TAltes Land: Tourismusverband wirbt für mehr barrierefreie Urlaubserlebnisse

Ines Utecht (links) vom Tourismusverband und Carola Matthies präsentieren die Zertifizierungsurkunde "Reisen für alle" im barrierefreien Café des Obsthofs in Jork-Borstel. Foto: Vasel
Die Inklusion fördern und die Urlaubsregion durch barrierefreies Reisen stärken. Das Ziel hat sich der Tourismusverband Landkreis Stade auf die Fahne geschrieben. Jetzt hat sich der siebte Betrieb für „Reisen für alle“ zertifiziert - im Alten Land.
Jork. In Deutschland leben mehr als zehn Millionen Menschen mit einer Behinderung. Diese reisen deutlich weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dabei würde fast die Hälfte von ihnen häufiger verreisen. Doch knapp 37 Prozent verzichten wegen mangelnder Barrierefreiheit auf einen Urlaub, so Rolf Schrader vom Deutschen Seminar für Tourismus in Berlin.
Allzu oft fehlen nicht nur die barrierefreien Angebote an sich, sondern insbesondere die Informationen über die Nutz- und Erreichbarkeit von Tourist-Infos, Museen, Wanderwegen oder Cafés. Das wollen Touristiker und Vertreter von Sozialverbänden ändern. Für knapp zehn Prozent der Bevölkerung sei Barrierefreiheit unentbehrlich, für 40 Prozent hilfreich.
Sie werben für das bundeseinheitliche, bereits 2011 eingeführte Kennzeichnungssystem „Reisen für alle“. Es informiert Menschen mit Geh-, Hör- oder Sehbehinderung, Blinde oder Rollstuhlfahrer darüber, ob das Museum oder Restaurant ganz oder teilweise barrierefrei ist. Bundesweit machen bislang 3000 mit, 40 Prozent davon seien Gastgeber.
Inklusion fördern und Urlaubsregion stärken
Die neue Geschäftsführerin des Tourismusverbands für den Landkreis Stade, Ines Utecht, will mit der Hilfe der Zertifizierung auch die Inklusion in der Urlaubsregion vorantreiben. Es geht ihr um mehr Teilhabe - auch beim Reisen.
Gleichwohl sieht sie in mehr Barrierefreiheit natürlich auch einen Markt. Rund 860 Millionen Reisen von behinderten und älteren Menschen gebe es EU-weit. Seit Jahren werden mehr Rollatoren als Kinderfahrräder verkauft.
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Menschen mit Behinderungen würden weitgehend saisonunabhängig reisen, ergänzt Utecht. Weitere Vorteile: Sie reisen teils in Begleitung, bevorzugen Urlaub in Deutschland und bleiben länger. Utecht verweist auf den demografischen Wandel und ist überzeugt: „Die Nachfrage nach barrierefreien Urlaubsangeboten wird kontinuierlich steigen.“
In der Region sind bislang das Buxtehude Museum, der Schwedenspeicher in Stade, aber auch die Tourist-Info Kehdingen in Drochtersen und in Wischhafen, das Zentrum für Tiergestützte Therapie & Pädagogik „Helfende Hände“ in Ohrensen und der Schützenhof Ahlerstedt mit von der Partie.
Altländer Obsthof lassen sich zertifizieren
Beim Gastgebertag im April warb Utecht für Zertifizierung und Qualitätsoffensive. „Mit Siegeln können touristische Betriebe punkten und ihre Qualität und Besonderheiten den Gästen präsentieren“, sagt die Touristikerin.
Der Obsthof Matthies in Jork-Borstel ist der Vorreiter im Alten Land. Auch der Familienbetrieb hat sich bewusst für das Siegel „Reisen für Alle“ entschieden. Das bundesweit bekannte Siegel vermarktet der Tourismusverband Landkreis Stade gemeinsam mit der TourismusMarketing Niedersachsen. Damit gibt es jetzt sieben barrierefreie und -arme Betriebe. Es sollen deutlich mehr werden.
Barrierefreiheit bereits beim Bau im Blick gehabt
Bereits beim Bau von Hofladen und Café sei ihnen die Barrierefreiheit sehr wichtig gewesen - von breiten Türen bis zur Ebenerdigkeit. Auch die Fahrt in der Großkiste durch die Plantagen mit dem Obsthof-Express sei für Rollstuhl- oder Rollatorfahrer möglich. „Wir haben die Voraussetzung schon vor der Zertifizierung erfüllt“, sagt Carola Matthies nicht ohne Stolz.
Viele Gäste kommen mit dem Bus ins Alte Land, für die Reiseanbieter und die Ausflügler ist das Barrierefreiheit-Angebot eine Grundvoraussetzung für den Besuch. „Unsere Gäste sind vorwiegend im Alterssegment 50 bis 70plus Jahre“, sagt Carola Matthies. „Bei uns ist alles ebenerdig, es gibt viel Platz, so dass die Gäste mit Rollator oder Rollstuhl keine Einschränkungen haben“, sagt Matthies. Aber auch Mütter und Väter mit Kinderwagen profitierten.
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Auch sieben ihrer zwölf Ferienwohnungen entsprechen den Kriterien der Zertifizierung. Auch hier setzten sie früh auf Qualität - mit einer Fünf-Sterne-Zertifizierung. Das zahle sich aus. Die Auslastung liege bei 80 Prozent. „Wir wollen all’ unseren Gästen ein möglichst vollwertiges Urlaubs- und Ausflugserlebnis bieten, mit und ohne Behinderung“, betont die Altländerin.

So sehen die Kennzeichnungssysteme „Reisen für Alle“ aus. Foto: Reisen für alle
Gleichwohl müssen die Betriebe auch nicht zu 100 Prozent barrierefrei sein, so Utecht. So hat Matthies keine Kuchenkarte mit Blindenschrift, „denn wir haben ein saisonales, täglich wechselndes Angebot, die Mitarbeiter informieren mündlich an der Küchentheke oder am Tisch“. Siegel tragen laut Matthies und Utecht zur guten Auslastung bei, auch die Zahl der Stammgäste steige. Matthies: „Es lohnt sich.“
Aufruf zur Zertifizierung
Nicht nur Ferienwohnungsanbieter, auch Einzelhändler, Kultureinrichtungen und Gastronomie könnten vom niedrigschwelligen Siegel „Reisen für Alle“ profitieren, fehlende Behindertenfahrstühle oder -toiletten - hier reicht eine in der Nähe - sind kein Ausschlusskriterium.
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Die Zertifizierung mit Beratung und Prüfung kostet den Betrieb 50 Euro. Die Betriebe werden in Portalen von ADAC sowie www.reisen-fuer-alle.de und www.nds.tourismusnetzwerk.info aufgeführt. Kontakt und Info beim Tourismusverband in Grünendeich unter 04142/ 88976-0.