Zähl Pixel
Landkreis

TKüstenschutzkonferenz: Alle wollen mehr Tempo beim Deichbau an der Elbe

Landrat Kai Seefried, Minister Christian Meyer (Grüne), Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts, Bürgermeister Matthias Riel und Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke.

Landrat Kai Seefried, Minister Christian Meyer (Grüne), Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts, Bürgermeister Matthias Riel und Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke. Foto: Vasel

Der Klimawandel kommt, die Deiche müssen erhöht werden. Seit Jahren laufen die Planungen, doch der Deichbau lässt auf sich warten. Mit dem Schneckentempo soll Schluss sein, waren sich alle bei der Küstenschutzkonferenz einig. Doch es gibt Bremser.

author
Von Björn Vasel
Mittwoch, 17.01.2024, 05:50 Uhr

Landkreis. Allein im Kreis Stade müssen die Hauptdeiche an der Elbe auf einer Länge von fast 77 Kilometern um bis zu zwei Meter erhöht werden. Mehr als 575 Millionen Euro werden die Ertüchtigung der Deiche und der Neubau von sieben Sperrwerken den Steuerzahler voraussichtlich kosten. Doch bislang wird vor allem Papier bewegt. Ein Beispiel: In Jork-Hinterbrack laufen die Planungen bereits seit 2018. Eigentlich wollte Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts längst loslegen. Am Geld liegt es nicht. Naturschützer vom Nabu und das Umweltministerium selbst würden den Deichbau verzögern - durch ihre Forderungen nach Öko-Ausgleich.

Dieses Hindernis hatte die SPD/CDU-Koalition eigentlich vor der Wahl 2022 aus dem Weg geräumt - mit der Änderung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes. Rot-Schwarz wollte damit erreichen, dass der Deichbau privilegiert ist. Ähnlich wie in Hamburg und in Schleswig-Holstein dürften, nach Auffassung der Deichverbände, damit Biotope auf Deichen ohne Ausgleich für Erhöhungs- und für Unterhaltungsarbeiten zerstört werden. Küsten- und Menschenschutz sollten über dem Naturschutz stehen. Doch nach der Wahl kassierte das mittlerweile nicht mehr von dem Sozialdemokraten Olaf Lies, sondern von Christian Meyer (Grüne) geführte Ministerium die Änderung - über einen Erlass.

Oberdeichrichter setzen auf Ministerpräsident Weil

Demnach seien Maßnahmen zur Erhöhung der Deiche „nicht privilegiert“, heißt es in einer Vorgabe für den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Die Folge: In Hinterbrack muss der Deichverband jetzt 15 Hektar als Ausgleich nachweisen - statt 1,68 Hektar (für zusätzliche, noch nicht vom heutigen Deich beanspruchte Flächen). Das sei letztlich unsinnig, Biotop-Gräser würden auch auf dem neuen Deich wachsen.

Für Ulferts ist es „vollkommen unverständlich, warum ein Gesetz ausgehebelt wird“ und sich das Land Niedersachsen vom Nabu unter Druck setzen lasse. Umweltminister Meyer behauptete bei der Zukunftswerkstatt, diesen Erlass nicht zu kennen. Der Minister will diese Frage noch einmal hausintern prüfen. Er versprach aber, Geldquellen für Öko-Ausgleichsflächen zu erschließen. Bestenfalls würden diese auch Flüssen wie der Elbe mehr Raum geben.

„Wir werden notfalls Ministerpräsident Stephan Weil einschalten“, sagte der enttäuschte Oberdeichrichter nach der Veranstaltung dem TAGEBLATT. Ulferts hatte bei der Konferenz deutliche Kritik am Schneckentempo geübt - und auf die Sturmfluten von 1962 und 1976 verwiesen. Die Elbdeiche waren nach 1962 innerhalb von 14 Jahren erhöht worden, lediglich in Kehdingen waren die Deichbauer nicht fertig, als eine Sturmflut erneut Opfer forderte. Eine Bauzeit von 30 Jahren und mehr, wie sie jetzt drohe, sei für die Menschen hinter den Elbdeichen nicht akzeptabel, so auch der Jorker Bürgermeister Matthias Riel. Dem schloss sich auch Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke vom Deichverband Kehdingen-Oste an.

Deichbauer werden frühestens 2025 an der Elbe loslegen.

Deichbauer werden frühestens 2025 an der Elbe loslegen. Foto: Vasel

Deichbauverfahren sollen beschleunigt werden

Personelle und strukturelle Defizite müssten beseitigt werden. Sein Appell: Nicht an der Änderung des Naturschutzgesetzes rütteln - und geplante Deichbauten zum Schutz vor Sturmfluten und Binnenhochwassern generell privilegieren. Ähnlich wie beim LNG-Terminal sollen Planungs- und Vergabeverfahren entschlackt werden.

Rainer Carstens und Peter Schley vom NLWKN gaben einen Einblick in die laufende Planung. 85 Millionen Euro sollen ab 2025 im Jahr in den Küstenschutz fließen, aktuell sind es knapp 80 Millionen Euro. Das Land wolle den Bau neuer Klimaschutzdeiche und Sperrwerke bis 2050 prioritär vorantreiben.

Allein im Landkreis Stade müssten in den nächsten Jahren ungefähr 1,65 Millionen Kubikmeter Kleiboden und 1,26 Millionen Kubikmeter Sand bewegt werden - für den ersten Ausbau auf 19,2 Kilometern. Doch bei insgesamt 77 Kilometern liege der Gesamtbedarf bei 3,9 Millionen Kubikmeter Klei und 2,9 Millionen Kubikmeter Sand - fast 760.000 Lkw-Ladungen. In der II. Meile Alten Landes soll der Deichbau in Jork-Hinterbrack laut Schley von der NLWKN-Betriebsstelle Stade im Jahr 2025 starten, in der I. Meile könnte das Planfeststellungsverfahren für den Bereich Wetterndorf im Jahr 2026 eingeleitet werden. Und in Kehdingen-Oste? Auf Krautsand könnten die Deichbauer 2025/2026 anrücken, im Bereich Hullen könnte das Planfeststellungsverfahren 2025/2026 in die Wege geleitet werden.

Landrat Kai Seefried (CDU) hatte bei seiner Begrüßung erneut mehr Geschwindigkeit verlangt. In diesem Punkt war sich der Christdemokat auch mit dem Umweltminister einig.

„Die Klimakrise ist real“, sagte Meyer. Extremwetterereignisse wie Sturmfluten und Starkregen würden zunehmen, der Meeresspiegel steige. Meyer sieht sich als Deich- und Klimaschutzminister, die Mittelaufstockung um 20 Prozent auf 78,7 Millionen pro Jahr zeige, dass der Küstenschutz „in Niedersachsen höchste Priorität“ habe. Dass die Planung und die Umsetzung stockt, liege auch am (noch) fehlenden Personal. Er habe für 2024 eine Personalaufstockung um 18 Stellen beim NLWKN erreicht. Insgesamt werden in diesem Jahr 400 Mitarbeiter beim NLWKN im Bereich Hochwasser- und Küstenschutz arbeiten, bislang waren es 230.

Meyer (Grüne) will, dass Küstenschutz in Genehmigungsbehörden - ähnlich wie bei den LNG-Terminals - Vorfahrt hat. Er forderte einen parteiübergreifenden Pakt für Küsten- und Hochwasserschutz - inklusive mehr Kooperation über Landesgrenzen hinaus, etwa bei den Themen Schlick und Rückhaltung mit Hamburg und Schleswig-Holstein. Das hatten der Stader Landrat und Kreistag bereits mit einem Generalplan Elbe gefordert.

Weitere Artikel