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Steinkirchen

TCybermobbing und AfD-TikToks: Hasnain Kazim im Gespräch mit Schülern

Im Gespräch mit den Schülern bringt der Autor eigene Erfahrungen mit Hass, Hetze und Rassismus ein.

Im Gespräch mit den Schülern bringt der Autor eigene Erfahrungen mit Hass, Hetze und Rassismus ein. Foto: Buchmann

Er ist deutschlandweit bekannt, nun sprach Hasnain Kazim mit Schülern in seiner Heimat über Ausgrenzung und Mobbing. Mit Letzterem hatte die Oberschule Steinkirchen vor kurzem ein Thema.

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Von Steffen Buchmann
Dienstag, 24.09.2024, 16:40 Uhr

Steinkirchen. Hasnain Kazim ist bei seinen Lesungen Polizeischutz gewohnt. Immer wieder erhält er Drohungen von Rechtsextremisten oder Radikalen, die mit seinen Texten und Botschaften nicht einverstanden sind. In der Aula im Schulzentrum Steinkirchen sitzen heute jedoch keine Beamten im Publikum, sondern mehr als 100 Schüler.

Der Besuch im Alten Land ist ein besonderer für Hasnain Kazim. „Ich bin in Hollern-Twielenfleth aufgewachsen“, sagt der Buchautor und Journalist. Die Region sei daher für ihn schon wie eine Heimat, seine Eltern leben immer noch hier. In zwei Lesungen mit den jüngeren und älteren Schülern spricht Kazim aktuelle Probleme wie Hass und Hetze an.

Schülern mobben sich per Whatsapp

Digitales Mobbing ist ein Problem, das die Oberschule Steinkirchen gut kennt. „Wir hatten im vergangenen Jahr ein Problem mit Beleidigungen über Whatsapp unter den Schülern“, sagt Schulleiter Thomas Hoffschröer.

Ein Elternbrief sowie das Ansprechen von betroffenen Schülern half wenig. Die Schule hat Whatsapp inzwischen als Kommunikationskanal abgeschafft, gemeinsam mit der Polizei organisierte sie für die Schüler Workshops zum Umgang mit Cybermobbing.

Etwa 110 Schülerinnen und Schüler lauschten Kazims Worten in der Schulaula.

Etwa 110 Schülerinnen und Schüler lauschten Kazims Worten in der Schulaula. Foto: Buchmann

Hasnain Kazim, Sohn indisch-pakistanischer Eltern, hatte sein Lebtag lang mit Rassismus und Vorurteilen zu kämpfen. „An Weihnachten war ich immer der Dunkle bei den Heiligen Drei Königen“, erzählt er den Schülern in der Aula. Mit Sorge beobachte er, dass immer mehr Stimmung aus verschiedenen Lagern gegen Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion gemacht werde. „Du wirst dann als Feind gesehen“, sagt Kazim.

Wir müssen über Worte nachdenken und wie wir miteinander reden.

Hasnain Kazim, Autor und Journalist

Dieses radikale Feindbild spiegele sich auch in der Sprache wider. „Mir schreiben Menschen in E-Mails, dass ich am Galgen aufgeknüpft oder abgeschoben gehöre“, sagt Hasnain Kazim. Diese Verrohung der Sprache unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit sei „völliger Wahnsinn“, auch unter Schülern und jungen Menschen.

Bei einer Schullesung habe er das schon mal direkt vor Ort erlebt. „Da war eine Jungengruppe, die einen anderen Jungen mit ‚Ey, du bist voll schwul‘ beleidigt hat“, erinnert sich Kazim. Es sei absolut unverständlich, wieso jemand wegen seiner Sexualität angefeindet werde. Zumal Homosexualität in Deutschland bis 1994 unter Strafe stand. Daher möchte er Menschen für den Umgang mit Sprache sensibilisieren. „Wir müssen über Worte nachdenken und wie wir miteinander reden“, sagt der Autor.

Ein offenes Ohr für die Sorgen der Schüler

Hasnain Kazim teilt seine vielfältigen Lebenserfahrungen mit den Schülern: Geschichten aus seiner Zeit als Kriegsberichterstatter in Afghanistan, kleine Anekdoten aus dem Alten Land und Auszüge aus seinem Buch „Post von Karlheinz“. Doch er bietet den Steinkirchener Schülern auch Raum für ihre Probleme und Fragen.

Als Kazim in die Runde fragt, wer hier schon mal ähnliche Erfahrungen gemacht hat, meldet sich nach einiger Zeit ein Junge. Er sei halber Türke, spreche jedoch kein Türkisch. „Andere Türken sagen mir, dass ich deswegen kein richtiger Türke bin“, sagt der Schüler. Kazim hört dem Jungen geduldig zu. Das sei ganz klar eine Form der Ausgrenzung, bestätigt er dem Schüler.

Nach der Lesung nahm sich Kazim Zeit für kurze Gespräche und Selfies mit den Schülern.

Nach der Lesung nahm sich Kazim Zeit für kurze Gespräche und Selfies mit den Schülern. Foto: Buchmann

Das Eis ist gebrochen, weitere Schüler melden sich nun zu Wort. Sie reden darüber, wie es sich anfühlt, als jemand aus der Ukraine pauschal als faul abgestempelt oder aufgrund seines christlichen Glaubens in einem islamischen Land verfolgt zu werden. „Es war schon immer so: Wer anders ist, bekommt extrem viele Beschimpfungen ab“, resümiert Hasnain Kazim.

Extremisten nutzen soziale Medien für ihre Zwecke

Auch die sozialen Medien tragen zum Problem bei. „Tiktok ist ein komischer Ort“, sagt Kazim. Dort sei einerseits Platz für lustige Hundevideos, jedoch auch für hasserfüllte und manipulative Videobotschaften. Insbesondere Rechtsextremisten und Islamisten hätten die Plattform inzwischen für ihre Propaganda instrumentalisiert. So zeige sich etwa in KI-generierten Tiktok-Clips mit ausschließlich blonden, blauäugigen und hellhäutigen Menschen von AfD-Sympathisanten subtil, was für eine Gesellschaft sich die Partei wünsche, sagt Kazim.

Am Abend liest der Autor noch mal in der Aula, dieses Mal jedoch für Erwachsene aus seinem neuen Buch „Deutschlandtour“. In seinem politischen Reisebericht bringt er seine Erfahrungen mit ernsthaften sowie humoristischen Gedanken zusammen. Humor sei wichtig für ihn im Umgang mit Themen wie Hass, sagt Kazim. „Anders wäre es gar nicht auszuhalten.“

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