T60 bis 70 Windparks: Landrat im Stader Nachbarkreis frohlockt
Die Landräte Marco Prietz (Rotenburg) und Kai Seefried (Stade) setzen auf eine enge Zusammenarbeit ihrer Häuser. Foto: Beneke/Landkreis Stade
Rotenburgs Landrat Marco Prietz hat große Pläne für Energie, Autofahrer, Schulen. Im Jahresgespräch streift er die große Politik. Aus Berlin und Hannover höre er Versprechungen, während die Kreise zu „staatlichen Resterampen“ verkommen.
Landkreis Rotenburg. Das Land hat den kurz vor Weihnachten vom Kreistag beschlossenen Haushalt des Kreises dieser Tage genehmigt. Der Landrat und seine Kollegen in den 20 Ämtern der Kreisverwaltung machen sich an die Umsetzung der Beschlüsse. Und das sind allerhand, schließlich investiert der Kreis so viel Geld wie nie - in Bildung, Glasfaserkabel, die Digitalisierung, Gesundheitsversorgung, Bitumen.
Prietz hebt im Pressegespräch hervor, dass der Kreis bis Ende 2025 rund 90 Millionen Euro in den Neubau von Gymnasium und Berufsschule Bremervörde investiert haben wird. Der Teilneubau des Rotenburger Gymnasiums ist mit rund 28 Millionen Euro veranschlagt und weitere 10 Millionen fließen in den „Zevener Bildungsweg“, also die gemeinsame Oberstufe von Gauß-Gesamtschule und Kivinan-Bildungszentrum.
Parallel dazu beginnt das bis 2035 laufende Mammutprojekt Bachmann-Museum Bremervörde. Für die Lagerung der rund 70.000 Exponate ist der Bau eines Depots in Nachbarschaft des Museums ins Auge gefasst.
Auf den Kreisstraßen ist auch 2024 Geduld gefragt
Des Autofahrers Nerven dürften in diesem Jahr etwa 40 Maßnahmen strapazieren. Fast 64 Millionen Euro wenden Land und Kreis auf, um Kreisstraßen zu sanieren und auszubauen. So denn der Förderbescheid rechtzeitig eingeht, ist in diesem Jahr der Neubau von Teilabschnitten der Ortsdurchfahrten in Ostereistedt und Rockstedt sowie der Bau von Radwegen zwischen Selsingen und Ohrel sowie Dipshorn Richtung Otterstedt geplant.
In Aussicht haben Kreisverwaltung und Kreistag, dass bis April die gesetzlichen Grundlagen für den Ausbau der Windkraft geschaffen sind. Vor einem Jahr hatte die Landesregierung dem Kreis aufgegeben, vier Prozent der Kreisfläche als Vorranggebiet für Windenergienutzung auszuweisen. Das kommt einer Vervierfachung der Fläche auf rund 8300 Hektar gleich.
Auf Grundlage einer neuen Studie des Landesverbandes Erneuerbare Energien ist es an dieser Stelle der Landrat, der sich zu einer Verheißung hinreißen lässt: 60 bis 70 neue Windparks bescherten dem Kreis und den Gemeinden „enorme Einnahmen“. Doch bis das erste Windrad steht und der erste Cent fließt, dürfte das Jahr 2027 geschrieben werden. Schließlich ist das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) zu novellieren.
Im Mai werde dem Kreistag ein Kartenentwurf mit potenziellen Windparkarealen vorgestellt, kündigt Prietz an. Im Juni könnte der Kreistag einen Beschluss fassen. Dann geht die Karte auf Reisen. Prietz erwartet bis zu 1000 Stellungnahmen, die in der Kreisverwaltung eine nach der anderen abzuarbeiten sind. Rund ein Jahr dürfte das in Anspruch nehmen. Soviel zum Thema „Windkraftturbo“, den Energieminister Christian Meyer vor etwa einem Jahr gezündet sah.
Kolumbianer, Syrer und Türken ersuchen um Asyl
Eine Dauerherausforderung stellt die Zuweisung und Integration von Flüchtlingen dar. Seit Oktober 2023 sind dem Kreis 434 Schutzsuchende zugewiesen worden, die der Kreis auf die dreizehn Samt- und Einheitsgemeinden verteilt hat. Laut Prietz handelt es sich dabei vor allem um Kolumbianer, Syrer und Türken. Die offene Quote beträgt derzeit 773 Personen bis März. Doch sie dürfte schwer ausgeschöpft werden, da aktuell wöchentlich rund 20 Geflüchtete in den Landkreis kommen.
Besonderes Augenmerk legt das Jobcenter des Kreises darauf, ukrainische Kriegsflüchtlinge in Arbeit zu bringen. Bislang liegt die Beschäftigungsquote bei rund 20 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger. Deren Anteil zu erhöhen, gestaltet sich laut Landrat als schwierig, weil sich die Betreuung der Kinder und die Anerkennung von Berufsabschlüssen als problematisch erweisen.
Mit Blick auf die Zahl der in Deutschland Asylsuchenden bewertet Prietz die angekündigte Einführung einer Bezahlkarte, die die Auszahlung von Bargeld ersetzen soll, als „gute Maßnahme“ - wenn das System nicht als Flickenteppich endet.
Hoffnungen setzt er in die erste kreisweite Ausbildungsmesse Mitte September in Zeven. Zu der zweitägigen Veranstaltung laden das Jobcenter und 120 Ausbildungsbetriebe sämtliche Schüler der höheren Jahrgänge ein.
Auf die Zukunft ausgerichtet ist auch ein internes Vorhaben, das der Landrat als „zentral“ für die Arbeit der Kreisverwaltung bezeichnet: die vollständige Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens. Prietz will den Zustand überwunden sehen, dass Aktenordner zwischen den beteiligten Ämtern von Büro zu Büro weitergereicht werden. Ende des Jahres soll die neue Zeit anbrechen.
Damit große Datenmengen auch aus der Diaspora des Kreises im Nu digital übertragen werden können, stecken Bund, Land, Kreis und Gemeinden bis 2027 fast 107 Millionen Euro in die Beseitigung der sogenannten grauen Flecken. Will heißen, 20.000 Gebäude in unterversorgten Gebieten bekommen einen Glasfaseranschluss.