T150 Jahre Stader Wochenmarkt: Was den Beschickern derzeit Sorgen macht

Regional, frisch und persönlich - dafür steht der Stader Wochenmarkt. Foto: Stehr
Viele Märkte schwächeln - der Stader gehört nicht dazu. Doch die Standbetreiber stehen vor Herausforderungen. Welche das sind und worauf sich Besucher freuen können.
Stade. Die Zeiten, in denen Interessierte auf dem Stader Pferdemarkt noch echte Pferde kaufen konnten, sind lange vorbei. Heute bieten hier mehr als 20 Marktbeschicker eine reiche Auswahl an größtenteils regionalen Produkten an. Von Obst und Gemüse über Fisch, Fleisch und Käse bis zu Gewürzen, Süßigkeiten, Nudeln, Nüssen und Blumen - bei Wind und Wetter, jeden Mittwoch und Samstag von 8 bis 13.30 Uhr.
Mit einem Tempo-Dreirad fing es bei Stachels an
Einer von ihnen ist Reiner Stachel von der gleichnamigen Gärtnerei aus Stade. In dritter Generation verkauft er Blumen, Pflanzen, Kräuter und Co. auf dem Wochenmarkt und betreibt damit den dienstältesten Stand. Sein Großvater fing 1952 mit einem Tempo-Dreirad mit kleiner Ladefläche an, der Vater stand lange mit VW-Bus und Tapeziertisch am Sande.

Reiner Stachel verkauft bereits in dritter Generation Blumen und Co. aus der eigenen Gärtnerei. Foto: Stehr
„Der Markt macht die Innenstadt lebendig und ist ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt“, sagt Stachel, der auch Vorstandsmitglied des Stader Wochenmarkt-Vereins ist, zu dem fast alle Beschicker gehören. Gegründet wurde der Verein vor rund 20 Jahren, weil sich die Beschicker geschlossen gegen Pläne der Stadt wehren wollten, was schließlich auch gelang. Damals sollte durchgesetzt werden, dass alle Stände - ähnlich wie auf dem Viktualienmarkt in München - einheitlich aussehen.
Die Vorteile: Frisch, regional und unverpackt
Ebenfalls schon lange auf dem Wochenmarkt dabei ist der Stand von Familie Köser aus Stade-Abbenfleth. Hier gibt es seit 40 Jahren Äpfel, Birnen und Zwetschen aus eigenem Anbau. „Vor allem alte Sorten sind gefragt, weil die meistens besser von Allergikern vertragen werden“, sagt Verkäuferin Maren von Ass.

Maren von Ass (links) und Brigitte Haack verkaufen Obst am Stand von Familie Köser aus Stade-Abbenfleth. Foto: Stehr
Bei ihr hat Carina Wiebalck gerade ein paar Elstar-Äpfel gekauft. Sie geht gerne und regelmäßig auf den Markt, weil die Waren hier frisch, regional und unverpackt sind, sagt die Staderin. Außerdem trifft sie sich immer mittwochs oder samstags mit ihrer Freundin auf einen Kaffee in der Stadt.

Carina Wiebalck trifft sich regelmäßig mit einer Freundin auf dem Wochenmarkt. Foto: Stehr
So wie viele andere Tagesmütter auch, geht Kathrin Stehrenberg gern mit einem Krippenwagen voller Kinder über den Markt. Die Kleinen freuen sich, weil sie hier meistens etwas geschenkt bekommen. Zum Beispiel Weintrauben zum Naschen von Ariane Hauschildt (Obstbau Stechmann aus Guderhandviertel).

Tagesmutter Kathrin Stehrenberg kommt regelmäßig mit Kindern auf den Markt. Foto: Stehr
Vor drei Jahren haben Hauschildt und ihre Schwester Britta Stechmann sich entschieden, in die Direktvermarktung zu gehen und verkaufen seitdem auf drei Märkten in der Region. „Eine gute Entscheidung“, sagt Hauschild, die mit 29 Jahren zu den jüngsten Beschickern gehört. Sie genieße den direkten Austausch mit den Menschen und freue sich über die zusätzliche Einnahmequelle neben der reinen Obst-Produktion.

Ariane Hauschildt vom Obsthof Stechmann verkauft seit drei Jahren frische Produkte auf dem Wochenmarkt. Foto: Stehr
Bei Stechmann gibt es neben Obst und Gemüse aus eigener Ernte unter anderem auch exotische Südfrüchte sowie Mais aus Königreich - ab 10 Euro Einkaufswert können Kunden auch mit Karte zahlen. Dass die große Gurke aus Glückstadt mehr als 2 Euro kostet, stört die meisten Kunden nicht, weil diese immer mehr auf Regionalität und Qualität setzen. „Vor allem wenn es um Saisonware geht, ist der Wochenmarkt auch gar nicht immer teurer als der Supermarkt“, betont Ariane Hauschildt.
Das große Problem: Nachfolger zu finden
Im Vorstand des Vereins setzt sie sich gemeinsam mit den anderen für eine sichere Zukunft und einen weiter attraktiven Wochenmarkt ein. Viele Standbetreiber hätten inzwischen Probleme, Nachfolger zu finden, sagt Hauschild, die an den Markttagen spätestens um 5.15 Uhr anfängt, aufzubauen. Die Zeiten, in denen es eine Warteliste für Beschicker gab, seien längst vorbei. Dass es in Stade immer noch einen so vielfältigen Markt gebe, sei keine Selbstverständlichkeit.

Benita Büther unterstützt gern die regionalen Erzeuger und kauft am liebsten Hähnchenfleisch und frisches Obst. Foto: Stehr

Olga Gammer arbeitet in der Stadt und kauft gern Fleisch und Brot auf dem Markt. Foto: Stehr
Damit das auch so bleibt, wünscht sich der Verein von der Stadt unter anderem eine Einbindung in die Planungen zur Umgestaltung des Pferdemarktes. Die Marktgemeinschaft kämpft auch für weniger Verlegetage. Wenn nämlich eine andere Veranstaltung in der Stadt stattfindet, müssen die Stände auf die Busverkehrsfläche ausweichen. Die Folge seien Umsatzeinbußen.
Kritik der Beschicker: Zu wenig Toiletten
Problematisch für die Beschicker sei auch die Toilettensituation, so Hauschildt. Das öffentliche Klo am neuen Parkhaus öffne erst um 10 Uhr. Und die Toiletten am Sande seien weit weg und auch nicht immer sauber.

Der Stader Wochenmarkt am Pferdemarkt im Jahr 1930. Foto: Stadtarchiv Stade Fotosammlung Rihsé
Die Beschicker, die eine eigene Homepage haben und in sozialen Medien präsent sind, fänden auch mehr Werbung in der Stadt gut. So wüssten Touristen im Zweifel gar nicht, dass es einen so schönen Wochenmarkt gibt. Kein Schild weist bisher darauf hin.
Immerhin: Mit Unterstützung der Stade Marketing und Tourismus GmbH und der Sparkasse Stade-Altes Land sind Schilder in Arbeit. Bisher sei aber erst eines von der Stadt genehmigt worden, so Hauschildt. „Das reicht natürlich nicht.“
150 Jahre Wochenmarkt - das wird gefeiert
Das Wochenmarkt-Jubiläum zum 150-jährigen Bestehen wollen die Marktbeschicker in Kooperation mit Stade Marketing am Mittwoch und Samstag, 16. und 19. Oktober, feiern und laden dazu ein. Neben besonderen Angeboten an den Ständen gibt es ein Rätselspiel, bei dem die Teilnehmenden Einkaufsgutscheine im Wert von 50 Euro gewinnen können. Für Kinder wird eine Hüpfburg aufgebaut, es findet eine Mal-Aktion statt und die Feuerwehr kommt mit einem Löschfahrzeug vorbei.
Geschichte des Markts begann viel früher
Auch wenn jetzt das 150-jährige Wochenmarkt-Jubiläum gefeiert wird - eigentlich ist der Markt schon bedeutend älter. Denn bereits die erste, seit dem Ende des 8. Jahrhunderts angelegte Siedlung dürfte regen Marktverkehr gekannt haben, heißt es im Stader Stadtlexikon. Im Jahr 1038 verlieh dann Kaiser Konrad II. den Bremer Erzbischöfen das offizielle Recht, in Stade einen Markt zu errichten.
Wo dieser aber genau stattfand - ob am Sand oder um die St.-Wilhadi-Kirche - konnte bisher nicht ermittelt werden. Feste Plätze, auf denen bestimmte Waren angeboten werden duften, gibt es seit 1605. Am Fischmarkt und an der Hude-Brücke waren das Hühner, Eier, Fische und andere Lebensmittel, Obst gab es beim St.-Johannis-Kloster und Vieh auf dem Pferdemarkt.

Blick auf den Stader Wochenmarkt entlang des Zeughauses 1953. Foto: Stadtarchiv Stade Fotosammlung Rihsé
Immer wieder erfolglos verboten wurde der sogenannte Vorverkauf. Dabei wurden Waren bereits vor den Stadtmauern aufgekauft, um dann zu überhöhten Preisen auf dem Markt verkauft zu werden. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurden dann bestimmte Markttage für die Wochenmärkte festgelegt. Auf dem Pferdemarkt gab es damals Getreide, Holz, Torf, Kartoffeln und Vieh zu kaufen, auf dem Fischmarkt Fisch, Wild und Geflügel.

1957 waren Wochenmarktstände unter den Linden am Sande aufgebaut. Foto: Stadtarchiv Stade Nachlass Schlichtmann
Seit 1874 ist die Stadt offizielle Betreiberin des Marktes. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde erst 1924 der Markt auf dem Pferdemarkt wieder aufgenommen. 1926/1927 wurde das Zeughaus zur Markthalle umgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand der Markt jahrzehntelang am Rand des Sands statt, ehe er wieder auf den Pferdemarkt zurückkehrte.