entfacht. Der IT-Unternehmer Kai Gunnar Hering aus Hamburg entdeckte im Kalender einer Mitarbeiterin einen fast vierstündigen Block für einen Friseurtermin - und platzte vor Wut. Auf dem Online-Portal LinkedIn machte er seinem Ärger Luft und erklärte, Homeoffice sei „einfach keine gute Idee“.
Sein Beitrag ging viral und spaltete die Meinungen. Zahlreiche Medien griffen die Generalkritik mittlerweile auf.
„Wann wird da eigentlich gearbeitet?“
Herings Ansicht nach sei es unverständlich, wie eine Vollzeitkraft sich während der Arbeitszeit einen Friseurtermin eintragen könne. „Wann wird da eigentlich gearbeitet? Vor dem Friseur? Danach? Zwischendurch vielleicht?“, fragte er empört. Als Konsequenz will er Homeoffice künftig nur noch Mitarbeitenden ermöglichen, die „über Monate Disziplin bewiesen haben“.
Das Netz reagiert gespalten
Der Beitrag löste auf LinkedIn eine hitzige Diskussion aus. Während einige Nutzer Hering zustimmten und betonten, dass Homeoffice nicht mit Freizeit verwechselt werden dürfe, übten andere scharfe Kritik. „Ich sehe hier nur ein Kommunikations- und Führungsproblem“, kommentierte ein Nutzer. Ein anderer schrieb spöttisch: „Ich glaube, Einzelunternehmer wäre eher was für dich.“
Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt die Reaktion von Andreas Löwe, dem Chef der Logistik-Plattform even logistics. Er postete als Konter einen eigenen Friseurtermin in seinem Kalender und schrieb: „Wir müssen endlich aufhören, so zu tun, als wären Mitarbeitende Kinder. Bei uns zählt das Ergebnis, nicht die Anwesenheitszeit.“ Andere Unternehmer schlossen sich dieser Sichtweise an und betonten, dass Flexibilität und Vertrauen entscheidend für modernes Arbeiten seien.
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Darf ich während der Arbeitszeit zu einem Arzttermin?
Ein anderes Beispiel ist der Arztbesuch, etwa bei einem Facharzt, wo Termine eher schwer zu bekommen sind. Vor allem bei klassischen „Nine-to-Five“-Jobs fragen sich viele, wann sie überhaupt Zeit für einen Arztbesuch finden sollen – schließlich sind die meisten Arztpraxen genau zu diesen Zeiten geöffnet. In solchen Fällen lässt sich ein Arzttermin während der Arbeitszeit oft nicht vermeiden. Doch ist der Arbeitgeber tatsächlich verpflichtet, Beschäftigte dafür freizustellen?
Das hängt laut dem Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Meyer von verschiedenen Faktoren ab. In großen Betrieben mit Betriebsräten gibt es manchmal spezielle Regelungen, die eine Freistellung für Arztbesuche ermöglichen. Grundsätzlich gilt jedoch: Wenn der Arzttermin dringend und unvermeidbar ist – etwa, weil die Untersuchung nur zu einer bestimmten Zeit verfügbar ist und nicht verschoben werden kann – dürfen Arbeitnehmer auch während der Arbeitszeit zum Arzt gehen.
Anders sieht es bei Routineuntersuchungen oder planbaren Terminen aus. Hier kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Termin außerhalb der Arbeitszeit stattfindet, um den Betriebsablauf nicht zu stören. Das gilt laut Meyer besonders in Schichtbetrieben, etwa in der Pflege, wo plötzliche Abwesenheiten schnell zu Engpässen führen können.
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Wird man für die ausgefallene Arbeitszeit trotzdem bezahlt?
Ein notwendiger Arztbesuch während der Arbeitszeit kann laut Gesetz eine vom Arbeitgeber zu bezahlende Arbeitsverhinderung sein. „Aber die Praxis ist eher die, dass die Mitarbeiter während der Arbeitszeit zum Arzt gehen können, diese Arbeitsunterbrechung in der Arbeitszeiterfassung als Pause vermerkt wird und das nicht als bezahlte Arbeitszeit gilt“, so Meyer.
Große Mehrheit kann sich im Homeoffice gut konzentrieren
Zu Einsamkeit führt das Arbeiten im Homeoffice nach einer Umfrage zumeist nicht. Der auf Videokonferenzen oder Telefongespräche begrenzte Austausch mit Kolleginnen und Kollegen führt demnach bei einer großen Mehrheit nicht zu einem schlechteren Kontakt im Team, wie der Einsamkeitsreport der Techniker Krankenkasse Schleswig-Holstein (TK) ergab. Für die Studie hatte das Meinungsforschungsinstitut Forsa 2024 gut 1.000 Personen im Norden befragt. 96 Prozent der zumindest gelegentlich Zuhause arbeitenden Erwerbstätigen gaben an, im Homeoffice trotz Distanz einen guten Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen zu haben.
Ablenkung ist den Daten zufolge kein großes Thema im Homeoffice. 93 Prozent der zumindest ab und zu im Homeoffice tätigen Erwerbstätigen gaben an, dass es ihnen leichtfalle, sich im Homeoffice zu konzentrieren.
Grundsätzlich fehlt es vielen Arbeitnehmern unabhängig vom Ort der Arbeit an Wertschätzung. 29 Prozent vermisst Lob für gute Leistung im Job. „Wir Menschen neigen schnell dazu, die Arbeit zu kritisieren und Fehler zu suchen“, so Schmidt-Bodenstein. Dabei könnten Dank und Lob viel bewirken. „Für das eigene Gefühl und Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist positives Feedback enorm wichtig.“
Der Umfrage zufolge arbeiten aktuell 63 Prozent der Erwerbstätigen im Norden ausschließlich im Betrieb. 37 Prozent nutzen die Möglichkeit, mindestens gelegentlich im Homeoffice zu arbeiten.
Pause im Job: Was Sie selbst entscheiden dürfen
In manchen Betrieben machen alle zur selben Zeit Pause. Anderswo entscheidet jeder und jede für sich. Aber dürfen Beschäftigte frei bestimmen, wann und wie lange sie pausieren?
Das hängt von den Vorgaben des Arbeitgebers ab, erklärt Peter Meyer. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber organisatorisch die Voraussetzungen schaffen, sodass Arbeitnehmer die gesetzlichen Ruhepausen nehmen können. In diesem Rahmen könne der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die Möglichkeit einräumen, die konkrete zeitliche Lage der Pausen selbst zu organisieren.
Meyer zufolge ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter die gesetzlichen Pausenregelungen einhalten. Die sind im Arbeitszeitgesetz so festgelegt:
- Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden: mindestens 30 Minuten Pause.
- Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden: mindestens 45 Minuten Pause.
Pausen dürfen in kleinere Einheiten von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden: „Also man kann da theoretisch dann zwei Ruhepausen oder drei Ruhepausen à 15 Minuten machen“, so Meyer.
Ob die Arbeitnehmer diese Pause tatsächlich einhalten, kann der Arbeitgeber laut Meyer stichprobenartig kontrollieren. Sollte der Arbeitgeber feststellen, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter keine Pausen nehmen und durchgehend arbeiten, ist er verpflichtet einzuschreiten.
Der Arbeitgeber kann Pausen auch zeitlich eingrenzen, etwa indem er vorgibt, dass sie in einem bestimmten Zeitfenster – beispielsweise zwischen 12 und 14 Uhr – genommen werden müssen. Innerhalb dieses Rahmens dürfen Arbeitnehmer laut Meyer dann frei entscheiden, wann sie ihre Pause machen.(kck/dpa-tmn)