TBrisanter Besuch: Was Cem Özdemir bei den Obstbautagen erwartet

08.11.2023, Berlin: Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, steht mit einem Korb Äpfeln mit den Apfelköniginnen beim «Apfelkabinett» vor der eigentlichen Kabinettssitzung zusammen. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Daniel Vogl/dpa
Die Polit-Prominenz kommt dieser Tage ins Alte Land: Die Bauern haben konkrete Forderung an den Grünen-Landwirtschaftsminister und betonen: „Wir lassen uns nicht vertrösten.“
Jork. „Wir freuen uns, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Festrede in der Festhalle hält“, sagt Claus Schliecker, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau im Landvolk Niedersachsen. Die Obstbauern setzen große Hoffnungen auf den Minister, der am Donnerstag, 15. Februar, bei den Norddeutschen Obstbautagen in Jork reden wird.
Die rund 500 Obstbau-Familienbetriebe hoffen unter anderem, dass sich der Grünen-Politiker in Berlin für eine Risikoausgleichsrücklage einsetzt. Die Idee: In guten Jahren können Bauern einen Teil der Gewinne steuerfrei parken, um nach Ernterückgängen durch Klimawandelfolgen wie Starkregen, Dürre oder Hagel, aber auch nach Alternanz oder nach miesen Erzeugerpreisen schlechte Jahre besser überstehen zu können.
Schliecker setzt auf Dialog mit Brüssel, Berlin und Hannover und hofft, dass die jüngsten Proteste jetzt Früchte tragen. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte ist an diesem Mittwoch zu Gast.
Cem Özdemir kommt zu den Obstbautagen nach Jork
Hauptveranstalter ist der Obstbauversuchsring des Alten Landes, ein Beratungsverein. Das Landvolk Niedersachsen ist ebenfalls an der Organisation der Messe beteiligt.
„Wir fordern konkrete Maßnahmen und lassen uns nicht vertrösten“, sagt Schliecker, der ein Umdenken in der Politik wahrgenommen hat. Schließlich habe Özdemir bereits festgestellt, dass Landwirte in Generationen, Politiker aber nur in Legislaturperioden denken. „Das sind doch schon richtige Ansätze“, hebt er hervor. Entscheidend sei nun, was sich die Politik für die Obstbauern einfallen lässt und wie diese in der Praxis damit umgehen können.
Mit Blick auf die Bauernproteste gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung sprach sich Schliecker für Mäßigung aus. „Gülle und Misthaufen gehören nicht auf Marktplätze, sondern auf das Feld.“
Mit der Tarifglättung, steuerfreien Risikorücklagen und einem Abbau der Bürokratie seien interessante Dinge auf die Agenda zurückgekommen. „Sie müssen nun aber konkret mit Leben gefüllt werden“, fordert Schliecker. Der Obstbau habe 2023 ein gutes Jahr gehabt, davor hätten zwei schlechte Jahre die Bauern zum Teil in extreme Zahlungsschwierigkeiten gebracht. „2022 sind viele Äpfel am Baum geblieben, weil es aufgrund der zu erwarteten Preise betriebswirtschaftlich richtig war, sie dort hängen zu lassen“, erinnert er sich.
Auch der Mindestlohn sei daher für Obstbauern, die auf eine schonende Ernte per Hand angewiesen seien, immer ein Thema. Zudem könnte sich Schliecker im Bereich der Mehrgefahrenversicherung eine Unterstützung des heimischen Obstanbaus vorstellen. „Im Ausland werden diese Risikoabsicherungen zum Teil mit 60 bis 70 Prozent gefördert, das bedeutet eine massive Wettbewerbsverzerrung für uns“, verdeutlicht er. Vor allem, wenn beim Einkäufer des Lebensmitteleinzelhandels nur der Preis zähle und weniger die Herkunft. „Das sind Dinge, die wir einfordern werden“, hat Schliecker sich vorgenommen.

Elisabeth Rathjens-Wahlen und der Land- und Baumaschinenmechatroniker-Azubi Robin Helmcke bringen ihren „Antonio Carrera“ auf Hochglanz für die Obstbaumesse in Jork. Foto: Vasel
Verband: Verbraucher sparen bei frischem Obst und Gemüse
Verbraucher sparen angesichts gestiegener Lebenskosten dem Deutschen Fruchthandelsverband zufolge zunehmend bei den Ausgaben für frisches Obst und Gemüse. „Der Verbrauch privater Haushalte hat in den vergangenen Monaten nachgegeben“, sagte Verbands-Geschäftsführer Andreas Brügger der Deutschen Presse-Agentur. „Die Leute haben weniger Geld im Portemonnaie - und dann sparen sie beim Essen - und geben lieber Geld für anderes aus als für Frisches.“
Im EU-Vergleich lägen die Deutschen beim Konsum von frischem Obst und Gemüse deutlich unter dem Durchschnitt. Von der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, täglich 400 Gramm Obst und Gemüse zu verzehren, seien die Deutschen mit durchschnittlich 287 Gramm weit entfernt.
Zur Marktentwicklung sagt der stellvertretende Leiter des Obstbauzentrums in Jork, Matthias Görgens, es gebe einen Trend zur Birne. Es sei zu beobachten, dass der Handel mehr und mehr Birnen nachfrage. Zudem führe der Klimawandel dazu, dass Birnen im Alten Land besser wachsen. Sie seien wärmeliebender als Äpfel.
Überlegungen zu einem Verpackungsverbot für frisches Obst und Gemüse hält Brügger für falsch. Für eine angemessene Darbietung der Waren, für mehr Haltbarkeit und entsprechend weniger Lebensmittelverschwendung seien Verpackungen zwingend notwendig. Von der Gesamtmasse an Verpackungen im Lebensmittelbereich machten jene für frisches Obst und Gemüse zudem nur wenig aus.
Obstbau-Fachmesse im Alten Land beginnt: Preise und Öffnungszeiten
Mehr als 160 Aussteller aus dem In- und Ausland sind heute und morgen bei der Fachmesse vertreten. Diese ist am ersten Tag von 9 bis 18 Uhr und am zweiten Tag von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 15 Euro, Jugendliche zahlen 5 Euro. Das Zwei-Tage-Ticket kostet 25 Euro (ermäßigt: 10 Euro). Es gibt einen kostenlosen Shuttle vom Elbe-Obst-Parkplatz in Westerjork 38 zur Messe auf dem Festplatz.

Äpfel und Solarstrom ernten: Auch Agri-Photovoltaik ist Thema der Ausstellung der Norddeutschen Obstbautage auf dem Festplatz in Jork. Foto: Vasel
Bis in den späten Abend hinein bauten Aussteller am Dienstag auf. Elisabeth Rathjens-Wahlen und der Land- und Baumaschinenmechatroniker-Azubi Robin Helmcke brachten ihren „Antonio Carrera“ auf Hochglanz. Der Schlepper kann mit Hilfe von Sensoren autonom durch Apfelplantagen fahren. Angesichts des Fachkräftemangels schreiten Mechanisierung und Digitalisierung voran, im Trend liegen Hightech-Pflanzenschutzgeräte, aber auch Maschinen für Schnitt oder Entlauber, um Ausfärbung und Fruchtgrößen zu optimieren.