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Kommunalpolitik

TZoff im Rat: Jorker streiten über Klimaschutzkonzept

CDU und BVJ vermissen unter anderem ein Agri- und Freiflächen-Photovoltaik-Konzept im Klimaschutzkonzept der Samtgemeinden Lühe und Horneburg sowie der Gemeinde Jork.

CDU und BVJ vermissen unter anderem ein Agri- und Freiflächen-Photovoltaik-Konzept im Klimaschutzkonzept der Samtgemeinden Lühe und Horneburg sowie der Gemeinde Jork. Foto: Vasel

SPD und Grüne sprechen von einer Blamage, der Bürgermeister ist enttäuscht: Überraschend hat der Jorker Rat das Klimaschutzkonzept nicht beschlossen. Das sind die Gründe.

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Von Björn Vasel
Dienstag, 17.12.2024, 14:55 Uhr

Jork. Die Grünen und die Sozialdemokraten sind sauer auf die CDU und den Bürgerverein Jork. Der Grund: Die beiden großen Fraktionen haben - unterstützt von der FDP - mit ihrer Mehrheit durchgesetzt, dass das neue Klimaschutzkonzept der Klimaschutzregion Altes Land und Horneburg lediglich „zur Kenntnis“ genommen wird. Für die Fraktionsvorsitzenden, Michael Eble (CDU) und Partho Banerjea (BVJ), ist es „kein brauchbares und schlüssiges Konzept“.

Liberale unterstützen CDU und Bürgerverein

FDP-Chef Peter Rolker schloss sich der Kritik an. Er verwies auf „fragwürdige“ Berechnungsmethoden, regionale Daten fielen unter den Tisch. Der Obstbauer nannte ein Beispiel: In die CO2-Bilanz sei nicht eingegangen, dass allein die Obstbäume im Erwerbsobstbau im Alten Land weitaus mehr als 100.000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr binden. Zum Vergleich: 211.000 Tonnen Kohlendioxid pustet die Region laut Klimaschutzkonzept (rein rechnerisch) im Jahr in die Atmosphäre.

CDU und BVJ fehlte außerdem eine Verknüpfung des 106 Seiten starken Klimaschutzkonzeptes mit dem Gutachten („Fachbeitrag“) des Landkreises Stade zum Thema Freiflächen- und Agri-Photovoltaik- sowie Windkraftanlagen im Alten Land. Des Weiteren vermissten die großen Fraktionen ein Bekenntnis zum Individualverkehr.

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und Carsharing-Angebote wie der Dorfstromer würden auch in Zukunft auf dem Land keine wesentliche Rolle spielen können. Und Solarstrom werde auf absehbare Zeit nicht den lokalen Strombedarf decken können. Die Einspeisung und die Speicherung seien offene Fragen. Auch sei der Obstbau noch lange Zeit auf den Diesel angewiesen, Elektro-Schlepper seien noch nicht praxisreif.

Rot-Grün spricht von einer Blamage für die Gemeinde

CDU und BVJ torpedierten mit ihrer Entscheidung den Klimaschutz in der Gemeinde Jork, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Gunther Müller, bei der Ratssitzung in der Altländer Festhalle. Mit dem Beschluss habe sich die Gemeinde Jork in der Klimaschutzregion „nicht nur isoliert, sondern auch blamiert“. Die Samtgemeinden Lühe und Horneburg hätten dem Konzept zugestimmt.

SPD und Grüne kritisierten den Kurswechsel. Alle Fraktionen hätten sich im September im Fachausschuss noch einstimmig hinter das im August vorgelegte Konzept gestellt, Kritikpunkte hätten im Zuge der einjährigen Fortschreibungsphase aufgenommen werden können. Mit 18.000 Euro hatte Jork ein Drittel der Kosten übernommen. Partho Banerjea (BVJ) betonte, dass jeder Ratsherr das Recht habe, seine Meinung zu ändern.

Geheime Abstimmung über Klimaschutz

Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Christian Au, sieht die Idee der Klimaschutzregion nachhaltig geschwächt: „Sie hat Schaden genommen.“ Rot-Grün warb vor der geheimen Abstimmung vergeblich um ein Einlenken von BVJ und CDU. Der Rat nahm das Klimaschutzkonzept mit 18:10 schließlich lediglich zur Kenntnis.

Abstimmung über das Klimaschutzkonzept: CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Eble wirft seinen Stimmzettel in der Festhalle in Jork in die Urne.

Abstimmung über das Klimaschutzkonzept: CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Eble wirft seinen Stimmzettel in der Festhalle in Jork in die Urne. Foto: Vasel

Banerjea und Eble betonten, dass der Klimaschutz weiterhin auf ihrer Agenda stehe, auf das Konzept könne „im Einzelfall“ zurückgegriffen werden. Ob sie sich für eine erneute Überarbeitung aussprechen, ließen beide offen.

Dr. Andreas Bockstedte und Kathleen Schlüsselburg bei der öffentlichen Auszählung.

Dr. Andreas Bockstedte und Kathleen Schlüsselburg bei der öffentlichen Auszählung. Foto: Vasel

Welche konkreten Bausteine die CDU und der BVJ aus dem Konzept umsetzen wollen, das wollten die Fraktionsvorsitzenden auf Nachfrage von Anja Tiedemann (Grüne) noch nicht beantworten. Die interkommunale Zusammenarbeit in der Klimaschutzregion und die Mitgliedschaften in den Bürgerenergiegenossenschaften Buxtehude und Altes Land/Horneburg wurde nicht infrage gestellt.

Bürgermeister zeigt sich „enttäuscht“

„Ich bin enttäuscht“, sagte Bürgermeister Matthias Riel (parteilos). Er appellierte an die Ratsmitglieder, in Zukunft ihre Kritik nicht erst am Ende eines Prozesses zu äußern. Er bedauerte das Votum. Immerhin seien sich beide Lager einig, das Konzept mit seinem Maßnahmenkatalog - rechtlich betrachtet lediglich eine Steckbrief-Sammlung mit Handlungsvorschlägen - als Baukasten zu nutzen. Der Rat hat ohnehin immer das letzte Wort.

Mehr Infos unter: www.klimaschutz-altesland-horneburg.de.

Klimaschutzmaßnahmen im Haushalt einstimmig abgesegnet

Unabhängig von der Entscheidung: Mehrheitlich segnete der Rat die Klimaschutzmaßnahmen für 2025 im Haushalt ab. Der Schwerpunkt liegt auf der energetischen Sanierung und Energieeinsparung. Kommunale Wärmeplanung, Radwegekonzept, Wall-Box, Umrüstung der Heizungsanlage in der Sporthalle am Wetternweg, LED-Beleuchtung in der Sporthalle und Fassadensanierung am Schulzentrum Jork und einiges mehr - das alles lässt sich die Gemeinde im kommenden Jahr mehr als 1,3 Millionen Euro inklusive Förderung kosten. Außerdem wird 2025 folgend das Kanalnetz ertüchtigt - im Grunde eine Klimawandel-Anpassungsmaßnahme.

Die Sporthalle erhält nach der energetischen Sanierung von Dach und Fassade im Inneren eine LED-Beleuchtung.

Die Sporthalle erhält nach der energetischen Sanierung von Dach und Fassade im Inneren eine LED-Beleuchtung. Foto: Vasel

Neue Pumpwerke sollen verhindern, dass Keller im Bereich Morellenweg/Struckweg, Höftrute und Lindenstraße/Pappelweg bei Starkregen volllaufen. Kosten: 1,56 Millionen Euro.

Bürgermeister Matthias Riel (parteilos, von links) und seine beiden ehrenamtlichen Stellvertreter: Alfred Behnke (BVJ) und Michael Eble (CDU), Behnke ist der Nachfolger von Partho Banerjea vom Bürgerverein Jork (BVJ).

Bürgermeister Matthias Riel (parteilos, von links) und seine beiden ehrenamtlichen Stellvertreter: Alfred Behnke (BVJ) und Michael Eble (CDU), Behnke ist der Nachfolger von Partho Banerjea vom Bürgerverein Jork (BVJ). Foto: Vasel

Einstimmig wurde der Vorsitzende des Finanzausschusses, Alfred Behnke (BVJ), zum ehrenamtlichen stellvertretenden Bürgermeister mit 21 Stimmen gewählt - bei acht Enthaltungen aus Reihen von Grünen und FDP. Partho Banerjea (BVJ) hatte das Ehrenamt aus privaten Gründen aufgegeben.

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