TLand setzt Stint auf die Rote Liste - Elbfischer sah das Unheil kommen

Immer weniger Stint landet in den Netzen von Elbfischer Lothar Buckow. Foto: Vasel
Elbfischer Lothar Buckow hat immer wieder vor einem Zusammenbruch der Stint-Population in der Elbe gewarnt. Jetzt hat Niedersachsen den Fisch als stark gefährdet eingestuft. Buckow hofft auf eine Entschlickungskur. Ein Besuch an Bord seiner „Elise“.
Jork. Damit steht der seltene Stint auf der Roten Liste des Landes. Es hat den Wanderfisch in der Gefährdungskategorie 2 eingestuft. Die Experten gehen von einer „starken Abnahme“ aus, den Stempel „Vom Aussterben bedroht“ (Kategorie 1) gab es noch nicht.
Die Fischerei-Experten beim Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mahnen: Als Laich- und Aufwuchsgebiete für Larven und Jungfische sei die Elbe von herausragender Bedeutung, deshalb „besitzt das Land Niedersachsen eine besonders hohe Verantwortung für den Schutz und die Erhaltung der anadromen Populationen des Stints“.
Elbfischer Buckow denkt an die guten alten Zeiten
Dass die Fischart jetzt auf der Roten Liste steht, „wird dem Stint allein nicht helfen“, sagt Elbfischer Lothar Buckow aus Jork-Wisch, während er die Winde auf seinem Kutter „Elise“ anwirft. Gemeinsam mit seinem Decksmann Dirk Ostmeier erinnert sich der einzige Berufsfischer des Alten Landes an die guten alten Zeiten, vor dem schlagartigen Einbruch der Population in den Jahren 2014/2015.
Bis zu 50.000 Kilogramm landeten früher in den beiden Netzen seines Hamenkutters, nach dem Zusammenbruch der DDR hatte sich die Wasserqualität verbessert, die Stinte machten 98 Prozent des Fischbestands in der Elbe unterhalb von Hamburg aus. Heute fängt Buckow lediglich noch 2500 Kilogramm Stint im Jahr. Von der Fischerei allein könnte der Altländer längst nicht mehr leben, heute sichern das Fischfachgeschäft und das Bistro das Auskommen der Familie, sagt er.
Kinderstube der Stinte ist verschlickt
Buckow blickt in Richtung Gefängnis und Airbus-Werk. Er wird wehmütig. „Das Mühlenberger Loch, aber auch die Hahnöfer und die Lühesander Nebenelbe waren früher die Kinderstube der Stinte“, sagt der Altländer. Doch diese sei der Airbus-Erweiterung und der Elbvertiefungen von 1999 und 2019 zum Opfer gefallen. Schlick habe sich wie ein „Schleier des Todes“ über die sandigen Flachwasserbereiche gelegt.
Noch immer ziehen Stinte ab Februar zum Laichen den Fluss hinauf. Ihr Laich versinkt im Modder und erstickt. Selbst wenn Stinte ihre Eier erfolgreich ablegen, lauert der Sensemann in Form der Saugbagger.

Die beiden Netze hängen an den Baumen des Kutters Elise im Wasser der Hahnöfer Nebenelbe. Foto: Vasel
Durch die Kreislaufbaggerung und das Vertiefen und Verbreitern der Fahrrinne im Zuge der letzten Elbvertiefung kommt es im Elbästuar zu einer starken Trübung. Stintlarven verhungern, die Baby-Stinte können die Planktonnahrung nicht mehr sehen. Hinzu kommt: An den Kiemen der Stinte sitzen Schleimzellen, mit ihrer Hilfe werden Partikel abgeschleimt. Bei starker Trübung wird so viel Schleim produziert, dass die Kiemen dicht sind. „Die Stinte ersticken“, ergänzt Buckow. Die Sauerstofflöcher im Sommer täten ein Übriges.
Jetzt wird das 42 Meter lange Netz eingeholt. Vor dem Hieven hingen diese an zwei „Bäumen“ im Wasser. Die Strömung treibt die Stinte hinein. Auf der fast einen Kilometer breiten Hahnöfer Nebenelbe sperrt der Fischer 15 Meter ab. Es werde immer schwieriger, hier zu fischen. In einigen Bereichen sei diese um drei und mehr Meter in den vergangenen Jahren aufgeschlickt.

Der Stint ist eine Delikatesse. Stinte (Osmerus Eperlanus) leben im Nordatlantik und in der Ostsee. Zum Winter zieht der Fisch in Schwärmen in das Brackwasser der Flussmündungen. Dort passt sich der Fisch dem Süßwasser an, um zum Laichen stromaufwärts zu ziehen. Foto: Vasel
Die Berufsfischerei sehen viele Experten wie der Biologe Professor Dr. Ralf Thiel vom Zentrum für Naturkunde der Universität Hamburg nicht als Bedrohung für den Bestand. Das Problem sei das Fehlen der sandigen Flachwasserzonen, der Stint könne sich nicht mehr in ausreichender Zahl erfolgreich reproduzieren.
Diese Woche: Der beste Fang seit zwei Jahren
Es riecht nach frischer Gurke. Das ist der Duft der lachsartigen, silberglänzenden Stinte. Die Fischer reiben sich verwundert die Augen. „Das ist der beste Fang der letzten zwei Jahre“, sagt Buckow. Sechs Kisten werden sie heute füllen. Maximal eineinhalb Kisten hatten sie erwartet.

Dirk Ostmeier füllt die Kisten mit dem leckeren Stint. Foto: Vasel
Wegen des ausbleibenden Stints hat der Altländer die Belieferung der Gastronomie praktisch eingestellt: „Meine Stinte brauche ich selbst für unser Geschäft.“ Nach Stürmen und Schietwetter war es ruhig, deshalb trieben mehr Fische ins Netz. Zwei Meeräschen gehen wieder über Bord. „Gab es früher nicht“, sagt Buckow. Doch durch die Elbvertiefung habe sich die Brackwasserzone weiter elbaufwärts verschoben.
Die Männer heben die Kisten an Bord des Beibootes. 125 Kilogramm waren es heute. Auf der Fahrt zurück betont Buckow, wie wichtig der Stint für das Öko-System sei - als Leib- und Magenspeise für andere (Raub-) Fischarten - wie Meerforelle, Zander, Aal sowie auch Finte. Beim Ablegen hatte sich noch ein mächtiges Baggerschiff an Neßsand vorbeigeschoben. Buckow: „Wer den Stint retten will, muss die Kreislaufbaggerei stoppen und endlich den Schlick aus dem System entfernen.“

Der Fang wird an Land gebracht. Decksmann Dirk Ostmeier wartet auf den Fischer, der an Bord seiner "Elise" das Netz zurechtlegt. Foto: Vasel