TDiscounter an der Oberen Lühe: Netto will nach Mittelnkirchen
Blick auf die Netto-Marken-Discount-Werbetafel in Horneburg. Foto: Vasel
Netto hat ein Auge auf das Alte Land geworfen. Verkehrsgünstig an der L140 gelegen, könnte in Mittelnkirchen ein Discounter entstehen. Doch es gibt ein Problem.
Mittelnkirchen. In der Diskussion ist nach TAGEBLATT-Informationen ein Standort in Mittelnkirchen-Hohenfelde. Hinter den Kulissen gab es Gespräche zwischen Politik, Verwaltung und Eigentümern. Die Edeka-Tochter Netto selbst hält sich bedeckt. Die Expansionsabteilung hat deutlich gemacht, dass für den Discounter nur ein großflächiger Markt infrage kommt, heißt es. Öffentlich bestätigt Netto das Interesse nicht.
Bürgermeister: „Der Bedarf ist da“
Der Bürgermeister der Gemeinde Mittelnkirchen, Joachim Streckwaldt (CDU), und Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke machen sich für eine Ansiedlung an der Oberen Lühe stark. Er wünscht sich Wohnungen für Senioren, Singles oder junge Familien auf dem Dach. Unterstützt werden sie von den Bürgermeistern Marco Hartlef (CDU) aus Guderhandviertel und Gerd Grundwald (Grüne) aus Neuenkirchen.

Edeka Somfleth in Mittelnkirchen ist seit 2023 dicht. Foto: Vasel
„Wir haben einen Bedarf“, sagt Streckwaldt. Nach mehr als 100 Jahren war im Januar 2023 der kleine Kaufmannsladen in der Dorfstraße im Schatten des Kirchturms von St. Bartholomäus geschlossen worden. Edeka-Kaufmann Heino Somfleth hatte aus Alters- und Gesundheitsgründen aufgehört.
Nahversorger fehlt an der Oberen Lühe
In ihrem Einzelhandelskonzept für die Samtgemeinde Lühe hatte die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) im Jahr 2023 belegt, dass an der Oberen Lühe ein Nahversorger fehlt. GMA-Handelsexperte Florian Komossa hatte für die Orte Neuenkirchen, Mittelnkirchen und Guderhandviertel „eine Unterversorgung“ festgestellt.
24-Stunden-Reportage
T Seit 40 Jahren: Mit dem rollenden Kaufmann unterwegs durchs Alte Land
In Mittelnkirchen sah Komossa bereits vor zwei Jahren im Bereich Hohenfelde und Ort zwei Potenzialflächen - für einen Drogeriemarkt nahe der Lühe-Brücke zwischen Mittelnkirchen und Steinkirchen und/oder einen Discounter.
Kaufkraft beträgt mehr als 76 Millionen Euro
Seit der Schließung des Tante-Emma-Ladens haben die Mitbewerber von Rewe/Penny, Edeka/Netto und Kaufland/Lidl ein Auge auf die Obere Lühe geworfen. Streckwaldt würde es begrüßen, wenn Platzhirsch Rewe mit seinem Vollsortimenter in Steinkirchen und seinem Discounter Penny in Hollern einen Mitbewerber bekommen würde.
An der Oberen Lühe wohnen 3050 Menschen. Die mehr als 10.000 Einwohner der Samtgemeinde Lühe haben eine Kaufkraft von 76,3 Millionen Euro. 39,5 Millionen Euro geben sie für Lebensmittel und Drogeriewaren aus. Ihre Einkäufe tätigen sie nicht nur bei Rewe/Penny. Die Altländer an der Oberen Lühe lassen ihr Geld wegen der kürzeren Wege und des Angebots auch in Dollern, Horneburg oder Jork.
Edeka-Tochter Netto will einen großen Markt
Doch das Planungsrecht ist ein Problem. Einen Nahversorger mit einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern könnte Mittelnkirchen über einen Bebauungsplan sofort auf den Weg bringen. Doch Netto fordere eine Verkaufsfläche von 1050 Quadratmetern. Zum Vergleich: Rewe in Steinkirchen ist 1905 Quadratmeter groß.

Die Altländer wollen mehr Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel. Die Rewe/Penny-Gruppe hat zurzeit in der Samtgemeinde Lühe ein Monopol - hier der Markt in Steinkirchen. Foto: Vasel
Für einen großen Markt außerhalb des zentralen Siedlungsgebietes in Steinkirchen müsste der Landkreis Stade den Stempel „N“ auf die Karte des in Aufstellung befindlichen Regionalen Raumordnungsprogramms 2026 setzen. Damit wäre die erste Hürde überwunden. Doch die zweite ist zurzeit schwer überwindbar.
Aktuelles Planungsrecht ist eine hohe Hürde
Für einen großen Markt gelten weitere Auflagen. Mitbewerber dürfen nicht mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes verlieren (Beeinträchtigungsverbot). Das droht laut GMA nicht. Hinzu kommen das Konzentrations- und Integrationsgebot. Der Discounter müsste fußläufig erreichbar an einen Ortskern und Wohngebiete angebunden sein. Planer und Juristen sprechen von städtebaulich integrierten Lagen. 50 Prozent des Umsatzes müssen mit Kunden aus einem Umkreis von einem Kilometer erwirtschaftet werden können.
Doch Ortszentren gibt es in den Deich- und Straßenhufendörfern im Alten Land nur in Jork, Estebrügge und Steinkirchen. Deshalb war 2023 der Edeka in Sietwende gescheitert. Gerke hofft nun, dass Niedersachsen zeitnah das Planungsrecht ändert. Auch der Städte- und Gemeindebund fordert eine bedarfsgerechte Anpassung der Großflächigkeitsgrenze von 800 auf 1200 Quadratmeter.
„Wir müssen ehrlich sein: Heute fahren auf dem Land fast alle mit dem Auto zum Einkaufen, kleine Läden sind von den Konzernen nicht mehr gewollt. Verbraucher fordern ein breites Angebot“, so Streckwaldt. Das Land müsse die Eigenart des Alten Landes anerkennen.
Streckwaldt appelliert an Landkreis und Land, die Nahversorgung im ländlichen Raum zu sichern. Gerke: „Sollte es keine positive Perspektive geben, wird Netto von diesem Standort abrücken - eine weitere vertane Chance für die Samtgemeinde Lühe.“
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