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TEltern von Sternenkindern können bei Lisa Acke trauern

Lisa Acke hat selbst zwei Sternenkinder, von einem hat sie ein Bild anfertigen lassen.

Lisa Acke hat selbst zwei Sternenkinder, von einem hat sie ein Bild anfertigen lassen.

Verlieren Eltern ihr Kind während oder kurz nach der Schwangerschaft, brauchen sie Raum zum Trauern. Für sie ist Lisa Acke da. Sie begleitet Eltern von Sternenkindern und hat selbst ein Kind verloren.

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Von Alexandra Bisping
Donnerstag, 23.11.2023, 05:50 Uhr

Stade. Es ist wie ein Ritual: Jeder stellt sich vor und erzählt seine Geschichte. Beim ersten Treff schaffen es Sterneneltern mitunter gerade mal, ihren Namen zu sagen - dann brechen sie oft in Tränen aus. Doch Lisa Acke (33) rückt von der Vorstellungsrunde nicht ab. „Das Positive daran ist, dass es von Runde zu Runde besser wird.“ Bei jeder weiteren Vorstellung gelinge es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, mehr von sich zu erzählen. Seit sechs Jahren bietet Lisa Acke Sterneneltern Raum in einer Gruppe. Dort können sie trauern und versuchen, mit dem Verlust umzugehen. Im Moment sind es vier bis fünf Eltern, die sie in Jork bei ihrem monatlichen Sterneneltern-Treff begleitet. Für sie selbst gab es damals so etwas nicht.

Mutter zweier Kinder und zweier Sternenkinder

Sternenkinder, das sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind. Lisa Acke ist Mutter zweier Kinder und zweier Sternenkinder. „Also Vierfach-Mama“, sagt sie mit einem Lächeln. Damals, als sie ihr erstes Kind verlor, war sie sehr jung, erst 21. Das war noch in der Zeit, als eine Fehlgeburt eher „unter den Teppich gekehrt wurde“. Selbst ihr Frauenarzt ging ziemlich nüchtern mit ihrem Verlust um.

„Von ihm gab es keine Unterstützung“, sagt sie. „Und ich kannte mich damit selbst nicht aus.“ Die Außenwelt bedachte sie mit Sprüchen, die aufmuntern sollten. „Bist doch noch jung“, habe sie zu hören bekommen. Bei anderen Sternenkind-Eltern hieß es: „Ihr habt doch schon Kinder.“ Als ob das den Schmerz lindern würde. Mit solch wohlmeinenden Worten sollte man vorsichtiger umgehen, sagt Lisa Acke. „Das hilft in dem Moment wenig und ist sehr verletzend.“

Inzwischen habe sich das geändert. Sternenkinder rückten mehr in den Fokus. Lisa Acke rät davon ab, den Verlust zu verdrängen. „Dann begegnet man einer Schwangeren und alles holt einen wieder ein.“ Als sie nach zwei Sternenkindern zum dritten Mal schwanger wurde, sei ihre Angst in den ersten Wochen „riesengroß“ gewesen. Nach der zwölften Woche dachte sie: Diese Woche ist geschafft. Jetzt ist alles gut.

Wie Lisa Acke Schwangerschaften von Bekannten erlebt

Aber auch nach der zwölften Woche ist nicht immer alles gut, das weiß Lisa Acke mittlerweile. Dass es auch in der 36. Woche zu einer Fehlgeburt kommen kann, zu einem Knoten in der Nabelschnur, zum plötzlichen Kindstod. Sind Bekannte schwanger, halte sie sich mit der ganz großen Freude zurück. „Zum Selbstschutz“, sagt sie. Manche würden in der fünften Woche schon Kleidung kaufen. Diese Vorfreude wolle sie nicht beeinflussen, halte innerlich aber immer Abstand.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat zum Anteil der Totgeburten im Juli neue Zahlen veröffentlicht. Waren es im Jahr 2021 statistisch 4,3 Totgeburten auf 1000 Geburten in Deutschland, ist der Anteil im Jahr 2022 auf 4,4 gestiegen. Gleichzeitig sank die Zahl der Lebendgeburten um 7 Prozent. Insgesamt wurden also deutlich weniger Kinder geboren. Auch ist laut Destatis der Anteil nach einem Tiefstand von 3,5 Totgeburten je 1000 Geborenen im Jahr 2007 seit 2010 tendenziell gestiegen.

Unter anderem beim Sternenkinder-Treff von Lisa Acke in Jork finden Eltern Hilfe. Acke ist auch Sternenkinderfotografin.

Unter anderem beim Sternenkinder-Treff von Lisa Acke in Jork finden Eltern Hilfe. Acke ist auch Sternenkinderfotografin. Foto: Lisa Acke

Lisa Acke fotografiert ehrenamtlich Sternenkinder

Ihren eigenen Verlust hat Lisa Acke lange betrauert. Daran zu denken sei jetzt nicht mehr so schmerzhaft. „Man lernt, damit umzugehen“, sagt sie. Sie möchte etwas Positives aus dem Erlebten ziehen. „Wäre mir das nicht passiert, könnte ich anderen nicht helfen.“ Die in der Gruppe angebotene Begleitung macht sie ehrenamtlich. Hauptberuflich ist sie Fotografin. Beides fügt sie in einem weiteren Ehrenamt zusammen: der Fotografie von Sternenkindern.

Wenn Lisa Acke ein Sternenkind fotografieren soll, führt sie Baby und Eltern im Krankenhaus zusammen. Manchmal wird sie dabei von einer Hebamme unterstützt. „Am Anfang hatte ich Angst davor, was mich da erwartet“, sagt sie. Es sei aber immer sehr schön. Besonders dann, wenn Geschwisterkinder dabei wären. „Mit ihnen kommt eine gewisse Leichtigkeit hinein“, findet die Trauerbegleiterin. „Sie nehmen es anders auf, sind interessiert.“ Lisa Acke empfiehlt, Geschwisterkinder mit einzubeziehen - so werde das Geschehene für sie greifbar.

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Mamas und Papas trauern unterschiedlich

Um anschließend die Trauer verarbeiten zu können, treffen sich die Eltern mit Lisa Acke. Meist kämen Mamas oder Paare, einmal sei ein Papa alleine erschienen. „Väter trauern anders“, erzählt Lisa Acke. Während Mütter sehr viel reden würden, seien Väter meist verschlossen. „Sie verabeiten es mehr im Innern, reden vielleicht mal mit einem Kumpel darüber.“ Wenn beide Elternteile beim Gruppentreff dabei wären, sei das oft gut. „Die Frauen denken häufig, der Partner hätte mit seiner Trauer schon abgeschlossen, weil er nicht darüber redet. So lernen sich Paare noch mal anders kennen.“

Einmal im Jahr streut Lisa Acke Blumen, Vergissmeinicht. Dann denkt sie besonders innig an ihre Sternenkinder. Manche Eltern würden zur Erinnerung etwas pflanzen, sagt sie. Jetzt um die Weihnachtszeit herum sei es auch schön, einen Zweig aus dem Tannenbaum zu trennen und auf das Grab des Kindes zu legen. Im Baum bliebe eine Lücke zurück - eine Lücke für das fehlende Kind.

Ökumenische Trauerfeier und Trauerbegleitung

Ab 500 Gramm sind Sternenkinder bestattungspflichtig, sagt Lisa Acke. Sie werden in den Kliniken in Stade und Buxtehude aufbewahrt und eingeäschert. Eine ökumenische Trauerfeier mit der Urnenbeisetzung von Sternenkindern findet in Buxtehude am Sonnabend, 25. November, um 14 Uhr in der Auferstehungskapelle auf dem Friedhof Ferdinandstraße statt. Die Urnenbeisetzung erfolgt auf der Kindergrabstätte des Friedhofs an der Ferdinandstraße.

Die Sternenkinder-Andacht in Stade findet am Donnerstag, 30. November, 19 Uhr, am Sternenkinder-Grabfeld auf dem Friedhof Geestberg statt. Sollte das Wetter für einen Aufenthalt im Freien zu schlecht sein, wird die Andacht in die Friedhofskapelle verlegt.

Der Sterneneltern-Treff findet jeden dritten Freitag im Monat ab 19 Uhr in der Hebammenpraxis, Große Seite 10, in Jork-Borstel statt. Lisa Acke ist zu erreichen unter Telefon 0151/19155309, per Mail an kleine-sternchen@web.de, über Facebook: Sterneneltern-Treff Jork. Weitere Infos gibt es zusätzlich unter www.hebammenpraxisjork.de/sterneneltern. Lisa Acke bietet auch einzelne (nicht ehrenamtliche) Trauerbegleitung an.

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