T600 Jahre Tradition: Was diesen Adel mit dem Kreis Stade verbindet

Seit fast 900 Jahren ist das Uradelsgeschlecht in der Region nachweisbar. Ute und Clemens von Marschalck mit den Töchtern Ella, Kirsten und Isabel sind die jüngste Generation. Foto: Markus Buck
Im Ferienpark Geesthof in Hechthausen sind Pferde das Aushängeschild. Dahinter stecken die Freiherren Marschalck v. Bachtenbrock. Die Adelsfamilie hat eine besondere Geschichte.
Hechthausen. „Uns gab‘s nie ohne Pferde“, ruft Clemens Freiherr Marschalck v. Bachtenbrock, als er am frühen Morgen das Tor zur Koppel öffnet und zehn Rösser ausgelassen in Richtung Deichwiesen galoppieren.
Noch liegen Nebelschwaden über der weiten Landschaft am Rand der Oste. Bald werden erste Sonnenstrahlen die Schleier der kühlen Nacht vertreiben.
„Hüter der Koppel“
„Die Pferde lieben diesen morgendlichen Moment“, sagt Clemens v. Marschalck, dessen Familienname zugleich Programm ist. Denn das Wort Marschalck leitet sich etymologisch von der althochdeutschen „marah“, also der Mähre, und seinem Diener, dem „scalc“ ab.
Bezeichnet wurden so Hüter einer Koppel oder auch die Pferdeverantwortlichen eines Herrschers. Und davon hat Clemens v. Marschalck einige im Stammbaum.
1142 erstmals mit Johann v. Bachtenbrock und dessen Sohn Sibode Marschalck urkundlich genannt, hatte der jeweils Älteste des Geschlechts seit spätestens 1435 das Hofamt des Erbmarschalls im Erzbistum Bremen, später im Herzogtum Bremen inne und führte den Zusatz „von Marschalck“.
„Der Erzbischof regierte damals von Bremervörde aus und das lag nur knapp eine Pferdestunde von den hiesigen Weiden entfernt“, erklärt Clemens v. Marschalck.
Benachbarte Stammsitze
Drei kleine Orte in unmittelbarer Nähe spielen für die Geschichte des bremischen Uradelsgeschlechts eine Rolle: Kranenburg als erster ehemaliger Wohnsitz der Familie mit einer Burganlage, die unter General Tilly im Dreißigjährigen Krieg zerstört und später geschleift wurde, sowie Klint, am gegenüberliegenden Ufer der Oste, das einstige Vorwerk der Burg.
Früher stand hier Schloss Geesthof, entstanden 1869 durch Erweiterung von Vorgängerbauten aus der Hand eines italienischen Architekten.
Der aber unterschätzte die nordischen Wetterverhältnisse fundamental, so dass Schloss Geesthof bereits 1895 derart von Hausschwamm durchzogen war, dass man es abreißen musste.
Rittergut Hutloh als Familiensitz
Die Familie nutzt seither den dritten historischen Familiensitz, das Anfang des 19. Jahrhunderts entstandene und um 1900 umgebaute Rittergut Hutloh in Hechthausen.

Rittergut Hutloh entstand Anfang des 19. Jahrhunderts und ist heute Familiensitz. Auch für andere Familien nimmt die gemeinsame Zukunft hier einen Anfang - das Haus steht als Nebenstelle des Standesamtes auch für Trauungen zur Verfügung. Foto: Gundula Gäntgen
Dort leben heute Clemens Freiherr Marschalck v. Bachtenbrock und seine Frau Ute mit ihren Kindern. Bis auf gelegentliche Besuche von Hochzeitsgästen, einer ihrer Salons ist Außenstelle des örtlichen Standesamtes, kommt die Familie hier zur Ruhe.
Denn drei Kilometer weiter tobt auf dem ehemaligen Gelände von Schloss Geesthof in ihrem „Ferienpark Geesthof“ ganzjährig das Leben.
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Auch Senior Hubertus Freiherr Marschalck v. Bachtenbrock ist noch gelegentlich für dieses Großprojekt tätig, das er zu Beginn der 1970er-Jahre neben der bestehenden Landwirtschaft ins Leben rief.
Auf 25 Hektar am Rande der Oste schuf er einen Naherholungswohnpark mit angeschlossenem Reiterhof.

Nicht nur Stellplätze für Camper hat der Ferienpark im Angebot - auch karelische Blockhäuser. Foto: Hechthausen
Jahr für Jahr entstanden vor allem in den 1990er-Jahren immer neue Holzhäuser und Stellplätze für Campingwagen auf dem birkengesäumten Gelände. 2006 übernahmen Ute und Clemens v. Marschalck den Ferienpark.
Vom Arztkittel zur Arbeitshose
Dabei war der Berufsweg beider zunächst ein vollkommen anderer. Die geborene Hannoveranerin Ute v. Marschalck hatte nach dem Studium in Göttingen als promovierte Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis im nahen Horneburg gearbeitet, Clemens sein Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen.
„Ich habe allerdings schon während des Praktischen Jahrs festgestellt, dass der Klinikalltag eher nichts für mich ist“, sagt er. Eine Zeit, die er teilweise als Arzt in einer New Yorker Klinik verbrachte - und dadurch Zeuge der Auswirkungen des schrecklichen Attentats auf das World Trade Center am 11. September 2001 wurde.
Damals half er unmittelbar, Überlebende medizinisch und psychisch zu betreuen. „Auch das war sicherlich Anlass für mich darüber nachzudenken, wo genau es im Leben eigentlich hingehen sollte.
Ich verspürte zunehmend den Ruf der Heimat. Klar war das auch Verpflichtung. Aber eine, die Ute und ich letztendlich gerne gemeinsam angenommen haben.“
Ferienpark und Weihnachtsbäume
Nach der Übernahme brachten beide schnell eine eigene Note in den Betrieb ein. Kerngeschäft sind heute der Weihnachtsbaumverkauf und der Ferienpark. Ihm angeschlossen sind ein großer See im ehemaligen Sandabbaugebiet, ein kleines Schwimmbad für trübere Tage und zwei große Reithallen. 20 Pferde sind hier im Einsatz. Der „Ferienpark mit Reitschule“ zieht vor allem Familien aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen an.

Ausritte durch die idyllische Geest-Landschaft um Hechthausen sind auf den Pferden des Geesthof-Reitstalls möglich. Zu den Pferden hat die Familie von Marschalck eine besondere Beziehung. Foto: Gundula Gäntgen
Manchmal kommt Besuch aus den Niederlanden oder Dänemark. Die Preise der Unterkünfte rangieren von 70 Euro pro Nacht für ein kleines Chalet im Winter bis hin zu 265 Euro für ein großes Sommerhaus. Etwa 370 Gäste können v. Marschalcks bei sich unterbringen. „Wir sind damit einer der größten Betriebe dieser Art in Deutschland“, sagt Clemens v. Marschalck.

Die Schwedenhäuser am ehemaligen Baggersee auf dem Geesthof in Hechthausen-Klint sind bei Familien beliebt. Foto: Gundula Gäntgen GIG
2016 haben er und seine Frau zehn große Ferienhäuser an den ehemaligen Baggersee bauen lassen, die bis zu acht Personen Platz bieten und über eigene Saunen verfügen. „Die kommen bei den Familien großartig an, weil sie durch Aussehen und Lage ein wenig Bullerbü-Charme ausstrahlen“, sagt Ute v. Marschalck.
Breit aufgestellt in Sachen Energie
Alle Häuser sind ganzjährig bewohnbar. Wärmepumpen für die Schwedenhäuser und eine Hackschnitzelanlage für die Energieversorgung der Betriebsgebäude, Photovoltaik auf allen Stallgebäuden und ein konstant verbesserter dynamischer Stromverbrauch sorgen für eine nachhaltige Energiebilanz.
Das Restaurant „Raubritter“ befindet sich in einem ehemaligen Pferdestall und ist mit einfacher aber von den Parkgästen geschätzter Speisekarte von Ostern bis Oktober geöffnet. 60 Festangestellte und saisonale Honorarkräfte beschäftigen Marschalcks über das Jahr, mindestens.
„Glücklicherweise haben wir ein gutes Team, was auch unsere Gäste zu schätzen wissen“, sagt Ute v. Marschalck.
Püttenhüpper auf Oste-Tour
Viele ihrer Angebote für die Gäste verlangen nach verantwortungsvollen Arbeitskräften. So wie der „Püttenhüpper“, ein Flachboot, das im Sommer Gästegruppen zur Vogelbeobachtung in die „Pütten“ fährt, die großen Wassergebiete im Land zwischen den Deichen.
Wer mag, kann bei Marschalcks auch einen Angelschein für die Hausgewässer erwerben, um anschließend im großen See vielleicht aus Versehen einen der scherzhaft „Stefan-Aust-Störe“ genannten Störe zu fangen - und gleich wieder freizulassen.
Als die urtümlichen Knochenfische im See des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs und Nachbarn zu groß wurden, fragte der kurzerhand an, ob nicht im Marschalck’schen See noch Platz sei.
„Es war Platz und Stefan Aust brachte eine Ladung Störe mit dem Lkw vorbei“, lacht Clemens v. Marschalck und ergänzt: „Die Fischart war übrigens bis 1900 auch in der Oste zu finden und passt daher sehr gut hierher. Durch Überfischung und die Verschmutzung des Flusses war sie lange Zeit nahezu ausgerottet.“
Dank der besseren Wasserqualität des Flusses und verschiedener Wiederansiedlungsprojekte schwimmen heute nicht nur im Marschalck‘schen See, sondern auch in der Oste wieder Störe.
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