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Altes Land

TJorkerin leitete 25 Jahre lang das größte Kompostwerk Norddeutschlands

Der Birnenbaum neben ihrem Haus steht schon dort, solange Anke Boisch denken kann.

Der Birnenbaum neben ihrem Haus steht schon dort, solange Anke Boisch denken kann. Foto: Buchmann

Sie wuchs in Jork auf und fand dort ihre Nähe zur Natur. Zufällig verschlug es Anke Boisch nach Tangstedt, wo sie den Mülldeponien den Kampf ansagte. Ein Porträt.

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Von Steffen Buchmann
Dienstag, 08.07.2025, 09:30 Uhr

Jork. Für Anke Boisch dreht sich seit 30 Jahren alles um ein Thema: Kompost. Als Geschäftsführerin und spätere Betriebsleiterin entwickelte die Jorkerin das Biogas- und Kompostwerk Bützberg zum größten Biokompostwerk Norddeutschlands. „Dabei habe ich mich vorher nie für Abfallwirtschaft interessiert“, gesteht sie.

Als jüngstes von fünf Kindern wuchs Anke Boisch in einem Kötnerhaus in Jork auf. Die Boischs waren als Kaufmannsfamilie im Ort bekannt, als Kind half die Jüngste im hauseigenen Laden mit. Ihre Familiengeschichte liegt Anke Boisch am Herzen, weshalb sie an die Fassade ihres neu gebauten Hauses eine Mühle und eine Waage hat klinkern lassen.

Großvater brachte ihr die Natur nahe

Eine besondere Beziehung hatte Anke Boisch zu ihrem Großvater Jakob Boisch. Er habe ihr die Natur nähergebracht, hielt eigene Hoftiere und sogar Bienen. „Wir sind zusammen rausgegangen. Dort hat er mir alles erklärt“, erinnert sich Boisch. Zusammen legten Großvater und Enkelin einen kleinen Garten an - und bastelten Fliegenklatschen aus Weidenstöcken und Lederresten.

Standen sich immer sehr nahe: Großvater Jakob Boisch und Enkelin Anke Boisch (hier etwa sieben Jahren alt).

Standen sich immer sehr nahe: Großvater Jakob Boisch und Enkelin Anke Boisch (hier etwa sieben Jahren alt). Foto: privat

Mit zwölf Jahren war für Anke Boisch klar: Ich will Biologie studieren. An der Universität Hamburg belegte sie Botanik und Bodenkunde, ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Blattfleckenkrankheit an Erdbeeren. „Meine Lieblingsfrucht“, sagt sie.

Die Untersuchungen durfte sie am Obstbauzentrum Esteburg in Jork durchführen, ermöglicht durch den ehemaligen Leiter Ernst-Ludwig Loewel. Bei einer Vorlesung zum Thema Obstbau habe sie Loewel wiedergetroffen, „denn früher war er bei meinem Großvater einkaufen“.

Zeit der Deponien war vorbei

Den Weg zum Kompost fand Anke Boisch zufällig in Lappland. Sie sei dort mit anderen Forschern auf Exkursion gewesen, als sie ein Kollege ansprach. „Die Stadtreinigung Hamburg wollte ein Projekt starten, um Kompost zu erzeugen“, sagt Boisch. Dafür sollte ein neues Kompostwerk in Schleswig-Holstein entstehen - und sie sollte daran mitwirken. Eine Initiativbewerbung und ein Jahr später trat Anke Boisch 1995 ihre neue Stelle als Geschäftsführerin beim Kompostwerk Bützberg an.

„Ich weiß durch den Geruch, wie es meiner Komposthalle geht.

Dr. Anke Boisch, Betriebsleiterin des Biogas- und Kompostwerks Bützberg

Als sie 1999 die Betriebsleitung in Tangstedt übernahm, kam sie ihrem Ziel „Umwelt und Natur zu schützen“ ein Stück näher. Denn die Zeit der Deponien war vorbei, die Zukunft hieß Mülltrennung. Über die Jahre forschte sie intensiv für ihre Doktorarbeit zu Biokompost und wurde zu einer gefragten Kompost-Expertin.

Müllgeruch macht ihr nichts aus - außer Dosensuppen

Die Technik ihrer Anlagen interessierte Anke Boisch ebenso, sie packte selbst mit an. „Ich hatte mal einen Freund, von dem habe ich das Autoschrauben gelernt“, verrät sie. Besonders geholfen bei der Arbeit habe ihr eine Sache, vor der sich die meisten ekeln: der Geruch.

Die Erweiterung des BKW Bützberg schreitet voran.

Die Erweiterung des BKW Bützberg schreitet voran. Foto: Thorge Huter

„Ich weiß durch den Geruch, wie es meiner Komposthalle geht“, sagt Boisch. Der Geruch von Bioabfall störe sie nicht. „Nur Dosensuppen kann ich nicht mehr essen“, sagt sie. Der Grund dafür war eine unappetitliche Begegnung mit einem Radlader voller Dosenreste, der sich direkt neben Anke Boisch in eine Kuhle „übergeben“ hatte.

Der Biologin war es immer wichtig, Menschen den Sinn von Mülltrennung näherzubringen. Es gebe viel Unwissen über Abfall. So hält sich weiterhin der Mythos, dass vermeintlich biologisch abbaubare Kaffeekapseln oder Bio-Komposttüten in den Biomüll gehören. „Der Kompost wird durch das Mikroplastik verunreinigt“, sagt Boisch. Ein leidiges Thema, auf das die Vermarkter eigentlich hinweisen müssten, findet sie.

Ruhephase und Zeit für Kultur

Auch Metall lande häufig im Bioabfall, so etwa Gartengeräte oder Gemüseschäler. „Ich kann genau erkennen, wenn wieder Spargelzeit ist“, sagt Boisch. Es gebe jedoch auch Menschen, denen die Mülltrennung schlichtweg egal sei. Die Kreislaufwirtschaft könne jedoch nur funktionieren, wenn alle den Müll trennen. „Unser Restmüll besteht zu 30 bis 50 Prozent aus organischem Müll“, sagt sie.

In ihrem Ruhestand möchte sich die Jorkerin wieder mehr der Kultur widmen.

In ihrem Ruhestand möchte sich die Jorkerin wieder mehr der Kultur widmen. Foto: Buchmann

Anke Boisch zählt die Tage bis zum 1. November, dann geht die 65-Jährige in den Ruhestand. Ihr letztes Projekt, die Kompostanlage in Tangstedt auf die doppelte Größe zu erweitern, übergibt sie an ihre Nachfolgerin.

Seit einem Jahr lebt Anke Boisch wieder in Jork, hat aber noch viele Kisten auszupacken. Eine Bekannte habe ihr gesagt, „du bist eine Neu-Altjorkerin“, sagt sie und lacht. Sie wolle erst mal eine Ruhephase einlegen, sich wieder mehr dem Theater und der Musik widmen. Auch in ihrem Garten will sie viel Zeit verbringen - so wie früher mit Großvater Jakob.

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