TPremiere: Agrar-Roboter fährt durch Obstplantage im Alten Land

Vorführung auf dem Obsthof Schliecker in Jork-Gehrden: Ein AgXeed-Obst-Roboter fährt, wie von Geisterhand gesteuert, autonom durch die Plantage. Foto: Vasel
Agrar-Robotern gehört die Zukunft. Die neue Technik soll bei wiederkehrenden Arbeiten die Kosten senken und die Betriebe im Wettbewerb stärken. Doch es gibt noch einige bürokratische Hürden.
Jork. In der Industrie und in der Logistik gehören autonome Fahrzeuge längst zum Alltagsbild. Im Hamburger Hafen transportieren automatisierte, batterieelektrische Transporter die Container. Nach den Ackerbauern gehen jetzt auch die Obstbauern an den Start.
„Agrarrobotik ist ein großer Wachstumsmarkt“, sagt Vertriebsleiter Malte Höner vom Start-up AgXeed. Auf einer Plantage des Obsthofs Schliecker in Jork-Gehrden hat das niederländische Unternehmen seinen Obstbau-Roboter vorgestellt. Es sucht Leuchtturmbetriebe für die Markteinführung im Alten Land.

Auf dem Obsthof der Familie in Jork-Gehrden diskutieren Hannes, Harry und Steffen Schliecker mit den Obst-Roboter-Experten. Foto: Vasel
Wie von Geisterhand gesteuert, fährt der Agrar-Roboter durch die Apfelplantage. Sein Name ist nicht so klangvoll wie der von R2-D2 aus „Star Wars“. Trotzdem verfolgen die Obstbauern am Freitag fasziniert in der Kälte, wie AgBot 2.055W3 auf drei Rädern mit 13 km/h durch die Reihen fährt.
Vor der Premiere im Alten Land haben Software-Experten der Partnerfirma Agravis die Fläche eingemessen und einen digitalen Zwilling erzeugt - inklusive eines „virtuellen Zaunes“. Dann kann der Roboter starten. Selbstständig fährt AgBot 2.055W3 mit dem Mulcher los. Satellitengestützt hält der Roboter die Spur.
Sensoren sorgen für Sicherheit beim Einsatz
Laser-, Radar- und Ultraschallsensoren sorgen für Sicherheit und ausreichend Abstand zu den Bäumen. Zusätzlich sorgen berührungsempfindliche Bumper (Stoßstangen) sowie Warnakustik und Warnlampen für Sicherheit. Alarmmeldungen landen umgehend in der Robo-App des Bauern.

Unaufhörlich fährt das autonome Fahrzeug durch die Reihen. Foto: Vasel
Das dieselelektrische autonome Obstbaufahrzeug hat keinen Platz mehr für einen Fahrer. Der Mensch kann noch mit einer Fernbedienung eingreifen. Doch was kann AgBot überhaupt? Spritzen, mulchen, mechanische Unkrautbekämpfung oder schneiden - nur nicht Äpfel pflücken.
„Wir sind seit zwei Jahren raus aus dem Prototypenstatus“, sagt Lasse Clausen von Agravis. Zur Philosophie des Herstellers gehöre es, dass die Obstbauern vorhandene Anbaugeräte weiter nutzen können. Das 2,6 Tonnen schwere Dreirad sei bodenschonend und tauglich für die Marsch.
In den Niederlanden laufen bereits einige Fahrzeuge - unter anderem auf einem Obsthof bei Antwerpen. Dort arbeitet ein Obstbauer auf seinem 35 Hektar großen Betrieb bereits seit drei Jahren mit der Technik, sagt Hendrik Hol vom Pflanzenschutzgerätehersteller HSS. Der Mitteltank sitzt auf dem Dreirad. Der Niederländer liefert das Pflanzenschutzgerät, das hinten an den Roboter montiert werden kann.

Auch ein Pflanzenschutzgerät kann montiert werden. Foto: Vasel
Auch das ist Hightech: Sensoren des Sprühgerätes erkennen die Lücken im Laub, die Düsen schalten automatisch ab. Die Mittel werden „gezielt auf Frucht oder Blatt appliziert“, sagt Hol. Das alles reduziere Mitteleinsatz und senke Kosten.
Automatisierung als Antwort auf steigende Arbeitskosten
Es ist nicht nur die Technologiebegeisterung, die Obstbauern antreibt. Die 500 Familienbetriebe an der Niederelbe haben ein Problem: Die Produktionskosten steigen stetig, bei den Löhnen ebenso wie bei Technik, Mitteln und Energie - bei fast konstanten Erzeugerpreisen.
Der Faktor Arbeit macht beim Apfel etwa 40 Prozent der Kosten aus, so der stellvertretende Leiter des Obstbauzentrums Esteburg, Dr. Matthias Görgens. Die Arbeitskosten seien seit 2015 um 66 Prozent gestiegen. Kosten für Pflanzenschutzmittel und Energie hätten sich um bis zu 45 Prozent verteuert. Hinzu kommt: Auch im Obstbau gibt es einen Fachkräftemangel. Und die Höfe wachsen.

Entwickelt für intelligente, autonome Anwendungen wie Spritzen, Hacken oder Mulchen in Dauerkulturen. Foto: Vasel
Steffen Schliecker hat für die Meisterschule folgende Rechnung aufgemacht: 290.000 Euro kostet der Roboter mit Spritze. Bei 800 Stunden im Jahr und einer Laufzeit von 12 Jahren schlägt AgBot 2.055W3 mit 62 Euro pro Arbeitsstunde zu Buche. Mensch und Schlepper kämen auf knapp 85 Euro.
Er und seine Brüder Hannes und Harry gehen davon aus, dass die Agrarrobotik in wenigen Jahren zum Alltag im Alten Land gehören wird. Diese spare Zeit und Geld und stärke die Betriebe im Wettbewerb. Stichwort Pflanzenschutz: Die Obstbauern aus der Integrierten Produktion (IP) müssen 20 bis 25 Mal applizieren, Bio-Obstbauern 30 bis zu 35 Mal. Doch das alles rechnet sich nur, wenn die Maschine multifunktional ist. Lieferzeit: zwei Monate.

Der Obst-Roboter verfügt über einen eingebauten Tank für Pflanzenschutzmittel und Wasser. Foto: Vasel
Doch es gibt noch rechtliche Hindernisse, sagt Esteburg-Technikexperte Jens-Peter Ralfs. Mulchen ist kein Problem. Doch beim Einsatz des Pflanzenschutzgerätes gibt es noch Hürden. Das HSS-Gerät werde eine Abdriftminderung von 90 Prozent haben, so Hol. Damit kann es im Sondergebiet Altes Land eingesetzt werden. Der Stempel unter dem Zertifikat folge im Mai.
Doch es gibt eine weitere Hürde: Nur Menschen mit Sachkundenachweis dürfen Pflanzenschutz machen. Doch eine autonome Maschine ist kein Mensch. In NRW soll die Hürde bald fallen. Auch in Niedersachsen laufen Gespräche, so Esteburg-Leiter Dr. Karsten Klopp. Paradox: In den Niederlanden läuft das alles schon, doch die Zulassung unterliegt nicht EU- sondern nationalem Recht. Verordnungen müssen angepasst werden. Öffentliche Straßen bleiben tabu für die Obst-Roboter.

Notfalls kann der Obstbauer mit einer Fernbedienung einschreiten. Foto: Vasel