TKünstler erzählen ihre Wassergeschichten im Flunstitut in Estebrügge

Steffen Gill hängt seinen an der Este gefundenen Tankkanister in der Ausstellung „Wassergeschichten im Dialog“ des Künstlerkollektivs Flunst in Estebrügge auf. Auf dem Bildschirm: eine Flussfahrt von Buxtehude bis Neuenfelde. Foto: Vasel
„Flunstwerke - Wassergeschichten im Dialog“, so heißt die neue Ausstellung des Künstlerkollektivs Flunst in der Ex-Tischlerei Ecks in Estebrügge.
Estebrügge. Dort, wo früher Särge und Küchen getischlert wurden, hat heute das Flunstitut seinen Sitz. Künstler erzählen hier ihre Wassergeschichte. Film, Installation, Malerei, Performance, Text, Fotografie, Komposition und Klang sind ihre künstlerischen Mittel. Ihre Werke sind Erzählungen über das Leben mit dem Wasser entlang der Este - von der Quelle bis zur Mündung.
„Die Geschichten spiegeln wider, wie sich menschliche und mehr als menschliche Bewohner, ob Quasi-Fische, Vögel, Erde oder Pflanzen, an sich ständig verändernde Bedingungen anpassen. Sie erzählen von den Erfahrungen, Herausforderungen und Hoffnungen des Lebens in einer Gezeitenküstenregion“, erklärt die Human-Geografin Dr. Rossella Alba von der Humboldt-Universität in Berlin. Die Wissenschaftlerin forscht weltweit zum Thema Wasser.

Einblick ins Flunstitut (ehemals Tischlerei Ecks) in Estebrügge. Foto: Vasel
Wasser spiele viele Rollen: Es ist lebensspendend, ein emotionales Band, Freizeit, Begegnung, Arbeit, Angst und Inspiration. „Die Este hat ihre eigene Magie“, sagt der Spezialeffektkünstler Steffen Gill. Die Flunster schwärmen von der Schönheit des Flusses. Doch die Lebensader von Natur und Obstbau sei bedroht - unter anderem durch Elbvertiefung (Schlick) und Klimawandel.
Zuhören, Beobachten, Berühren und Fühlen, das alles ist in dieser Ausstellung möglich. Gefördert wurde das Projekt „Living with Water: Plural Knowledges for Water Adaption“ im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern durch das Berlin University Alliance/TD-Lab Funding Programm. Es ist eines von bundesweit 15 vom Labor für transdisziplinäre Forschung ausgewählten Projekten. Auch der Kulturfonds der Gemeinde Jork ist mit im Boot.

Das Flunstitut hat auch eine Bar. Foto: Vasel
Das Kollektiv will zur Auseinandersetzung anregen. Es hatte sich im Januar 2024 gegründet. Das Ziel: gemeinsam Kunst erschaffen und Begegnungen mit Kunst ermöglichen. Der Arzt Dr. Jan Sulzer stellte seine Tischlerei als Atelier und Ausstellungsraum zur Verfügung. Bei der Vernissage im September 2024 gab es eine Aalknobeln-Performance im Schaufenster, rund 250 Besucher schauten von der gesperrten Straße aus zu. „Wir wollen nicht nur Ältere, sondern auch Jüngere für Kunst begeistern“, sagt Dr. Anja Tiedemann. Aus der IG Flunst, die Wortschöpfung steht für Fluss und Kunst, wurde ein Verein.
Manifest für Natur und Kulturlandschaft
Was erwartet die Besucher? Christoph Reimers nimmt diese mit auf eine Fotoreise „Schlittschuhlaufen früher und heute“. Carmen Breuker präsentiert eine Farbanalyse der Este und ihrer Uferzonen von der Quelle bis zur Mündung mit Pastellkreide auf Leinwand, vom Ocker, dem Sand auf dem Quellgrund bei Bötersheim, bis zum grauen Beton des Anlegers in Cranz.

Farbtöne von Carmen Johanna Breuker: von der Quelle bis zur Mündung der Este. Foto: Vasel
Jakob Harms hat mit „Der Fluss nimmt und der Fluss gibt“ einen Kurzfilm produziert. Der Kunstpädagoge lässt türkischstämmige Frauen auf einer Bootstour zu Wort kommen. Komponist und Theatermacher Thorsten Wilrodt hat die Este mit Trompeten, Posaune, Tuba, Bass, Harmonium, Schlagzeug und anderen Instrumenten sowie eigenen Geräuschaufnahmen unter anderem unter der A26-Brücke vertont.
Steffen Gill schlägt eine Brücke zwischen sinnlicher Wahrnehmung und ökologischer Verantwortung. Er hat die Este mit Kanu und Kamera befahren. Ergebnis: beeindruckende Fotografien und ein Film. Gill sagt: Wer sich auf diese Kamerareise jenseits gewohnter Blicke einlässt, erlebt den Fluss auch als verbindende Kraft und Lebensraum.
TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter war auf der Jagd nach dem geheimnisvollen Este-Urzeit-Vampir: dem Neunauge. Ihn traf sie allerdings erst im Keller der Sammlung des Leibniz-Instituts in Hamburg - eingelegt in Alkohol. Die Besucher können sich auf eine Lecture Performance freuen. Lenya Leonie Kraske hat Flügel und Flossen aus Pappmaché erschaffen: einen großen Spiegelkarpfen und eine zarte Libelle. „Mir ist aufgefallen, dass Kinder in der Kunst oft gar nicht so richtig bedacht werden - also wollte ich etwas machen, das sie direkt anspricht und Spaß macht“, sagt die Schülerin.

Die Illustratorin und Künstlerin Marlies Abramowski lässt Vögel im Schaufenster zu Wort kommen. Foto: Vasel
Die Illustratorin Marlies Abramowski lässt mit ihren Bildern die Vögel selbst zu Wort kommen, indem sie Malerei und Schrift verbindet. Mascha Richter formt Gesichter aus Schlick. Ihre Installation „Die Radieschen von unten“ hängt von der Decke und stellt die Wiese in ihrem Garten von unten dar. Ihr Konzept: den Lebensraum und seine Wurzeln aktiv wahrnehmen und spüren. Kunsthistorikerin Anja Tiedemann liefert mit 60 Fotografien ein Porträt ihrer Wahlheimat - und ein Manifest für die Bewahrung dieser einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft.
Programm in Flunstitut und Brüggerei
Flunst lädt für Sonnabend, 21. Juni, 15 Uhr, zur Vernissage ein. Los geht es im Flunstitut (Estebrügger Straße 42) in Estebrügge. Um 18 Uhr ziehen die Besucher und Künstler - angeführt von Musikern wie bei einer traditionellen Blaskapellenparade in New Orleans - weiter durch den Ort zu Filmvorführungen und Party in der Brüggerei. Geöffnet ist die Ausstellung im Flunstitut an drei Sonntagen: am 22. Juni, am 29. Juni sowie am 6. Juli jeweils von 14 bis 17 Uhr. Damit nicht genug: Die Ausstellung wird auch 2026 im Museum Altes Land in Jork gezeigt. Außerdem werden die Altländer ihre Werke in Berlin ausstellen. Mehr unter: www.flunst.art

Geschichte einer Ausstellung: von der Idee zum Kunstwerk. Foto: Vasel
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