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T1,4 Millionen Euro für Krummendeich: Wie das Dorf von EU-Förderung profitiert

Bürgermeisterin Christiane von der Decken (CDU) und Ratsherr Mario Hointza (SPD) freuen sich auf den neuen Wohnmobilstellplatz im Ort.

Bürgermeisterin Christiane von der Decken (CDU) und Ratsherr Mario Hointza (SPD) freuen sich auf den neuen Wohnmobilstellplatz im Ort. Foto: Helfferich

Krummendeich zählt nur 482 Einwohner und ist seit Jahren klamm. Dennoch wurde in die Gemeinde in den vergangenen Jahren viel EU-Geld investiert. Ein Spaziergang durchs Dorf.

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Von Susanne Helfferich
Sonntag, 09.06.2024, 16:50 Uhr

Krummendeich. Christiane von der Decken (CDU) ist gerne Bürgermeisterin von Krummendeich. Mit strahlenden Augen erzählt sie, was sich in den vergangenen Jahren in der kleinen Gemeinde getan hat: Der Gehweg durchs ganze Dorf ist schier, nostalgische Laternen säumen die Ortsdurchfahrt, der Parkplatz an der Kuhle, wie das Naturfreibad in Krummendeich genannt wird, ist neu. Und direkt nebenan nimmt der neue Wohnmobilstellplatz allmählich Formen an. Dem Ort muss es gut gehen, denken Besucher womöglich - und vielleicht sogar die Einheimischen.

Der Gehweg entlang der Ortsdurchfahrt wurde mit Dorfentwicklungsgeldern saniert.

Der Gehweg entlang der Ortsdurchfahrt wurde mit Dorfentwicklungsgeldern saniert. Foto: Helfferich

Das täuscht. Als Christiane von der Decken im November 2011 als Politik-Neuling das Bürgermeisteramt übernahm, war ihr nicht bewusst, welch schweres Erbe sie antrat. „In den ersten fünf Jahren konnten wir nichts machen“, erinnert sie sich beim Spaziergang durchs Dorf, „mit leeren Kassen kannst du ja nichts verändern.“

Fehlende Steuereinnahmen führen fast zum Stillstand

Sie und SPD-Fraktionsvorsitzender Mario Hointza starten beim Parkplatz am Naturfreibad. Schon 2011 zeichnete sich ab, dass die laufenden Ausgaben bei fehlenden Einnahmen die finanzielle Rücklage von damals fast 300.000 Euro innerhalb weniger Jahre auffressen würden. Grund: Der Gemeinde fehlen Gewerbesteuereinnahmen.


Dennoch gab es Wünsche und Pläne, etwa für diesen damals tristen Platz. Er sollte mit Mitteln des Förderprogramms „Kleine Städte und Gemeinden“ aufgehübscht werden. Doch ein Drittel hätte die Gemeinde selbst aufbringen müssen - undenkbar. Auch der Gehweg im Ort, heute mit schönem roten Stein durchgehend gepflastert, musste dringend saniert werden. Risse und Kanten machten ihn zu einem Gefahrenpunkt. Es benötigte ein paar Jahre und einige Kunstgriffe, diese Projekte umzusetzen.

Neu gestaltet mit EU-Geldern: der Park- und Begegnungsplatz am Naturfreibad.

Neu gestaltet mit EU-Geldern: der Park- und Begegnungsplatz am Naturfreibad. Foto: Helfferich

2015 schloss sich Krummendeich als Verbundgemeinde der Dorfentwicklung dem Nachbardorf Oederquart an, was die Aufnahme in das Förderprogramm erheblich beschleunigte. Die Samtgemeinde übernahm als Träger des Naturfreibades die Regie und teilte sich den Eigenanteil mit der Gemeinde. 503.209 Euro kostete die Neugestaltung, Sanierung und Beleuchtung. 289.747 Euro flossen vom Amt für regionale Landesentwicklung.


Der Gehweg, dessen Instandhaltung Gemeindeaufgabe ist, konnte über die Dorfentwicklung abgewickelt werden, weil damit zwei Begegnungsplätze - Parkplatz an der Kuhle sowie Freizeitanlage - miteinander verbunden werden konnten (Kosten: 650.430 Euro, Förderung: 391.760 Euro). Hinzu kamen rund 75 Straßenlampen, die den Weg noch sicherer machten (Kosten: 219.000 Euro, Förderung: 134.950 Euro).

Wohnmobilstellplatz soll sich selbst tragen

Nur wenige Meter von der Kuhle entfernt liegt die nächste Baustelle: Für die Umgestaltung des Wohnmobilplatzes mit 16 Stellplätzen und sechs Plätzen für Tiny Häuser erhielt die Gemeinde die höchste Förderstufe von 90 Prozent: 488.000 Euro fließen aus dem Dorferneuerungstopf, allerdings stehen die Endkosten noch nicht fest.

„Viele Leute sagten: Ihr seid ja verrückt“, erzählt Christiane von der Decken, „aber welche Möglichkeit hatten wir denn? Mit Stillstand untergehen, weil immer mehr Leute wegziehen, oder die Attraktivität des Ortes steigern?“ Der Gemeinderat nutzte die Chancen der Dorfentwicklung, die aus EU-Mitteln gespeist wird. Der Zuzug in den Corona-Jahren gab ihm recht. „Im Nachhinein haben wir alles richtig gemacht“, sagt Hointza.

Privatleute nutzten Zuschüsse für Reetdacherhaltung

Beide, von der Decken und Hointza, loben die gute Beratung durch Lienhard Varoga vom Amt für regionale Landesentwicklung (ArL). Die Samtgemeinde kofinanzierte als Träger außerdem den barrierefreien Umbau des Naturfreibades (Kosten: 184.270 Euro, Förderung: 63.000 Euro) und die Sanierung der Krummendeicher Kindertagesstätte (Kosten: 108.670 Euro, Förderung: 33.419 Euro).

Zu den Investitionen in die kommunalen Einrichtungen sind rund 360.000 Euro in private Maßnahmen geflossen, die das Ortsbild Krummendeichs prägen. Sie wurden zu 30 Prozent aus dem Dorfentwicklungstopf bezuschusst. So hat die Journalistin und Autorin Renate Hücking die Dächer ihrer beiden Reetdachhäuser neu decken lassen. Und sie ist nicht die Einzige: Insgesamt fünf dieser kleinen Katen am Elbdeich sind oder werden erneuert.

Eines der schmucken Reetdachhäuser am alten Deich, deren Dächer mit Mitteln der Dorfentwicklung neu gedeckt wurden.

Eines der schmucken Reetdachhäuser am alten Deich, deren Dächer mit Mitteln der Dorfentwicklung neu gedeckt wurden. Foto: Helfferich

Den meisten Einwohnern sei nicht klar, „wie stark wir von den EU-Programmen profitieren“, sagt Mario Hointza. Von der Decken stimmt zu: „Ohne diese Gelder könnten wir weiter vor uns hinträumen, ohne dass etwas passiert.“ Der lange Arm Europas reiche bis nach Nordkehdingen und mache es lebenswert. Mit Blick auf den 9. Juni sagt die Bürgermeisterin: „Es ist also sinnvoll, zur Europawahl zu gehen.“

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