TMit Smartphone und Mutter Flint durch Stade und Steinkirchen
Susanne Gratza, Frank Tinnemeyer und Ines Utecht zeigen Mutter Flint im historischen Hansehafen in Stade auf dem Smartphone, wie sie digital wieder zum Leben erweckt wurde (von links). Foto: Vasel
Mit Mutter Flint durch Stade und Steinkirchen oder mit Herzog Moritz durch das Buxtehude der Hexen-Prozesse. Die Touristiker setzen auf digitale Erlebnisse. Das ist der Stand.
Grünendeich. In der Alten Seefahrtschule in Grünendeich arbeiten Touristiker um Ines Utecht und Susanne Gratza vom Tourismusverband Landkreis Stade an der digitalen Erlebnisinszenierung - mit Audio, Video und Augmented Reality. Ihr Ziel: neue Besuchergruppen erschließen.
Analoge Tafeln entlang von Rad- und Wanderwegen, an historischen Bauwerken oder an Aussichtspunkten „reichen heute nicht mehr aus“, unterstreicht die Geschäftsführerin des Tourismusverbands, Ines Utecht. Hören und Sehen - das habe vor allem durch die steigende Nutzung von Smartphones nicht nur bei Jüngeren bei der Aufnahme von Wissen heute einen deutlich höheren Stellenwert als früher. Diese digitalen Trends wollen die Touristiker nicht verschlafen.
Emotional ansprechende Urlaubserlebnisse sind gefragt
Kurzum: Sie wollen den Touristen und Tagesausflüglern, aber auch Einheimischen völlig neue Wege eröffnen, die Sehenswürdigkeiten in der Region und die Kulturlandschaften interaktiv zu entdecken, Geschichte immersiv zu erleben oder auf eine Zeitreise zu gehen.
„Ob historische Stadtszenen oder überraschende Perspektiven auf Natur und Kultur. Das Projekt verspricht ein modernes und ein emotional ansprechendes Urlaubserlebnis“, sagt Susanne Gratza vom Projektmanagement „Zukunftsregion Moorregion Elbe-Weser“. Zu dieser haben sich die vier Landkreise Stade, Cuxhaven, Osterholz und Rotenburg/Wümme zusammengeschlossen und sechs Millionen Euro eingeworben. 1,6 Millionen fließen in das Digital-Projekt (2024 - 2027), davon 1,2 Millionen Euro in die Content-Erstellung von Audio-, Video-, AR-, und VR-Produkten.
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Mit Saint Elmo’s Tourism-Agentur für digitales Marketing und der gutundgut GmbH ist ein Konzept erstellt worden, nun folgen die Pilotprojekte. „Wir wollen im Landkreis Stade voraussichtlich 55 Sehenswürdigkeiten digital inszenieren", sagt Gratza. Der Ansatz: Gemeinsam mit einem Obstbauern, einem Torfstecher oder einem Hansekaufmann flanieren die Gäste durch die Region - vor Ort oder weltweit vom Sofa aus.
In Buxtehude ist Herzog Moritz von Sachsen-Lauenburg im Gespräch, der um 1580 als Playboy in Buxtehude lebte. Er liebte den Luxus, Mode und Frauen. Seine Geliebte wurde als Hexe verfolgt. Die Content-Erstellung für dessen Part wird ausgeschrieben.
Für das TAGEBLATT haben Ines Utecht und Susanne Gratza ihr Versuchslabor für digitale Erlebnisinszenierung im Alten Land verlassen und sich mit Frank Tinnemeyer von Stade Marketing und Tourismus in Stade getroffen.
Touristiker holen Mutter Flint zurück ins Leben
Die drei wollen Mutter Flint mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) wieder auferstehen lassen. „Beim Spaziergang durch die Stader Altstadt erzählt Mutter Flint in audiovisuellen Sequenzen von ihrem bewegten Leben und lässt gleichzeitig die Geschichte der Stadt lebendig werden“, so Utecht. Augmented Reality (AR) mache das möglich.
AR erweitert die reale Welt um computergestützte Inhalte wie 3D-Modelle, historische und aktuelle Bilder oder Videos, anstatt sie wie bei Virtual Reality (VR) vollständig zu ersetzen. Dabei werden digitale Informationen in Echtzeit über das Live-Bild einer Kamera auf Smartphones, Tablets oder in Datenbrillen eingeblendet.

Digitale Erlebnisinszenierung: Mutter Flint als Bronzestatue und als KI-generierte Wiedergeburt. Foto: Vasel
Die Idee: Touristen halten ihre Handykamera an der Bronzestatue vor einen QR-Code. Mit Margarethe Flint flanieren sie durch den Hafen. „Die Kulisse verwandelt sich in einen Handelsplatz voller Segelschiffe, Lagerhäuser und Kaufleute und lässt so die Hansezeit lebendig werden“, sagt Tinnemeyer. Dann geht die Zeitreise weiter.
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Mutter Flint, im Jahr 1861 im Alten Land in Steinkirchen als Tochter eines Fischers geboren, berichtet von ihrem harten Leben. Ab 1883 lebt sie Stade, sich und ihr unehliches Kind ernährt sie als Schneiderin. Sie heiratet drei Mal, zuletzt den Zimmermann Ludwig Flint. Sechs Kinder bringt sie zur Welt. Auch sie leben die meiste Zeit im Stader Armenhaus.
Das Fischgeschäft eröffnet das Ehepaar erst im Jahr 1906 in der Poststraße 16. Margarethe Flint regelt den Verkauf auf dem Pferdemarkt. Hier hatte sie bis 1949 einen Stand. In einem Kinderwagen transportiert sie die Fische - vorwiegend Stint, aber auch Aal. Im Jahr 1952 stirbt sie - fast 91-jährig. Der Weg führt die Besucher weiter bis ins Johanniskloster, seit dem 17. Jahrhundert das zentrale Armenhaus und Altersheim der Stadt Stade.

Herzog Moritz aus Buxtehude und Mutter Flint aus Stade. Foto: Tourismusverband/KI
„Im nächsten Projektschritt wählen wir gemeinsam mit unseren touristischen Partnern die Orte im gesamten Landkreis aus, an denen weitere digitale Erlebnisse umgesetzt werden“, erklärt Ines Utecht. Vorgesehen sind dabei sowohl Audio- und Videoinhalte als auch spielerische Formate (Gamification) wie Rätsel. In dieselben Planungen gehen auch die anderen drei Landkreise. 175 Points of Interest - also interessante Orte - sind in Planung.
Urlaub mit Mutter Flint ab 2027/2028 möglich
Die beteiligen Landkreise Cuxhaven, Osterholz, Rotenburg und Stade übernehmen laut Verband eine Vorreiterrolle im Norden. Insbesondere in einer ländlich geprägten Region wie dem Alten Land am Elbstrom sei die Verbindung von Tradition und Digitalisierung ein wichtiger Standortvorteil.
Ein Digitaler Assistent (KI Chatbot) in ein weiterer Baustein; er gibt Ausflugstipps. Utecht: „Mit dem digitalen Ausbau touristischer Angebote wird nicht nur das Besuchserlebnis gesteigert, sondern auch die Attraktivität der Region langfristig gesichert.“ Umsetzung: bis 2027/2028.

Susanne Gratza, Frank Tinnemeyer und Ines Utecht zeigen Mutter Flint im historischen Hansehafen in Stade auf dem Smartphone, wie sie digital wieder zum Leben erweckt wurde (von links). Foto: Vasel
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