TZwischen Rampenlicht und Rassismus: Michael-Jackson-Star Benét Monteiro

Bescheiden und uneitel: Musical-Darsteller Benét Monteiro. Foto: Dagmar Leischow
In „MJ – das Michael Jackson Musical“ begeistert Benét Monteiro wieder das Publikum. Doch trotz aller Hauptrollen: Der Brasilianer führt ein Leben zwischen Rampenlicht und Rassismus.
Hamburg. Er wählt denselben Weg wie sein Publikum: Obwohl Benét Monteiro in „MJ – Das Michael Jackson Musical“ die Hauptrolle spielt, setzt er von den Landungsbrücken mit einem Shuttleboot zum Stage Theater an der Elbe über. Auf der kurzen Fahrt plaudert der Wahlhamburger fröhlich mit seinen Kollegen, danach gehen sie gemeinsam zum Bühneneingang.
Während die anderen zu einer Probe müssen, nimmt der gebürtige Brasilianer an einem Tisch in einem Konferenzraum für das Interview Platz. Nicht alle Sätze kommen bei ihm wie aus der Pistole geschossen. Er gestattet es sich, gelegentlich auch mal etwas länger über eine Frage nachzudenken, bevor er mit sanfter Stimme antwortet.
Sie spielen eine Hauptrolle nach der nächsten – von Hamilton über Hercules bis zu Michael Jackson. Welcher Protagonist war bisher die größte Herausforderung für Sie?
Benét Monteiro: Für mich ist Michael Jackson mit keiner anderen Rolle vergleichbar. Sowohl körperlich als auch stimmlich und emotional verlangt mir dieser Charakter am meisten ab. Für Hercules brauchte ich Muskelmasse, ich habe sechs Kilo zugelegt. Anschließend musste ich wieder Gewicht verlieren, für Michael Jackson habe ich zehn Kilo abgenommen.
Training mit den Tänzern von Michael Jackson
Wie ging es danach mit den Vorbereitungen weiter?
Rich + Tone haben mit uns gearbeitet, sie waren Michael Jacksons Tänzer. Einerseits studierten sie mit uns die Choreografien ein, andererseits ließen sie uns an ihrer Erfahrung mit MJ teilhaben. Das war etwas ganz Besonderes.
Was war für Sie schwieriger? Zu tanzen wie Michael Jackson oder zu singen wie er?
Beides hat mir ziemlich viel abverlangt. Keiner kann genau wie Michael tanzen oder singen, weil er seinen eigenen Stil entwickelt hatte. Der Moonwalk war am Anfang nicht einfach für mich. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich ihn beherrschte. Beim Singen hatte ich vor „Beat it“ am meisten Respekt. Bei diesem Song ist Michaels Stimme sehr aggressiv und gleichzeitig leicht. Das ist technisch schwer hinzukriegen.
Halepaghen-Bühne
T „Ich schwitze wie ein Tier“: Großstadtrevier-Star wird zum 300-Kilo-Mann
Bühnenjubiläum
„5 Nights At The Opera“: Konzertreihe von Thees Uhlmann
Michael Jackson gilt bis heute als Superstar. Haben Sie sich nach der Zusage gefragt, ob Sie es tatsächlich schaffen könnten, auf der Bühne in seine Fußstapfen zu treten?
Jeden Tag schaue ich vor der Show in den Spiegel und sage mir: „Du kannst das, du schaffst das. Die Leute freuen sich auf dich und Michael.“ Ich habe größten Respekt vor seiner Kunst. Er konnte sich so gut bewegen und singen, weil er ein Perfektionist war. Das bedeutet, meine Arbeit ist längst noch nicht abgeschlossen. Ich muss jeden Tag trainieren, um herauszufinden: Wie kann ich mich weiter verbessern?
Straffes Fitnessprogramm für Musical-Ausdauer
Brauchen Sie für Ihre Auftritte eine gute Kondition?
Ja. Ich gehe jeden Tag ins Fitnessstudio und mache Yoga. Nach der Show versuche ich, gar nicht mehr zu sprechen. Das ist nicht so leicht. Wenn sich meine Eltern mit mir unterhalten wollen, biete ich ihnen an: Sie können reden, ich höre lediglich zu.
Hat Ihre Fitness Sie vor Selbstzweifeln während der Probe bewahrt?
Der erste Durchlauf war sehr hart für mich. Ich musste erst ein Gefühl dafür entwickeln, was es für meinen Körper und meine Stimme bedeutet, die gesamte Show einmal zu spielen. Jetzt weiß ich: Ich bin dieser Herausforderung gewachsen.
An Michael Jacksons Talent zweifelt niemand, als Mensch ist er umstritten. Wie sind Sie mit den Missbrauchsvorwürfen gegen ihn umgegangen?
Als Schauspieler habe ich überlegt: Wovon handelt die Show? Sie fokussiert sich auf Michael Jacksons Musik und seinen Kreativprozess. Zwei Millionen Menschen haben das Musical inzwischen weltweit gesehen. Das zeigt, was die meisten Leute fühlen: Sie wollen einfach Michaels Musik feiern. Ich denke wie sie und freue mich, dass ich auf der Bühne beim Singen und Tanzen seine Songs zelebrieren darf.
Haben Sie jemals den Dokumentarfilm „Leaving Neverland“ gesehen, in dem zwei mutmaßliche Missbrauchsopfer und deren Familien zu Wort kommen?
Ja. Ich habe mir auch die nachfolgenden Dokus angeschaut, die aufzeigen, was in „Leaving Neverland“ unklar oder nicht korrekt dargestellt wurde. Wenn Michael Jackson von einem Gericht schuldig gesprochen worden wäre, wäre die Sachlage anders gewesen. Aber solange es nur Vorwürfe und Behauptungen gibt, kann jeder für sich entscheiden: Was glaube ich?
Gefeierter Bühnenstar erlebt Fremdenfeindlichkeit im Alltag
Zurück zur Show: In „MJ – Das Michael Jackson Musical“ unterhält sich der Sänger in einer Szene mit seinem Produzenten Quincy Jones darüber, dass er sich als Schwarzer kaum gegen die weißen Künstler behaupten könne. Gibt es diese Problematik noch?
Leider ja. Ein Freund von mir war verärgert, weil er als schwarzer Mann für bestimmte Jobs nie zum Casting eingeladen wurde. Trotzdem ist inzwischen vieles besser geworden. Nicht zuletzt dank Michael Jackson, der für schwarze Künstler einige Türen geöffnet hat.
Wie erleben Sie selbst Rassismus?
Für mich gibt es einen großen Kontrast zwischen meinen Auftritten in den Shows und meinem Alltag. Wenn ich in ein Geschäft gehe, werde ich von der Security beobachtet. Die Blicke mancher Leute signalisieren mir, dass ich potenziell gefährlich sein könnte. Vor ein paar Monaten war ich in einer Parfümerie. Die Mitarbeiterinnen dachten wohl, ich könnte kein Deutsch verstehen. Die eine sagte zu ihrer Kollegin: „Behalte ihn im Auge!“ Auf der Bühne bin ich dagegen ein Star. Sobald jemand weiß, dass ich Musicaldarsteller bin, werde ich plötzlich völlig anders behandelt. Das passiert so oft, ich finde das traurig.
Hamburger Schmuddelwetter schockt Brasilianer
Sie sind gebürtiger Brasilianer. Wollten Sie in Deutschland Ihre Karriere voranbringen?
2010 gab es eine Audition für die deutsche „König der Löwen“-Show in São Paulo. Mir war sofort klar: Ich möchte unbedingt dabei sein. Die Chance, Simba zu spielen, hat mich gereizt. Als ich diesen Part bekommen habe, bin ich ohne zu zögern nach Hamburg gezogen.
Wie sind Sie mit dem Hamburger Schmuddelwetter zurechtgekommen?
Der erste Winter war hart für mich. Die Temperatur fiel damals auf minus 16 Grad, die Elbe war oft zugefroren. Ich war wirklich geschockt. Doch die Liebe zu meinem Job war stärker.
War es für Sie ein Problem, auf einmal weit weg von zu Hause zu sein?
Anfangs nicht. Aber jetzt tue ich mich mit der großen Distanz schwerer, weil ich mich frage: Wie lange werde ich meine Mutter und meinen Vater überhaupt noch haben? Ich besuche sie mindestens zweimal pro Jahr. Zur MJ-Premiere sind meine Eltern nach Hamburg gereist. Mein Vater war so bewegt, dass er ununterbrochen geweint hat.
Waren Ihre Eltern früher ebenso ehrgeizig wie Michael Jacksons Vater?
Mein Vater spielt Gitarre und singt, meine Mutter und mein Großvater singen ebenfalls. Trotzdem stand nicht von vornherein fest, dass ich eine künstlerische Laufbahn einschlagen würde. Als ich 23 war, haben meine Angehörigen jedoch gemerkt: Benét meint das ernst. Natürlich haben sie meinen beruflichen Weg unterstützt.
„Michael musste täglich gegen Widerstände kämpfen“
Michael Jacksons Vater war strenger, der Sänger hatte ein schwieriges Verhältnis zu ihm. Wie sehr hat ihn das geprägt?
Darüber spreche ich sehr oft mit Freunden aus der Show. Wer wäre Michael Jackson ohne seinen Vater geworden? Hätte er trotzdem eine Weltkarriere gemacht? Seinen Perfektionismus hat er definitiv von Joseph Jackson geerbt. Sicher sollte ein Vater seine Kinder nicht so behandeln wie Joseph, der Fehler sogar mit körperlicher Gewalt bestraft hat. Man muss aber bedenken: Die Zeiten waren damals anders. Joseph hat sich für seine Kinder eine bessere Zukunft gewünscht, sie sollten nicht in der Fabrik arbeiten müssen. Darum ist die Frage, ob er nun böse oder vielleicht doch gut war, sehr komplex.
Unabhängig davon: Was fasziniert Sie am meisten an Michael Jackson?
Wie sehr er an sich geglaubt hat. Dass ein schwarzer Mann dort steht, wo er gestanden hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Er musste die ganze Zeit gegen Widerstände kämpfen und hat dennoch unbeirrt mit seiner Kunst weitergemacht. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Wenn man jeden Tag etwas über sich liest, das nicht unbedingt positiv ist, und danach einfach wieder auftritt oder neue Songs schreibt, erfordert das ungeheure Kraft. Ich habe keine Ahnung, woher Michael Jackson diese Stärke genommen hat.
Interview
T Warum Tote-Hosen-Sänger Campino neuerdings betet
Planungen 2025
T Elbstrand Festival: Wen Gründer Tim Sieb gerne auf der Bühne hätte
Zur Person: Benét Monteiro wurde 1985 in Rio de Janeiro geboren. Er studierte an der ETMB Musical Theater School of Brasilia. Seine ersten Rollen hatte er in „Hairspray“ in Rio de Janeiro und in „Into the Woods“ in São Paulo. 2010 kam er als Cover Simba für „König der Löwen“ nach Hamburg. Unter anderem stand der Musicaldarsteller, der in seiner Freizeit gern ins Spa geht, Freunde trifft, im Kino Filme schaut oder reist, in der Hansestadt in „Die Eiskönigin“, „Hamilton“ oder „Hercules“ auf der Bühne. Derzeit spielt er die Titelrolle in „MJ – Das Michael Jackson Musical“ im Stage Theater an der Elbe.
Persönlich: Michael, Michael, Michael!
Mein Lieblingssong von Michael Jackson... ist „Off the Wall“. Auch „Human Nature“ mag ich sehr.
Das „Thriller“-Video finde ich... unsterblich.
Meine Lieblingsoutfits von MJ sind... die schwarzen Sachen mit den Schnallen aus dem „Bad“-Video.
An den Jackson 5 bewundere ich... vor allem Michael. Wie er schon als Kind singen konnte, ist nicht normal.
Das beste MJ-Album ist... „Thriller“. Obwohl ich auch „Off the Wall“ liebe.
Wenn ich einen Tag mit Michael Jackson verbringen könnte, würde ich sagen... „Danke, dass du dein Leben für die Kunst gegeben hast. Kannst du für mich singen?“