TIst die Energiewende mit den Welterbe-Plänen des Alten Landes vereinbar?

In Francop stehen - im Hamburger Teil des Alten Landes - Windkraftanlagen in den Obstplantagen nördlich der A26. Foto: Vasel
Seit Jahren kämpfen die Altländer darum, Weltkulturerbe zu werden. Zugleich wird die Energiewende mit Windkraft und Photovoltaik vorangetrieben. Passt das im Alten Land zusammen?
Altes Land. Fabian Tempelmann von der DKC Kommunalberatung GmbH aus Köln hat am Mittwoch das 129 Seiten starke Gutachten der Kreispolitik im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Regionalplanung vorgestellt. Die Kernfrage: Wie lassen sich Energiewende und Welterbe unter einen Hut bringen, ist ein Interessenausgleich möglich? Das Gutachten ist eine Grundlage für die Ausweisung von Wind- und Photovoltaikflächen im Kreis Stade.
Die DKC ist für das Gutachten in die Rolle strenger Hüter des Uneseco-Welterbes und der Berater des Internationalen Rats für Denkmalpflege geschlüpft und hat Handlungsempfehlungen für Planer und Politiker vorgelegt. Diese fallen strenger als Vorgaben im Denkmalschutzgesetz aus, so Tempelmann. Doch sein Gutachten sei ohnehin „rechtlich nicht bindend“, weder für den Kreis Stade, noch für die Städte und Gemeinden. Dieses müsse sich allein an Vorgaben wie Bau- und Denkmalschutzgesetz halten.
Beitrag zur Energiewende mit Photovoltaik leisten
Die Altländer werden einen Beitrag für die Energiewende leisten können - über die Photovoltaik. Das Thema Windkraft war bereits vor dem Gutachten im Alten Land erledigt. Bereits 2022 war die Kulturlandschaft auf Betreiben des Landes sowie der Samtgemeinde Lühe und der Gemeinde Jork im Landesraumordnungsprogramm als „Vorranggebiet kulturelles Sachgut“ festgesetzt worden.
Niedersachsen wollte das Obstanbaugebiet mit der mittelalterlichen Siedlungs- und Flurstruktur der Marschhufendörfer schützen. Diese waren im Zuge der Hollerkolonisation im 12./13. Jahrhundert entstanden. Dadurch spielt das Alte Land raumplanerisch bereits in einer Liga mit Welterbestätten wie im Harz.
Mini-Windkraftanlage bis 50 Meter zulässig
In den mittlerweile knapp 90 festgesetzten Historischen Kulturlandschaften dürfen „keine raumbedeutsamen Windenergieanlagen“ aufgestellt werden. Die Anlagen sind heute 220 Meter und mehr hoch. Diese würden die „wertgebenden Bestandteile oder das Gebiet als Ganzes in seiner Wertigkeit erheblich beeinträchtigen“ und seien deshalb unzulässig.
Klimaschutzregion
T Altes Land und Horneburg: Bürgermeister setzen auf legale Klimakleber
Energiewende
T Solarstrom und Äpfel: Altländer wollen doppelte Ernte
Erlaubt wären allerdings Kleinwindenergieanlagen. Deren Gesamthöhe darf 50 Meter nicht überschreiten. Tempelmann: „Ein Großteil des Alten Landes steht für Kleinwindanlagen potenziell zur Verfügung.“ Die Gutachter aus Köln halten einen Abstand von 500 Metern zu den 13 Traditionskernen - Denkmälern wie Höfen, Deichen und Kirchen der hochmittelalterlichen Holler-Kolonisation - für sinnvoll. Diese sollen bekanntlich irgendwann wieder Grundlage einer dritten Welterbebewerbung werden.

In den roten Gebieten ist die Ausweisung neuer Vorranggebiete für raumbedeutsame Windkraftanlagen laut DKC Kommunalberatung ausgeschlossen. Foto: Vasel
Deshalb hat die DKC Kommunalberatung mit Hilfe eines Computers visuelle Wirksamkeitsstudien erstellt, um zu prüfen, ob die mehr als 220 Meter hohen modernen Anlagen die Traditionskerne zu stark beeinträchtigen - auch an Standorten auf der Geest und in Kehdingen, die gar nicht mehr im Vorranggebiet liegen, aber von einem Traditionskern aus zu sehen wären. Das Stichwort lautet: Fernwirkung. Die Gutachter sprechen von einem „enormen Beeinträchtigungspotenzial“.
Erneuerbare Energie
T In Neuenkirchen soll ein Agri-Solarpark an der A26 entstehen
Ein Karte aus dem Gutachten mit dem Beeinträchtigungspotenzial macht es sichtbar. Auch die Ausweisung von Vorranggebieten Windenergie und der Bau von Windkraftanlagen in Stade, Buxtehude oder in der Samtgemeinde Horneburg könnten ein potenzielles Welterbe Altes Land gefährden. Windkraftanlagen in den Samtgemeinden Fredenbeck sowie Harsefeld und Apensen könnten es - aus Sicht eines Icomos-Experten - beeinträchtigen. Auf Kehdingen hätte ein Welterbe Altes Land keine Auswirkungen. Es gilt als grünes Gebiet. Und: Das Repowering des Windparks Agathenburg ist möglich.
Energiewende auch mit Welterbe möglich
Der Gutachter regt an, einige Flächen außerhalb der Vorranggebiete unterhalb der Geestkante für Windenergieanlagen „zusätzlich“ auszuschließen. Im südlichen Teil des Landkreises (gelbes Gebiet) soll es eine Einzelfallprüfung geben.

Borsteler Mühle - eine Windkraftanlage aus früheren Zeiten. Foto: Vasel
Der Chef-Planer im Stader Kreishaus, Simon Grotthoff, sieht im Gutachten kein Aus für die Energiewende. Es sei nicht rechtsverbindlich. Vorranggebiete könnten „problemlos“ in den grünen und in den gelben Gebieten festgesetzt werden. Bekanntlich muss der Kreis Stade im Regionalen Raumordungsprogramm laut einer Vorgabe des Landes Niedersachsen 3,67 Prozent seiner Fläche als Vorranggebiete für die Windenergienutzung ausweisen. Sorge bereiten ihm weniger das Welterbe als die geforderten Abstände der Anlagen zu Siedlungen.
Photovoltaik auf Dächern und Obstplantagen als Beitrag zur Energiewende
Gegen Solarenergie spricht gutachterlich im Grundsatz nichts. Bei Agri-PV, sprich Solarstrom-Erzeugung über Obstplantagen, halten die Gutachter einen Puffer von 200 Metern zu Traditionskernen für sinnvoll. Raumbedeutsame Freiflächenphotovoltaikanlagen könnten an A26 oder einer Stromtrasse entstehen. Bei Photovoltaik auf Dächern sollte Rücksicht auf die Traditionskerne genommen werden. Das haben die Kommunen über ihre Gestaltungssatzungen und Bebauungsplanverfahren ohnehin selbst in der Hand.

In Francop stehen - im Hamburger Teil des Alten Landes - Windkraftanlagen in den Obstplantagen nördlich der A26. Foto: Vasel

Agri-PV und Welterbe sind kein Widerspruch. Foto: Vasel