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„Werden ab morgen hier nicht mehr vor Ort sein“: Aktive Suche nach Arian wird eingestellt

Heiner van der Werp, Polizeipressesprecher der Polizei Rotenburg gibt ein Interview.

Heiner van der Werp, Polizeipressesprecher der Polizei Rotenburg gibt ein Interview. Gut eine Woche nach dem Verschwinden des sechs Jahre alten Arian aus Bremervörde im Norden Niedersachsens stellen die Ermittler die aktive Suche ab morgen ein Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Seit einer Woche suchen Feuerwehr, Polizei und Spezialkräfte unermüdlich nach dem vermissten Arian aus Bremervörde. Am Dienstag wird die aktive Suche nach dem Sechsjährigen eingestellt.

Montag, 29.04.2024, 15:00 Uhr

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Kreis Rotenburg/Landkreis. (Update um 18.06 Uhr)

Gut eine Woche nach dem Verschwinden des sechs Jahre alten Arian aus Bremervörde stellen die Ermittler die aktive Suche ab Dienstag ein. „Wir werden ab morgen hier nicht mehr vor Ort sein“, sagte ein Sprecher der Polizei am Montagabend.

Eine Ermittlungsgruppe werde aber weiter an dem Fall dranbleiben. Seit dem 22. April hatten Hunderte Einsatzkräfte und Freiwillige nach dem autistischen Jungen gesucht. Der Sechsjährige hatte sein Elternhaus am Montagabend unbemerkt verlassen.

Eine Überwachungskamera zeichnete auf, wie der Junge nach seinem Verschwinden in einen benachbarten Wald lief. Der Vater des Jungen meldete sein Verschwinden in den Abendstunden.

Einen solchen Großeinsatz hat es in der Region noch nicht gegeben. Eine Zwischenbilanz, die die Polizei Rotenburg gemeinsam mit der Polizeidirektion Lüneburg am Montag herausgegeben hat, verdeutlicht Dimensionen und Aufwand der Suchmaßnahmen.

Ein Großeinsatz, der seinesgleichen sucht

Feuerwehr, Bundeswehr, Technisches Hilfswerk (THW), Deutsche Lebensrettungsgemeinschaft (DLRG) und Polizei suchten eine Fläche von 1450 Hektar ab – das entspreche der Fläche von 2071 Fußballfeldern, zu Land, zu Wasser und aus der Luft. Rund 800 Personen waren den Angaben nach täglich im Suchgebiet im Einsatz, unter ihnen viele polizeiliche Spezialkräfte mit Hunden, Pferden, Helikoptern, Drohnen, Booten und Tauchequipment.

Die Feuerwehr Steinhude startet mit ihrem Hovercraft in Brobergen.

Die Feuerwehr Steinhude startet mit ihrem Hovercraft in Brobergen. Foto: Hillyer-Funke/Feuerwehr

„Durch externe Organisationen und zivile Hilfskräfte wurden die polizeilichen Maßnahmen neben einer großen Menge an Suchkräften unter anderem mit einem Tornado-Flieger, SAR-Helikoptern und Hovercraft-Fahrzeugen der Feuerwehr, einem Amphibienfahrzeug, Drohnen, Nachtsichtgeräten und vielem mehr unterstützt“, teilten Heiner van der Werp und Julia Graefe von der Polizei Rotenburg mit.

Einsatzkräfte suchten durchgehend 160 Stunden nach Arian

Auch Privatfirmen unterstützen die Suche, beispielsweise durch das Aufstellen von sogenannten „Skybeamern“ (Lichtinstallationen), um Arian aus einem möglichen Versteck zu locken. Auch eine „Fachberatung Autismus“ wurde in die Suche eingebunden.

„Nach über 160 Stunden durchgehender Suche wurden alle Auffälligkeiten im Gelände und unter der Erdoberfläche, auf dem Wasser sowie sämtliche Hinweise aus der Bevölkerung durch die eingesetzten Kräfte aufgenommen und abgearbeitet“, so die Polizei.

Neue Fußspuren entdeckt: Hunde konnten keine Fährte zu Arian aufnehmen

Auch nach der bisher größten Suchaktion am Wochenende, auf der so viele Hoffnungen ruhten, konnte Arian bisher nicht gefunden werden.

Die Ermittler fanden nach eigenen Angaben zwar Fußspuren. Aber ob sie tatsächlich von Arian stammen, blieb bislang unklar. Hunde konnten keine Fährte zu ihm aufnehmen, auch Taucher und Drohnen spürten den Sechsjährigen nicht auf.

Mehr als 2000 Einsatzkräfte verschiedener Organisationen beteiligten sich am Wochenende bei der Suche in Bremervörde-Elm und im Umland.

Ermittler geben nicht auf

„Wir betreiben hier extrem viel Aufwand“, sagte der Polizeisprecher. Die Ermittler geben die Hoffnung nicht auf, den Jungen zu finden. In der Nacht auf Montag wurden noch einmal alle Erkenntnisse überprüft und die Suchaktionen der vergangenen Tage reflektiert, sagte der Sprecher der Polizei. Wie viele Menschen waren im Einsatz?

Wie oft wurde die Region schon durchsucht? Wie oft wurden die Einwohner angesprochen? „Und wir sagen trotzdem immer noch: Leute, geht noch mal auf euer Grundstück, geht noch mal herum, guckt noch mal in euren Schuppen, guckt noch mal ins Carport.“

Ziel der Maßnahmen sei und bleibe das Auffinden von Arian, heißt es von der Polizei am Montagnachmittag. Doch der Optimismus schwinde langsam, räumte der Sprecher ein. „Irgendwann setzt, glaube ich, bei vielen so ein Stück weit Realismus ein“, sagte der Sprecher. „Und da darf man auch die Augen nicht verschließen.“

Polizei bittet Bevölkerung weiterhin um Hinweise zu verschwundenem Arian

Die Suche nach Arian dauert also weiter an. Allerdings gehen die Einsatzkräfte nun anders vor: „Die groß angelegten Flächensuchmaßnahmen“ werden sukzessive zurückgefahren und in „anlassbezogene Suchmaßnahmen“ überführt. Heißt: Statt weiter in der Fläche zu suchen, möchten die Einsatzkräfte punktuell vorgehen und gezielt Hinweisen nachgehen.

Die Polizei bittet die Bevölkerung weiterhin um Hinweise zu Arian und seinem möglichen Aufenthaltsort und nimmt diese über das eingerichtete Hinweistelefon entgegen: 0 47 61/74 89-135

Polizei richtet Ermittlungsgruppe „EG Arian“ ein

Außerdem hat die Polizei inzwischen eine Ermittlungsgruppe „EG Arian“ eingerichtet. „Von hier aus wird die Arbeit in dem Vermisstenfall ab sofort koordiniert und weitergeführt“, so die Polizei.

Die Familie von Arian werde auch in der kommenden Zeit engmaschig durch die Notfallseelsorge, Polizei und Angehörige betreut und vorab über alle Ermittlungsschritte und Maßnahmen informiert.

Die Ermittlungsgruppe werde mit spezieller fachlicher Expertise in Vermisstenfällen aus der Polizeidirektion Lüneburg unterstützt.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Weil bedankt sich bei Einsatzkräften und Helfern

Inspektionsleiter und Polizeiführer Jörg Wesemann dankte Helfern und der Bevölkerung. „Für die Suche nach Arian sind alle Helferinnen und Helfer Tag und Nacht an die Belastungsgrenze gegangen. Ein herzlicher Dank gilt darüber hinaus der Bevölkerung für die überwältigende Anteilnahme und die zahlreichen Unterstützungsangebote.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Foto: Michael Kappeler/dpa/Archivbild

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bedankte sich bei den Einsatzkräften. „Dies ist auch für sie ein schwieriger Einsatz – dessen bin ich mir bewusst“, teilte der SPD-Politiker am Montag mit. Die Suchaktion sei ein eindrucksvolles Beispiel für Mitgefühl und Zusammenhalt.

Ich hoffe wirklich sehr, dass Arian jetzt schnell und hoffentlich lebend gefunden wird

Stephan Weil (SPD), Niedersächsischer Ministerpräsident

„Es geht mir wohl so wie vielen Menschen, ich hoffe wirklich sehr, dass Arian jetzt schnell und hoffentlich lebend gefunden wird“, betonte Weil. „Mein Mitgefühl gilt besonders Arians Eltern, die sich in einer unerträglichen Situation zwischen Bangen und Hoffen befinden.“ (pm/dpa/vdb)

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