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Handwerk

TEr führt das älteste Fleischerfachgeschäft Norddeutschlands aus der Krise

Friedrich und Andre Röhrs vor dem Familiengeschäft in der Ortmitte von Jork (von links).

Friedrich und Andre Röhrs vor dem Familiengeschäft in der Ortmitte von Jork (von links). Foto: Vasel

Das Fleischerfachgeschäft Röhrs in Jork hat sich neu aufgestellt. Andre Röhrs führt die Altländer Familientradition fort. Das ist sein Konzept.

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Von Björn Vasel
Montag, 12.05.2025, 05:45 Uhr

Jork. Das Fleischerfachgeschäft Röhrs ist das älteste Norddeutschlands. Der 316 Jahre alte Familienbetrieb überstand Naturkatastrophen, Kriege, Wirtschaftskrisen - und auch die Turbulenzen nach der Insolvenz im Frühjahr 2023.

Die Altländer stellten sich neu auf und wendeten die drohende Schließung ab. Andre Röhrs (33) trat in die Fußstapfen seines Vaters Friedrich und seines Bruders Daniel. Und der Neustart ist geglückt.

Der 33-Jährige ist kein Fleischermeister. Er hat Internationales Vertriebs- und Einkaufsingenieurwesen in Kiel und in Shanghai studiert. Im Jahr 2020 gründete er mit John Schliecker den Frühstückslieferdienst Früh & Edel, seit 2023 ein Partner des Start-ups Get Voliá.

Altländer Wurstwaren gehörten von Anfang an „selbstverständlich“ in die Boxen. Er fühle sich der Familientradition verpflichtet. Sein Credo: „Bewährtes bewahren, aber mit einem frischen Blick nach vorn.“ Der Einstieg in das Fleischerfachgeschäft habe Mut erfordert.

Familienbetrieb übersteht existenzielle Krise

Das bereits 1709 gegründete Unternehmen hatte im Mai 2023 Insolvenz anmelden müssen. Die Familie investierte 2020 und 2021 mehrere Millionen Euro in ein modernes Schlachthaus im Jorker Gewerbegebiet Ostfeld mit Bio-Zertifizierung.

In dem neuen Betrieb im Ostfeld 18 hätten bis zu 300 Schweine pro Woche geschlachtet werden können. Bereits 2019 hatte mit Daniel Röhrs die sechste Generation das Ruder von seinem Vater Friedrich Röhrs übernommen. Der Fleischermeister hatte den Betrieb seit 1986 geführt. Friedrich und Karin Röhrs stehen ihrem Sohn Andre zur Seite.

Die Aufnahme aus den 1920ern zeigt Ludwig Röhrs (links) mit Sohn Friedrich und Mitarbeitern der Schlachterei Jork

Die Aufnahme aus den 1920ern zeigt Ludwig Röhrs (links) mit Sohn Friedrich und Mitarbeitern der Schlachterei Jork Foto: Röhrs

Bei einem Besuch in der neuen Produktionsstätte lobte der frühere Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hans-Joachim Fuchtel (CDU), die Qualität, die Regionalität und die hohen Tierwohl- und Arbeitsschutzstandards bei Röhrs.

Unter anderem gestiegene Kosten und hohe finanzielle Belastungen durch die Millioneninvestition in die neue Produktion mitten in der Corona-Krise stürzten das Unternehmen trotz alledem in eine existenzielle Krise, so Andre Röhrs.

Er war seinerzeit noch nicht im Familienbetrieb aktiv und sah in der Krise die Chance, zumindest den Verkaufsladen in Jork-Mitte zu retten. „Ich habe den Laden aus der Insolvenz übernommen, weil ich an das Konzept und die Verbundenheit zur Region glaube“, sagt Röhrs. Der Schritt habe viel Mut erfordert.

Doch die Kunden und die Mitarbeiter hätten ihm die Treue gehalten, auch seine Eltern stärkten ihm den Rücken und arbeiten bis heute mit. 14 Fachkräfte zählt das Team - auch Mitarbeiter des Ende Januar 2025 geschlossenen Fleischerjungs-Ladens. Diesen hatte Daniel Röhrs 2018 als zweites Standbein in Buxtehude eröffnet.

Fleischerei Röhrs bietet jetzt auch Veganes

Der Traditionsbetrieb im Herzen von Jork hat sich neu aufgestellt. Der Verkaufsladen am Fleet blieb - inklusive warmer Mittagstheke, Feinkost und umfangreichem Wurstsortiment. Mittlerweile hat KüstenSwien, die Holding übernahm das Schlachthaus im Herbst 2023, den Betrieb im Ostfeld eingestellt.

Röhrs produziert bei Partnern. Die Meisterbetriebe stellen die Wurst „nach den altbewährten Rezepturen“ der Altländer her - unter anderem die bekannten Röhrs-Wiener. Und auch beim frischen Mett änderte sich nichts, Friedrich Röhrs hält an seinem fast 40 Jahren alten, streng geheimen Rezept fest. Karin Röhrs hütet ihre Salatrezepte. Die Öfen für die Spanferkel sind weiter in Betrieb, auch dafür ist und war der Betrieb über das Alte Land hinaus bekannt.

Röhrs: „Wichtig war und ist für uns: gleiche Qualität, gleiche Handschrift.“ Das sei keine Marketingfloskel. Er setze auf Transparenz und hochwertiges Fleisch. Die Metzgers Manufaktur in Hamburg liefert Koch- und Brühwürste und Bratenaufschnitt, Mühlenbeck Fleischwaren das Rohwurstsortiment, Geflügelprodukte kommen von Grevenkoper Pute.

Die Altländer, seit 2005 stellt Röhrs auch Wurstwaren für Allergiker her, gehen mit der Zeit und sind offen für Neues. Im Sortiment sind jetzt „auch vegane Alternativen“ von der Veganen Fleischerei in Hamburg. Die Partnerbetriebe setzen auf Regionalität und Landwirte, die unter anderem auf Offenstallhaltung mit Auslauf/Weide setzen.

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Altländer trotzen dem Metzgersterben

Der Druck auf Fachgeschäfte wächst. Es gibt viele Regionen, in denen es keine Metzger mehr gibt. Erstmals ist die Zahl der fleischerhandwerklichen Unternehmen im vergangenen Jahr unter die Marke von 10.000 gesunken. Der Deutsche Fleischer-Verband zählte 2024 insgesamt 9872 Betriebe.

Das ist ein Rückgang von 2,94 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Immerhin: Erstmals seit 2016 sei der Fleischkonsum laut Statistischem Bundesamt wieder gestiegen - um 0,8 Prozent auf 53,2 Kilogramm pro Person.

Friedrich Röhrs und sein Sohn Andre. Der 33-Jährige hat das Ladengeschäft übernommen und modernisiert.

Friedrich Röhrs und sein Sohn Andre. Der 33-Jährige hat das Ladengeschäft übernommen und modernisiert. Foto: Vasel

Röhrs will sich mit handwerklicher Qualität, aber auch mit Dry-Aged-Fleisch-Delikatessen, Bratwursttastings und Tomahawk-Steak sowie Fleischalternativen gegen Supermärkte und Discounter behaupten. Barbecue liegt im Trend. Dass ihnen die Kunden in der Krise die Treue hielten, bewegt Andre Röhrs. Der Jorker ist fest entschlossen. Er will den Namen Röhrs in die Zukunft tragen, damit Röhrs das älteste Fleischerfachgeschäft Norddeutschlands bleibt.

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Kurzer Blick in die Firmenchronik

Die Fleischerei Röhrs ist die nachweislich älteste Schlachterei Norddeutschlands. Im Jahr 1709 wurde der in Hollern geborene Johann Eckhoff durch die Heirat mit der Jorkerin Anna Schuback zum „Schlachter und Krüger in Jork an der Kirche“. Nach dessen Tod heiratete die Witwe Johann Christoffer Völkers, der gemeinsame Sohn Carsten führte die Schlachterei bis zur Übergabe an Peter Brandt weiter. Sein Nachfolger, Sohn Hinrich, konnte den Jorker Betrieb nach einem Feuer nicht halten.

1845 kaufte Jacob Peters die Schlachterei für 7000 Reichsmark aus der Konkursmasse. Sein Neffe Friedrich Peters und dessen Schwiegersohn Ludwig Röhrs, der 1930 alleiniger Inhaber wurde, bauten das Familienunternehmen kontinuierlich weiter aus. Sohn Friedrich übernahm 1953 das Ruder und investierte 1970 in einen Neubau der Verkaufsräume und 1977 in die Modernisierung der alten Schlachterei - um weiterhin selbst schlachten zu können.

Der Vater von Andre Röhrs, Friedrich Röhrs II., übernahm 1986 den Familienbetrieb. 1990 wurde das Geschäftshaus neu errichtet. 2002/2003 und 2012 erfolgten weitere Modernisierungen. Im Jahr 2008 erhielt die Fleischerei Röhrs eine EU-Zulassung. Damit war die hauseigene Schlachtung und Produktion gesichert. Ab 2021 wurde im Ostfeld geschlachtet. Ab 2023 stellte sich Röhrs neu auf.

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