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Baukultur

TGalerieholländer-Windmühle in Borstel neigt sich wie der Schiefe Turm von Pisa

Gregor Jakubiak und Pawel Kurowski von Schwarz Malermeister arbeiten in luftiger Höhe und streichen die Balken der Galerie der Borsteler Windmühle Aurora.

Gregor Jakubiak und Pawel Kurowski von Schwarz Malermeister arbeiten in luftiger Höhe und streichen die Balken der Galerie der Borsteler Windmühle Aurora. Foto: Vasel

Die Borsteler Mühle wird saniert, die Maler sind bereits am Werk. Doch das ist erst der Anfang. Denn das Baudenkmal neigt sich wie der Schiefe Turm von Pisa. Doch Aurora wird nicht umkippen. Denn die Experten gehen dem Problem auf den Grund.

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Von Björn Vasel
Dienstag, 30.07.2024, 01:03 Uhr

Jork. Gregor Jakubiak und Pawel Kurowski von Schwarz Malermeister aus Buxtehude arbeiten seit Anfang dieser Woche in luftiger Höhe auf einer Hebebühne und einem Gerüst. Unter anderem die Balken der Galerie und die Fenster der 1856 erbauten Windmühle erhalten einen neuen Anstrich.

Gregor Jakubiak streicht Balken der Galerie.

Gregor Jakubiak streicht Balken der Galerie. Foto: Vasel

Des Weiteren wird ein Zimmerer die morschen Hölzer austauschen. 2014 waren Fenster und Flügel der Mühle für knapp 100.000 Euro saniert worden.

Ein Zimmerer muss noch einige Balken austauschen.

Ein Zimmerer muss noch einige Balken austauschen. Foto: Vasel

Diese laufenden Unterhaltungsmaßnahmen sind allerdings erst der Anfang einer Grundsanierung.

Schöne Aurora sackt langsam ab

Denn die schöne Aurora hat ein Problem. Die denkmalgeschützte Mühle auf dem historischen 250 Meter langen alten Elbdeich am alten Hafen sackt ab. „Das Fundament muss stabilisiert werden“, sagt Kreisbaurätin Madeleine Pönitz. Die kostenintensive Sanierung ist über den Haushalt 2024 abgesichert. 500.000 Euro sind eingeplant. Die Galerieholländer-Windmühle neige sich glücklicherweise lediglich „langsam“. Um größere Schäden zu verhindern, müsse diese Setzung allerdings abgefangen werden.

Blick auf die 1855 errichtete Galerieholländer-Mühle auf dem alten Deich in Jork-Borstel.

Blick auf die 1855 errichtete Galerieholländer-Mühle auf dem alten Deich in Jork-Borstel. Foto: Vasel

Im Gespräch war der Einbau von Querpfählen unter den Fundamenten der Windmühle, um das Bauwerk zu stabilisieren. Die Experten im Stader Kreishaus arbeiten an einem Konzept, Fachbüros werden das Amt für Gebäudewirtschaft unterstützen. Im Boot seien auch die Denkmalschützer.

Fundament der Windmühle freigelegt

Dafür hätten Mitarbeiter von Dede Garten- und Landschaftsbau aus Jork zwei tiefe Sichtschächte angelegt, sagte Kreissprecher Daniel Beneke dem TAGEBLATT. Überprüft werden soll, ob die Mühle tatsächlich auf Feldsteinen gegründet worden ist. Diese Untersuchung werde eine wichtige Grundlage des Sanierungskonzepts sein.

Blick auf die Fundamente der Mühle in Borstel.

Blick auf die Fundamente der Mühle in Borstel. Foto: Vasel

Nach der Sanierung 2024/2025 soll die Mühle „nach einer Ausschreibung“ wieder verpachtet werden. Namhafte Gastronomen haben bereits ein Auge auf die schöne Aurora geworfen.

Baudenkmal mit einer langen Geschichte

Aurora von Königsmarck (1662 bis 1728) gab der Mühle auf dem alten Deich in Jork-Borstel ihren Namen. Aurora ist in der Mythologie der Antike die Göttin der Morgenröte. Sie war die Enkelin des ersten schwedischen Generalgouverneurs der Herzogtümer Bremen und Verden, Graf Hans Christoph von Königsmarck (1600 bis 1663). Sie war die Geliebte Augusts des Starken von Sachsen und danach Pröpstin des Stiftes Quedlinburg. Ihre Ururenkelin Aurore Dupin ging unter dem Pseudonym George Sand in die französische Literaturgeschichte ein.

Der Familie von Königsmarck gehörte der dazugehörige Herrensitz in Borstel. Zum Königsmarckschen Hof (Wehrtscher Hof), einen Steinwurf von Hafen und Kirche entfernt, gehörte auch die Mühle auf dem Deich - vorher in der Hand der Altländer Gräfen Schulte und Dehmel. Otto Wilhelm von Königsmarck, Sohn des im Jahr 1663 in Stade beigesetzten Generalgouverneurs, erwarb die Mühle 1672. Nach seinem Tod erbten Aurora und ihre Schwester Amalia 1688 den Besitz, zumindest wurden sie in alten Akten als Verpächterinnen aufgeführt.

Galerieholländer-Windmühle in Borstel neigt sich wie der Schiefe Turm von Pisa

Doch Flügel drehten sich hier bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg. Der Erzbischof von Bremen hatte den Bau einer Bockwindmühle im Jahr 1605 genehmigt. Im Jahr 1633 war der Bau bereits wieder Schrott. Der Kirchenfürst verlieh Nicolaus Dehmel das „Recht des freien Windes“ für den Wiederaufbau.

Vermögender Kaufmann errichtet heutige Mühle

Im Jahr 1740 erwarb George II., König von Großbritannien und Irland und Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (Hannover), für 45.000 Taler die Agathenburger Besitzungen der Königsmarcks und damit auch die Borsteler Mühle. Sie wurde fortan als Erbzinsmühle durch einen Müller betrieben. Infolge der Sturmflut 1825 wurde die Bockwindmühle auf der Deichkuppe abgebrochen, der Standort an den Deichfuß verlagert. Der erste Neubau war bereits eine Holländermühle. Der vermögende Kaufmann Adolf Friedrich Peters erwarb diese 1831 und erbaute 1855/1856 die heutige Galerieholländermühle mit viergeschossigem quadratischem Unterbau aus Backstein. Darüber liegt eine blechverkleidete Holzkonstruktion in Form eines Achtkants mit drehbarer Haube und Flügeln. Seine Witwe heiratete den Kornschiffer Gerd Pickenpack, der baute 1881 eine Bäckerei an.

Blick auf die sanierungsbedürftige Borsteler Mühle und den alten Elbdeich in den 1960er/1970er Jahren. Der Galerieholländer wurde 1855/1856 von dem Müller Adolf Friedrich Peters erbaut.

Blick auf die sanierungsbedürftige Borsteler Mühle und den alten Elbdeich in den 1960er/1970er Jahren. Der Galerieholländer wurde 1855/1856 von dem Müller Adolf Friedrich Peters erbaut. Foto: Altländer Archiv

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Flügelkreuz 1943 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Fortan konnte nur noch mit Motor gemahlen werden. 1961 wurde die Kornmühle stillgelegt. Das Gebäude verfiel. 1981 erwarb der Kreis Stade die Mühle und sanierte das Denkmal im Jahr 1984 umfassend. Bereits ein Jahr später konnte die Wiedereinweihung gefeiert werden. Von 2011 bis 2023 betrieben Kerstin und Danny Riewoldt ein Restaurant in der Mühle als Pächter, der Spitzenkoch betreibt heute eine Essig-Manufaktur in Borstel-Hinterbrack. Zwei komplette Galerieholländer gibt es noch im Alten Land. Doch nur in der Venti Amica in Twielenfleth (1849) arbeiten mit Hein Noodt und Volkmar Dinglinger noch Müller.

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