TSchulbau-Debakel in Hollern: Kein Ausweg, dafür scharfe Kritik

So sieht der neue Entwurf für die Grundschule Hollern des Architektencontors Agather Bielenberg Oschkinat aus Hamburg aus. Foto: Architektencontor
Eigentlich wollte Schulleiterin Tina Reiß bereits Ende 2026 in der neuen Grundschule in Hollern loslegen. Pustekuchen. Selbst eine Übergabe im Spätsommer 2027 ist fraglich.
Jork. Dass der Neu- und Umbau der Appelsnut Grundschool in Hollern aufgrund von Problemen mit der Statik sowie dem Brand- und Schallschutz von Politik und Verwaltung auf Eis gelegt werden musste, „ist eine sehr unerfreuliche Sache“. Das unterstrich Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke (parteilos) gleich zu Beginn der außerplanmäßg einberufenen Sitzung des Bauausschusses.
Architekt verweist auf entsorgte Bauakten
Der Samtgemeindeausschuss hatte das Verfahren am 19. Mai gestoppt. Architekt Peter Oschkinat betonte, dass der 1969/1970 errichtete und 1993 umgebaute Mittelbau baulich einen „guten Eindruck“ auf ihn gemacht habe.
In den ersten Unterlagen war laut Architekt im August 2023 noch von einer Deckendicke von 16 Zentimetern die Rede. Die Zahl war in einem Bauantrag von 1993 festgehalten worden.
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Diese Angaben hätten sie nicht in Zweifel gezogen. Ohnehin sollten im Zuge des Umbaus lediglich leichte Trennwände - wie vor 22 Jahren - eingezogen werden. Kurzum: Bei der Bauteilöffnung im Januar 2024 lag der Fokus auf den Wänden.
Im Zuge der Planung habe sich sein Büro auf die Suche nach den Statikunterlagen gemacht, doch diese waren weder im Stader Kreishaus noch im Rathaus in Steinkirchen archiviert worden. Auch die früheren Fachbüros hätten alle Akten entsorgt.
Nach Planungsstopp
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Im November 2024 sei der Bauantrag in Stade eingereicht worden. Der Prüfstatiker habe damals wegen der fehlenden Altstatik bestimmt: keine zusätzlichen Lasten und keine neuen Deckendurchbrüche. Die Entwurfsplanung wurde angepasst.
Im März 2025 kam es zu weiteren Bauteilöffnungen im Bereich der Decke. Das Resultat: Die Decken waren lediglich fünf Zentimeter dick und nicht 16 Zentimeter, wie angenommen. Oschkinat fand heraus, dass die Schule nicht in Massivbauweise, sondern mit Beton-Fertigbauteilen aus einem Buxtehuder Werk errichtet worden war.

Blick auf den Erweiterungsbau für acht Schulklassen (links) und den Neubau im Mittelteil der Grundschule in Hollern. Foto: Architektencontor
Die Vorlage für das serielle Bauen hatte der Schweizer Architekt und Unternehmer Fritz Stucky mit seinem Variel-Modulbausystem geliefert. Doch auch in Zug und Zürich seien sie nicht fündig geworden. Lediglich in Arnsberg fand das Architektencontor Agather Bielenberg Oschkinat aus Hamburg noch Unterlagen über einen Modulbau.
Nach der Auswertung habe er sofort das Rathaus informiert, so Oschkinat. Die heutigen Standards für Tragfähigkeit sowie Brand- und Trittschallschutz seien in Hollern bei Sohle und Decke nicht zu gewährleisten.
Für den Architekten gab es deshalb lediglich eine Option: Total-Abriss des Mittelbaus und ein Neubau mit gleichem oder verändertem Grundriss auf neuer oder ergänzter Pfahlgründung. Und das alles auf Grundlage des Raumprogramms und des pädagogischen Konzepts für den Ganztag, der ab dem Schuljahr 2026/2027 verbindlich ist.
Erhebliche Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen drohen
Das allerdings bedeute „eine erhebliche Kostensteigerung“ und „eine terminliche Verschiebung“. Seine letzte Kostenschätzung lagt bei circa 14,8 Millionen Euro für den Schulbau und die Sanierung der Sporthalle. Oschkinat rechnet mit Mehrkosten von knapp 1,9 Millionen Euro - inklusive der Rechnungen für seine zusätzlichen Planungsleistungen.
Sollten die Politiker bis Ende Juni das neue Konzept absegnen, könnte die neue Ganztagsschule am 27. Juli 2027 an die Samtgemeinde Lühe übergeben werden - gut sieben Monate später als bislang geplant. Doch Oschkinats Zeitplan ist bereits Makulatur.

Auch die Sporthalle (links) in Hollern wird saniert. Foto: Architektencontor
Die Fraktionen wollen sich nicht drängen lassen, sie sehen Beratungsbedarf. Marco Hartlef (CDU) und Ricardo Schmorl (FWGL) übten in der Sitzung scharfe Kritik, die Schuldfrage blieb offen. Als Fachmann hätte Oschkinat die Statik früher prüfen müssen. Schmorl sprach von einem „Versäumnis“. Er und Sonja Zinke (CDU) brachten einen Komplettneubau ins Spiel. Es müsse geprüft werden, was jetzt wirtschaftlicher für die Kommune sei. Die Politik ließ Schulleiterin Tina Reiß und ihre Kollegin ratlos zurück.
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Wann, ob und wie es in Hollern weitergeht, blieb am Dienstagabend offen. Bürgermeister Gerke hatte auf einen informellen Arbeitsauftrag und Terminabsprachen für Sondersitzungen in den Ferien gehofft. Vergeblich.
Gerke warb für eine Vergabe von Bau und Außenanlagen an einen Generalunternehmer, um weitere Kostensteigerungen zu vermeiden. Bei der Sitzung des Samtgemeinderates am Mittwoch, 25. Juni, 19 Uhr, steht die Schule nicht auf der Tagesordnung.
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