TMorgens um acht beim Bierbrauen in Sauensiek - 20 Sorten im Angebot

Zum Wohl auf den selbst gebrauten Gerstensaft: Yeison Ramirez (links) und Nikolaus Klindworth gönnen sich ein helles Blondes aus Sauensiek. Foto: Laudien
Bierbrauen hat eine lange Tradition, die in Sauensiek gepflegt wird. Das aktuelle Lieblingsbier lernte der Brauer bei einem Ausflug mit dem Motorroller kennen.
Sauensiek. Die meisten Menschen starten mit Kaffee oder Tee in den Tag - und nicht mit Bier. Anders in Sauensiek. Hier haben Nikolaus Klindworth und Mitarbeiter Yeison Ramirez bereits morgens um 8 Uhr nur Bier im Kopf. In der hauseigenen Brauerei von Klindworths Gasthof wollen sie „Belgisch Blond“ brauen. „Wir möchten mit dem Brauen fertig sein, bevor der Betrieb in der Gastwirtschaft beginnt“, sagt Klindworth.
Yeison Ramirez startet per Knopfdruck die Heizung am Braukessel im Sauensieker Gasthof. Wasser plätschert hörbar in den Kupferkessel. Nun schaltet Ramirez das Rührwerk dazu. Er schüttet Malzschrot hinein und erhitzt es mit Wasser auf bis zu 68 Grad. Beim sogenannten Maischen wandeln die natürlichen Enzyme an den Malzkörnern die wasserunlösliche Stärke des Getreides in löslichen Malzzucker um. 250 Liter fasst der große Braukessel auf der Diele des Gasthofs in Sauensiek.
Quereinsteiger investiert sechsstelligen Betrag
„Bei einem Motorroller-Treffen in Belgien bin ich auf diesen besonderen Geschmack gekommen“, sagt der leidenschaftliche Roller-Sammler und -Fahrer. Belgisch Blond werde immer beliebter. Die Gäste fragen gezielt danach.
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Vor einigen Jahren ließ Nikolaus Klindworth die Familientradition des Bierbrauens wieder aufleben und erfüllte sich mit der kleinen Brauerei in Sauensiek einen Traum. Der gelernte Koch und Hotelkaufmann und seine Lebensgefährtin Christina Köller-Meyer, die gemeinsam den Gasthof mit Festsaal, Hotel und Brauerei leiten, erlernten als Quereinsteiger in Schulungen die Wissenschaft des Brauens und investierten einen sechsstelligen Betrag in die benötigte Technik.
Zurück zu den Wurzeln der Bierbrauer
Während des Brauvorgangs im großen Kupferkessel bleibt Zeit für die Geschichte des Bierbrauens. Neuesten Erkenntnissen zufolge soll Bier älter als 9000 Jahre sein, jedenfalls deuten Funde in China darauf hin. Bei der Familie Klindworth in Sauensiek gibt es Hinweise, dass hier bereits um 1800 Bier gebraut wurde, erklärt Nikolaus Klindworth.
Der Gastronom führt in dritter Generation nicht nur die Familientradition weiter - sondern auch die Braukunst, die in Sauensiek laut Überlieferung bereits in früher Vergangenheit praktiziert worden sein soll. Zumindest belegen dieses einige alte Dokumente mit Eintragungen von Berufsbezeichnungen mit Bierbrauern in Stammbüchern. Auch der einstige Landvermesser Carl Friedrich Gauß (1777-1855), der unter anderem Landvermessungen auf dem Litberg durchführte, soll das selbst gebraute Bier aus Sauensiek lobend erwähnt haben.

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser: Yeison Ramirez hat die Leitungen zum kupfernen Braukessel im Blick. Foto: Laudien
Die Idee zum Bierbrauen kam Nikolaus Klindworth allerdings erst durch begeisterte Erzählungen eines Kollegen, der bereits unter die Bierbrauer gegangen war. 2006 investierte Klindworth in eine eigene Brauanlage und konnte nach einer Schulung in Österreich 2007 erstmals selbst gebrautes Bier in Sauensiek herstellen.
Mit hellem Pils fing er an und kam immer mehr auf den Bier-Geschmack. „Ich habe mich da reingefuchst“, sagt der Sauensieker - und meint damit die Wissenschaft der hohen Braukunst.
Koriandersaat für die besondere Würze
Schroten, maischen, läutern, kochen, klären und kühlen: Fünf Prozessschritte braucht es, um das Bier zu brauen. Vier Hauptbestandteile benötigt ein Bier: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. „Spezialmalze bringen Vollmundigkeit und den Farbton. Koriandersaat gibt unserem Belgisch Blond die besondere Würze“, sagt Klindworth. In den nächsten zwei Stunden kontrollieren er und sein Mitarbeiter immer wieder die Temperatur und werfen kritische Blicke von oben in den Braukessel. Doch süffiges Bier ist noch lange nicht in Sicht.

Moderne Technik trifft auf versierte Braukunst: Nikolas Klindworth kontrolliert im Keller des Hauses den Brauvorgang. Foto: Laudien
Erst Stunden später wird die Würze in die Sudpfanne gepumpt und durch Kochen sterilisiert, erklärt Klindworth den weiteren Prozess. Währenddessen wird Hopfen hinzugegeben, denn dessen feine Bitterstoffe werden erst beim Kochen aktiviert, so der Fachmann. Im Würzekühler wird die heiße Würze heruntergekühlt. Dann folgt der spannendste Prozess: Im Gärtank folgt die Zugabe von Hefe, die die Würze von gelöstem Malzzucker in Alkohol und Kohlensäure umwandelt.

Dunkles Malz gibt dem Bier Farbe, Aroma und eine würzige Note. Foto: Laudien
Die Hauptgärung dauere etwa sieben Tage, die Nachgärung und Reifung, mit Kaltlagerung, etwa zwei bis drei Wochen, erklärt Klindworth. Das Bier wird vor der Gärung gespindelt, also der Zuckergehalt und die Stammwürze festgestellt.
Bürokratie-Irrsinn beim Bierbrauen
„Das ist wichtig für den Zoll“, erklärt Klindworth. Denn einmal im Monat muss er eine Biersteuererklärung abgeben. Die Kosten für die Biersteuer belaufen sich auf rund 1000 Euro im Jahr. „Die Bürokratie ist der totale Wahnsinn“, sagt Klindworth. Dennoch macht ihm das Bierbrauen großen Spaß und er freut sich, wenn sein Bier den Genießern schmeckt. Das Sauensieker Bier wird später in Fässer, aber auch in Flaschen abgefüllt - ebenfalls eine aufwendige Prozedur, da in Sauensiek noch per Hand abgefüllt wird.

Beliebte Sonderedition: das Naturbadbier - ein Blonde Ale. Foto: Laudien
Bier gehört zu den Lieblingsgetränken der Deutschen. Das hat sogar die UNESCO gewürdigt und das deutsche Brauhandwerk zum immateriellen Kulturgut erklärt. Lange Zeit war die Zahl der Brauereien in Deutschland gewachsen, auch durch die Trendwelle kleiner Craftbier-Brauereien. Doch seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der deutschen Brauereien gesunken. In der letzten Zeit wurden laut Deutschem Brauer-Bund mehr als 90 Brauereien geschlossen.
Uriges Etikett mit Keilerkopf
Dass Klindworth die Kunst des Bierbrauens inzwischen sehr gut beherrscht, bestätigt vor allem die Beliebtheit seiner Biere. Besonders begehrt sind auch Sorten zu besonderen Anlässen wie Weihnachtsbier, das Erntebier oder Kreationen wie das Naturbadbier - und das Belgisch Blond.
20 verschiedene Biersorten vom Maibock bis zum beliebten Keiler-Bier werden über das Jahr in Sauensiek gebraut.

Rund 20 verschiedene Biersorten werden in Sauensiek gebraut. Foto: Laudien
Die abgefüllten 0,5-Liter-Bierflaschen mit Bügelverschluss gibt es inzwischen nicht nur in Sauensiek bei Klindworths Gasthof, sondern auch im Hurtig-Markt an der Hauptstraße in Sauensiek, bei Bäcker Schrader in Apensen und bei Rewe Gierke, Eckdahl in Buxtehude. Das Etikett ist urig: Ein Keilerkopf ziert die Flasche - in Handarbeit aufgeklebt.
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