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Pflanzenschutz

TAltes Land: Obstbauern stellen sich gegen Glyphosat-Aus

Großer Gegensatz: Der Glyphosat behandelte Baumstreifen im Frühjahr in einer Plantage im Alten Land, die Fahrgasse ist unbehandelt.

Großer Gegensatz: Der Glyphosat behandelte Baumstreifen im Frühjahr in einer Plantage im Alten Land, die Fahrgasse ist unbehandelt. Foto: Obstbauzentrum Esteburg

Die Bundesfachgruppe Obstbau setzt sich in Brüssel und Berlin weiter für die Wiederzulassung des Unkrautvernichters Glyphosat ein. Ohne das Pflanzenschutzmittel drohe ein Ernte-Einbruch. Die Entscheidung könnte bald fallen.

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Von Björn Vasel
Donnerstag, 09.11.2023, 12:00 Uhr

Jork. Eigentlich war alles klar: Die EU-Kommission hatte im September vorgeschlagen, den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat ab Dezember 2023 für weitere zehn Jahre zuzulassen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte bestätigt, dass „Glyphosat nicht die Kriterien erfüllt, um als krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuft zu werden“. Trotz alledem hatte die Kommission im Oktober keine ausreichende Zustimmung der EU-Länder dafür erhalten, weil sich Frankreich und Deutschland enthielten.

Glyphosat steht in Brüssel auf Agenda

Sozialdemokraten und Grüne lehnen eine Wiederzulassung ab. Ihre Begründung: Es fehlten Studien über mögliche Auswirkungen auf die Biodiversität. Außerdem verweisen Efsa-Kritiker auf die Weltgesundheitsorganisation, die den Wirkstoff im Jahr 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.

In Brüssel steht die Zulassungsverlängerung am 16. November erneut auf der Agenda. Wenn sich weder eine qualifizierte Mehrheit für oder gegen Glyphosat findet, kann die Kommission selbst entscheiden. Dann müsste die Bundesregierung das EU-Recht umsetzen.

„Die Hängepartie muss ein Ende haben“, forderte der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Obstbau, Jens Stechmann aus Jork. Für den notwendigen Frühjahrseinsatz von Glyphosat laufe den Obstbauern langsam die Zeit davon.

Glyphosat wird in der Landwirtschaft gegen unerwünschtes Unkraut eingesetzt.

Glyphosat wird in der Landwirtschaft gegen unerwünschtes Unkraut eingesetzt. Foto: Patrick Pleul/zb/dpa

Selbst wenn eine positive Entscheidung aus Brüssel noch vor Jahresende vorliegen sollte, muss danach die deutsche Pflanzenschutzanwendungsverordnung angepasst werden, die ein generelles Verbot des Herbizids ab dem 1. Januar 2024 vorsieht.

Artenvielfalt durch Glyphosat nicht bedroht

Die Bundesfachgruppe unterstreicht, dass der Obstbau seit Jahren den Einsatz reduziere. Weil lediglich die Baumstreifen behandelt werden, werde schon heute lediglich ein Drittel der zugelassenen Aufwandmenge pro Hektar ausgebracht. In den dauerbegrünten, artenreichen Fahrgassen „erfolgt keine chemische Beikrautregulierung“, so Fachgruppen-Geschäftsführer Joerg Hilbers.

Vor der Ernte erfolgt eine langsame Wiederbegrünung, Fahrgassen bleiben Dauergrünland. Beide verweisen auf Studien zur Auswirkung des Unkrautvernichters auf die Biodiversität. Ein Vergleich von chemischer und mechanischer Behandlung habe ergeben, dass es „keine wesentlichen Unterschiede“ gebe.

Die Wildbienenzahl ging direkt nach der mechanischen Behandlung - 70 Prozent der Wildbienenarten bauen ihre Nester im Boden - zwar nach unten, erholte sich aber schon nach wenigen Tagen.

Und auch in den Arthropoden-Erhebungen (Insekten & Co.) war die Anzahl nicht signifikant unterschiedlich. Tendenziell gab es etwas weniger Ohrwürmer, Springschwänze und Spinnen nach der mechanischen Behandlung.

Keine Alternative zu Glyphosat?

Eine wirtschaftlich vertretbare und ökologisch nachhaltige Alternative stehe im Integrierten Anbau - betrieben von 80 Prozent der Erzeuger - aktuell nicht zur Verfügung. Deshalb dürften EU und Bund kein generelles Zulassungsverbot aussprechen, sondern müssten prüfen, inwieweit Anwendungen im Obstbau realisiert werden können, bis praktikable Alternativen zur Verfügung stehen.

Ohne unkrautfreie Baumstreifen drohen Ernte-Verluste von fast einem Drittel. Doch nicht nur die Tonnage würde sinken. Mit dem Einsatz soll eine Nährstoffkonkurrenz durch krautige Vegetation verhindert werden. Baum- und Fruchtwachstum haben Vorrang, so Professor Dr. Roland Weber vom Obstbauzentrum Esteburg.

Landwirte fürchten um ihre Ernte.

Landwirte fürchten um ihre Ernte. Foto: Vasel

Auch Schadinsekten- und Mäusebefall soll reduziert werden, Jagdvögel haben freie Sicht. Zudem sei der beikrautfreie Boden ein Element der Habitatvielfalt - etwa für brütende Solitärbienen. Der Einsatz sei umwelt- und klimafreundlich, es gebe keine Hinweise auf die Schädigung von Bestäuberinsekten.

Obstbau will Einsatz weiter reduzieren

„Wir könnten uns eine Reduzierung des Baumstreifens von heute 1,20 Meter auf 80 Zentimeter vorstellen - und eine Reduzierung der Anwendungen“, sagt Stechmann. Zwei bis drei Mal werde das Glyphosat heute ab April/Mai ausgebracht. Nicht-chemische Alternativen, im Öko-Anbau längst Alltag, seien in der Integrierten Produktion „noch nicht praxistauglich“.

Im Öko-Anbau kommt standardmäßig das Unterstockhackgerät Krümler Ladurner zum Einsatz. Die Geräte, etwa 35.000 Euro teuer, müssten erst geordert werden. Doch dafür müssten die Erzeuger die Frostschutzberegnung - Leitungen und Beregner sind im Wege - komplett umbauen.

Außerdem würden die Kosten pro Hektar um 700 Euro steigen - durch den höheren Personal- und Technikaufwand. Handel und Verbraucher würden das nicht honorieren. Die Obstbauern bräuchten Sicherheit für die Produktion, mahnt der Landesvorsitzende Claus Schliecker. Stechmann: „Wir brauchen die Wiederzulassung.“

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