TExperte fordert Ansiedlung von Discountern in der Samtgemeinde Lühe
Die Altländer sollen mehr Geld an den Ladenkassen vor Ort lassen. Foto: dpa
Mehr als die Hälfte der Bürger der Samtgemeinde Lühe muss zum Einkaufen nach Dollern, Horneburg, Stade oder Jork fahren. Das soll sich ändern.
Steinkirchen. Die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) hatte das Einzelhandelskonzept überarbeiten müssen, nachdem die Politik im Sommer 2021 den ersten Entwurf auf Eis gelegt hatte. Die Handelsexperten der GMA mussten zwei Aspekte prüfen: die Ansiedlung eines Nahversorgers/Dorfladens - wie in Bliedersdorf oder in Sauensiek - an der Oberen Lühe und den Bedarf für einen Verbrauchermarkt (trotz des verlorenen Edeka-Gerichtsverfahrens) an der L140 im Bereich Hollern und Sietwende (Grünendeich).
Laut Samtgemeinde-Bürgermeister Timo Gerke (parteilos) könnte der Rat das überarbeitete Konzept am Mittwoch, 6. Dezember, 19 Uhr, beschließen und sich selbst am Nikolaustag mit dem planungsrechtlichen Steuerungsinstrument für neue Märkte und der Stärkung des Einzelhandels beschenken. Florian Komossa von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung hat das Einzelhandelskonzept in Steinkirchen vorgestellt.
Bedarf für Discounter und Drogeriemarkt
Mit dem Ausbau und der Modernisierung des Rewe-Marktes in Steinkirchen um 265 Quadratmeter auf 1905 Quadratmeter (Neueröffnung: 30. November) sei eine erste Empfehlung der GMA von 2021 bereits umgesetzt worden. Gleichwohl fehle in Steinkirchen nach Auffassung von Komossa weiterhin ein Lebensmitteldiscounter. Eine Optimierung des Angebotes sei auch in Hollern-Twielenfleth notwendig, es fehle ein Supermarkt im Verlauf der L140. Im Bereich Neuenkirchen, Mittelnkirchen und Guderhandviertel hat die GMA eine „Unterversorgung“ festgestellt.
Nach der Schließung des Tante-Emma-Ladens „Edeka Somfleth“ an der Kirche in Mittelnkirchen fehle an der Oberen Lühe ein Nahversorger. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mitbewerber von Rewe/Penny seit Jahren die Samtgemeinde Lühe im Auge haben. Die Lebensmitteldiscounter Netto (Edeka) oder Lidl (Schwarz-Gruppe) könnten die Lücke an der Oberen Lühe schließen, es laufen nichtöffentliche Gespräche mit Politik und Verwaltung.

Die Karte zeigt den zentralen Versorgungsbereich der Samtgemeinde Steinkirchen (rot umrandet) mit den Potenzialflächen (schwarz schraffiert) für einen Discounter und einen Drogeriemarkt. Foto: GMA
Verbraucher fahren nach Stade, Horneburg und Jork
Die knapp 10.200 Einwohner haben eine Kaufkraft von 76,3 Millionen Euro. 39,5 Millionen Euro geben diese für Waren des periodischen Bereichs, von Lebensmitteln bis zu Drogeriewaren, aus. Ihre Einkäufe tätigen diese nicht nur bei Rewe (Steinkirchen) und Penny (Hollern). Die Altländer an der Oberen Lühe lassen ihr Geld - wegen kürzerer Wege und wegen des Angebotes - auch in Dollern, Horneburg oder Jork, die Hollern-Twielenflether lassen die Ladenkassen in Stade klingeln.
Bürgerbefragung
T Das soll sich bei Supermärkten und Gastronomie in Jork ändern
Die GMA-Experten raten der Kommunalpolitik deshalb, drei Nahversorgungsbereiche zu entwickeln: Hollern-Twielenfleth (3480 Einwohner), Grünendeich/Steinkirchen (3670 Einwohner) und Obere Lühe (3050 Einwohner). Beim aperiodischen Bereich sieht Komossa einen Bedarf für einen Fahrradhandel (E-Bikes in Kombination mit Verleih), einen Augenoptiker und einen Drogeriemarkt.
Der Fokus bei der Stärkung und Sicherung müsse, mit Blick auf Bau- und Planungsrecht, auf dem zentralen Versorgungsbereich der Samtgemeinde Lühe liegen - sprich dem „zentralen Ort“ Steinkirchen mit seiner „städtebaulich integrierten Lage“ im Einzugsbereich der Bürgerei. Dieser soll mit dem Konzept festgeschrieben werden. Nordöstlich des Rewe-Marktes und (auf der anderen Seite der Lühe-Brücke) in Mittelnkirchen im Bereich Hohenfelde/Ort sieht das Gutachten zwei Potenzialflächen - für einen Discounter und/oder Drogeriemarkt. In dem Bereich gebe es keine Beschränkungen.
Nahversorger an der Oberen Lühe gefordert
Zusätzlich gebe es die Option für Märkte mit dem Fokus auf Nahversorgung außerhalb dieses zentralen Siedlungsgebietes. Dafür gibt es Voraussetzungen, beispielsweise die Festsetzung von Standorten im Regionalen Raumordnungsprogramm des Kreises Stade (RROP: „herausgehobene Bedeutung für die Nahversorgung“) oder einen Standort im Ortskern. Ein Beispiel ist der Penny in Hollern mit einer Verkaufsfläche von rund 800 Quadratmetern. Die GMA rät, auch einen Standort an der Oberen Lühe ins RROP aufzunehmen. Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke (parteilos) hat bereits zahlreiche Gespräche geführt - mit dem Rund-um-die-Uhr-Markt „Tante Enso“ und Discounter-Ketten, die im Wettbewerb zu Penny (Rewe-Gruppe) stehen. Auch die Bürgermeister Marco Hartlef (CDU; Guderhandviertel), Gerd Grundwald (Grüne; Neuenkirchen) und Joachim Streckwaldt (CDU; Mittelnkirchen) hatten sich im Zuge der Erstellung des Konzepts für einen Markt an der Oberen Lühe eingesetzt.
Alternativ zur Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters wie Netto, Lidl & Co. seien auch mobile Konzepte oder ein genossenschaftlicher Dorfladen denkbar. Weiterer „nahversorgungsrelevanter Einzelhandel“ wäre wohnortnah laut Konzept auch in Hollern-Twielenfleth denkbar. Das bietet Spielraum für einen erneuten Anlauf nach dem Scheitern der Edeka-Pläne entlang der L140 vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Mai dieses Jahres. Bekanntlich wollten Investoren in Sietwende einen Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von 1300 Quadratmetern inklusive Backshop/Bistro errichten. Ein neuer Markt müsste „nicht raumbedeutsam sein“ und sich auf den Einzugsbereich beschränken, dann könnte der Grundstein gelegt werden. In den Gewerbegebieten sollen weiterhin nur Bau-/Raiffeisenmärkte möglich sein. Für Hofläden, Handwerk und Manufakturen soll es keine Standortbeschränkungen geben.
Ich setze mich weiter stark auch für einen Markt an der Oberen Lühe ein.
Bürgermeister Timo Gerke