TAufstand gegen „Asphaltschneise“ durch Steinkirchen und Grünendeich

Die Arbeitsgemeinschaft Steinkirchen (ABS) lehnt die Planungen des Landes Niedersachsen zur Erneuerung der L140 ab. Foto: Vasel
Das Land will die Ortsdurchfahrt Steinkirchen-Grünendeich sanieren und sicherer machen. Doch die Anwohner fürchten um Ortsbild, Verkehrssicherheit und Einzelhandel. Aber warum?
Altes Land. Mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger waren dem Aufruf der Arbeitsgemeinschaft Bürgerei Steinkirchen gefolgt. Der Saal des Dorfgemeinschaftshauses Zur Schönen Fernsicht war gut gefüllt. Im Vorfeld hatte die Arbeitsgemeinschaft eine Online-Petition gestartet und Unterschriftenlisten ausgelegt. Sprecher Heino Eckerich sprach am Mittwochabend von einer „deutlichen Bestätigung der Arbeitsgruppe“. Bis Ende Mai läuft die Petition.
Mittlerweile hätten 1890 Bürger aus Steinkirchen und Grünendeich, aber auch aus Neuenkirchen, Hollern-Twielenfleth, Guderhandviertel und Mittelnkirchen, sich gegen einen „maßlosen Ausbau der Ortsdurchfahrt“ ausgesprochen. Das seien 18,1 Prozent der Wahlberechtigten in der Samtgemeinde Lühe - bezogen auf die Kommunalwahl 2021. In Steinkirchen hätten bereits 531 Bürger (37,1 Prozent) und in Grünendeich 483 Bürger (30,9 Prozent) ihre Unterstützung bekundet - Tendenz steigend.
Geschäftsleute fürchten um Umsatz und Existenzen
Die Altländer forderten die Räte von Grünendeich und Steinkirchen sowie die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr auf, den Willen der Bürger zu respektieren. Die Geschäftsleute nutzten das Forum. Ingo Schult (Schult Immobilien) und Birgit Reyer von der Hirsch-Apotheke sorgen sich um den Handel. Schult fürchtet, dass zu viele Parkbuchten an der L140, insbesondere in der Bürgerei, dem geplanten Ausbau der Straße zum Opfer fallen werden. Schult: „Für uns Geschäftsleute ist das eine Horrorvision.“

Blick in die Bürgerei in Steinkirchen. Foto: Vasel
Der örtliche Einzelhandel befürchte Umsatzeinbußen und Geschäftsaufgaben. „Wer möchte in Steinkirchen ein weiteres Geschäft eröffnen, wenn die Kunden ihr Auto im Nachbarort abstellen müssen?“, fragte Schult rhetorisch. Die vorgelegte Planung ähnele einer Bundesstraße.
Die 14,20 Meter breite Trasse mit Fahrbahn plus Gehweg und Radfahrer-Schutzstreifen zu beiden Seiten würde die Orte teilen. Schult warnte davor, „eine Schneise“ durch das Dorf zu schlagen. Die Geschäftswelt befürchte einen Kaufkraftabfluss. Verbraucher würden lieber nach Horneburg oder Jork fahren. Und auch der Tourismus werde leiden.
Straßensanierung
T Jetzt doch enteignen? Steinkirchener kritisieren L140-Pläne
Das historische gewachsene Ortsbild werde seinen Charme verlieren, sollte die „Asphaltschneise“ realisiert werden, legte Apothekerin Reyer nach. Sie verwies auf schmucke Fachwerkhäuser und Vorgärten. 6000 Quadratmeter würden auf der 2300 Meter langen Strecke von der Bürgerei bis zur Tankstelle Wahlen zusätzlich versiegelt. Das sei mit Blick auf den Klimawandel nicht mehr zeitgemäß.
Bis zu 70 Bäume müssten weichen, so die Initiative. Dabei hätten sie im Sommer eine kühlende Wirkung. Die Drohung des Landes Niedersachsen, Enteignungen nicht mehr auszuschließen, wurde heftig kritisiert. Damit nicht genug: Bereits durch die im Raum stehende dreijährige Bauzeit drohten Umsatzeinbußen. Schult mahnte unter Applaus „eine einvernehmliche Lösung“ an. Steinkirchen und Grünendeich müssten „lebens- und liebenswert“ bleiben.
Schutzstreifen bringen laut ABS keine Sicherheit
Für Schult sei die „übermäßig breite“ Trasse eine „Böswilligkeit“. Nahe der Hogendiekbrücke werde die L140 mit Gehwegen fast 17 Meter breit - plus Parkbucht. Dort ist auch eine Querungshilfe für Fußgänger geplant. Zudem werde Halten und Parken auf den Schutzstreifen verboten, das werde die Parkplatznot verschärfen, so Dr. Frank Schlichting. Breite Straßen würden zum Rasen verleiten. Hinzu komme: Der Streifen werde in Teilbereichen unterbrochen, das sei eine zusätzliche Gefährdung für Radfahrer. Diese müssen, Kinder ausgenommen, bereits auf der Straße fahren.

Schmucke, teils denkmalgeschützte Altländer Fachwerkhäuser prägen die L140. Foto: Vasel
Die vom Land als notwendig erachteten beidseitigen Schutzstreifen, so Heiner von Ahnen, seien „zu unsicher“. Ohnehin wären diese nicht mehr notwendig. Schlichting verwies auf das Verkehrsaufkommen. Das sei um 300 auf 3000 Fahrzeuge am Tag gesunken. Er appellierte an die Behörde, eine kleine Lösung in Erwägung zu ziehen: Sanierung der maroden Fahrbahn und der kaputten Gehwege - verbunden mit zeitgleicher Sanierung des Kanals durch den Abwasserzweckverband (AZV). Die Initiative verwies auf die Sanierung der L216 in Gödenstorf im Landkreis Harburg, der Straßenquerschnitt (Fahrbahn plus Gehweg) betrage dort weniger als zehn Meter.
Letztlich, so Heino Eckerich, würde ihr Vorschlag auch die Steuerzahler entlasten. 2024 war von Kosten in Höhe von bis zu sechs Millionen Euro die Rede. „Wir wollen keine Revolutionsgruppe sein“, betonte von Ahnen. Doch die „Horrorversion einer Straße“ dürfe nicht kommen.
Der Vorsitzende des Bauausschusses von Steinkirchen, Hauke Eckhoff (CDU), betonte, dass die Politik noch kein abschließendes Votum gefällt habe. Das Land arbeite an Visualisierungen. Vorher falle keine Entscheidung. Eckhoff will alle an einen Tisch bringen. Die Planung sei nicht in Stein gemeißelt, es handele sich um Entwürfe. Er persönlich wolle, „dass der Ortscharakter so bleibt wie er ist“. Die Straßenbauer werden frühestens in den Jahren zwischen 2027 und 2029 loslegen, schätzte Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke (Lühe) bei der Verbandsversammlung des AZV.
Einige Ratsmitglieder sehen vor allem in den 1,50 Meter breiten Schutzstreifen eine Verbesserung der Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer, Verkehrsinseln als Querungshilfe verbesserten die Sicherheit der Fußgänger.
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