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Schifffahrt

TZwei Fischer verlieren bei „Krabbe“-Tragödie auf der Nordsee ihr Leben

Der Kutter „Krabbe“ des Fischers Johann Fiehn. Das Foto stammt aus dem Jahr 1959, ist also sechs Jahre vor dem Unglück entstanden.

Der Kutter „Krabbe“ des Fischers Johann Fiehn. Das Foto stammt aus dem Jahr 1959, ist also sechs Jahre vor dem Unglück entstanden. Foto: Archiv Fiehn

Ein schrecklicher Sturm braut sich vor 60 Jahren auf der Nordsee zusammen. Kutter-Besitzer Johann Fiehn und Helfer Horst Nickel verlieren bei einer Havarie ihr Leben.

Von Pascal Patrick Pfaff Donnerstag, 19.06.2025, 15:57 Uhr

Wremen. Der 17. Juni 1965 ist für zwei Fischer von der Wurster Nordseeküste zum traurigen Schicksalstag geworden. Zwei Tage später, am 19. Juni, berichtete die Nordsee-Zeitung davon – und von ihrem Tod. 60 Jahre danach erinnern und mahnen drei Wremer.

„Für mich hat dieses Unglück eine Bedeutung wie 9/11. Es reicht ein Wort – und man denkt sofort daran. So sehr hat es sich eingebrannt.“ Und das, obwohl Olaf Schmidt das Ereignis eigentlich nicht „richtig“ miterlebt hat. Zu jung war er an diesem 17. Juni 1965. Der Fischwirtschaftsmeister und Kapitän des Wremer Krabbenkutters „Claudia“ ist Jahrgang 1963. Aktiv hat er nichts von der tragischen Begebenheit mitbekommen, die sich zwei Jahre nach seiner Geburt an der Wremer Nordseeküste abspielte. So sagt er es zum 60. Jahrestag. Indes wisse er aus Erzählungen, wie der Kutter „Krabbe“ damals wegen eines Sturms gesunken ist. Zwei Menschen starben.

Olaf Schmidt, Enkel des Fischers und die Zeitzeugen Richard Schmidt (von links), Wremens Ortschronistin Renate Grützner und Henning Siats vom Wremer Heimatkreis (rechts) blicken auf das Kutter-Unglück vom 17. Juni 1965 zurück. 

Olaf Schmidt, Enkel des Fischers, und die Zeitzeugen Richard Schmidt (von links), Wremens Ortschronistin Renate Grützner und Henning Siats vom Wremer Heimatkreis (rechts) blicken auf das Kutter-Unglück vom 17. Juni 1965 zurück. Foto: Scheschonka

Rückblick: Es war 2 Uhr morgens, als am 17. Juni 1965 sieben Granatkutter von Wremen aus auf die Nordsee herausfuhren. Bei Windstille und leichten Regenschauern, wie die Nordsee-Zeitung zwei Tage später schrieb. Gegen 9 Uhr entwickelte sich demnach ein Sturm, der als „Orkan“ beschrieben wird und mehrere Kutter samt Besatzung in arge Nöte brachte. Die „Kormoran I“ mit Fischer Peters und Helfern musste sich zweieinhalb Meter hoher Wellen erwehren, schlug leck und strandete schließlich rund 1000 Meter vor Schottwarden. Die Besatzung konnte sich retten, indem sie schwimmend und watend den Weg durch die aufgewühlte See in Richtung Deich nahm.

Marinesoldaten und die Polizei machen sich auf die Suche

Für die „Krabbe“ kam indes jede Hilfe zu spät. Zwar machten sich Marinesoldaten aus Bremerhaven und auch die Polizei auf die Suche, doch bis auf das senkrecht stehende Wrack an der Südseite der Robbenplate fanden sie nichts. Kutter-Besitzer Johann Fiehn und Helfer Horst Nickel verloren ihr Leben. Erst eine (Nickel) beziehungsweise zwei Wochen nach dem Unglück (Fiehn) wurden die sterblichen Überreste der beiden Männer im Watt gefunden.

Olaf Schmidt, dessen Großvater Richard und Vater Gerhard ebenfalls Fischer und Zeitzeugen waren, weiß aus Erzählungen und eigenem Erleben, was für eine Ausnahmesituation damals geherrscht haben muss: „Mein Großvater sagte mir, dass in einer solchen Situation alles heile an Deck muss, etwa die Netze. Bei solch einem Regen und Sturm treibt der Kutter einfach weiter. Da muss man aufpassen, dass sich nichts in der Schraube verfängt“, beschreibt er, wie es zum Kentern kommen könnte. Dauere das Einholen der Netze normalerweise 15 Minuten, könne es in dieser Situation auch mindestens 30 Minuten gebraucht haben.

Olaf Kelch, ehemaliger Lotse und neben Schmidt einer der Kapitäne der „Claudia“, weiß denn auch, dass die Seefahrt ihre Risiken hat: „Deshalb ist es wichtig, demütig zu sein und Respekt zu haben.“ Eine Einstellung, die angesichts der gewaltigen Kräfte, die Wasser und Wind entfalten können, angebracht zu sein scheint.

Enkel des Fischers gerät gefährliche Situation

In diesem Zusammenhang erzählt Olaf Schmidt von einem Erlebnis, bei dem ihm genau diese Eigenschaften dabei halfen, Schlimmeres zu verhindern. „Ich bin bei Cuxhaven einmal in einen Tornado geraten, nachdem das Wasser zunächst ganz glatt war.“ Das Wetter sei „gut“ gewesen, dazu windstill. Gesehen habe er aber, wie unruhig die Möwen wurden: Laut seiner Aussage ein „klares Zeichen, dass sich ein Sturm ankündigt“. Dann sei alles ganz schnell gegangen.

Nach Schmidts Worten hatten die Winde eine Geschwindigkeit von 170 km/h, das Wasser habe 1,5 Meter an Deck gestanden. Dazu sei die Strömung von hinten gekommen. „Ich habe ganz vorsichtig nach Steuerbord gelenkt und bin mit 0,5 Knoten rückwärts gefahren. Alles dauerte 20 Minuten, doch es kam mir vor wie drei Stunden“, erinnert er sich an eine Gefahrensituation aus der Zeit um die Jahrtausendwende.

„Eine Hand fürs Schiff, eine Hand für den Mann“

Wer Schmidt hiervon und über das Unglück aus dem Jahr 1965 reden hört, ahnt, wie wichtig es ist, stets sensibel zu sein. „Ich denke immer zweimal nach, was ich mache. Man sagt ja: Eine Hand fürs Schiff, eine Hand für den Mann.“ Es gehe darum, auf keine Situation hektisch zu reagieren.

Diesen Rat hat vor ein paar Tagen wohl auch ein Wremer Fischer befolgt. Das erzählte Henning Siats vom örtlichen Heimatkreis, der die NZ auf den 60. Jahrestag des Unglücks aufmerksam machte. „Bei dem Fischer hat sich ein Netz am Untergrund bei bis zu 12 Meter Tiefe verhakt. Gekentert ist es nicht, doch der Ausleger ist abgeknickt.“ Derartige Fälle gebe es immer mal wieder. Dass sich ein solcher wie der von 1965 wiederholt: Darauf hofft indes niemand.

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