T885 Kilometer: Wie ein Student ein mentales Tief hinter sich ließ
Christian Saathoff wandert lieber durch die Berge als durch den flachen Norden. Foto: Privat
885 Kilometer ist der Bremerhavener Student Christian Saathoff bis nach München gewandert. Wie der junge Mann Selbstverwirklichung, Studium und den guten Zweck unter einen Hut bringt.
Bremerhaven. Irgendwo zwischen Corona-Lockdown und Abi-Stress hat es Christian Saathoff den Boden unter den Füßen weggezogen. „Ich hatte ziemlich dunkle Gedanken und wollte nur noch schlafen“, erzählt der mittlerweile 21-jährige Auricher, der derzeit an der Hochschule Bremerhaven studiert.
Corona-Pandemie hat bei vielen Jugendlichen ihre Spuren hinterlassen
Die Trennung von den Altersgenossen in der Pandemie hatte ihm wohl stärker zugesetzt, als ihm selbst bewusst war. Die Rückkehr an die Schule bedeutete erneuten Stress.
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Manche Jugendliche mussten sich erst wieder an die vielen sozialen Kontakte gewöhnen. Laut einigen Studien ist die Zahl der Schüler mit psychischen Problemen mit der Pandemie um fünf Prozentpunkte auf 20 Prozent angestiegen.
Doch so verkopft ist Christian Saathoff das Thema damals noch nicht angegangen. „Nach dem Abi brauchte ich dringend ein Abenteuer“, erzählt er. Und so fuhr er gemeinsam mit einem Kumpel mit dem Mofa bis nach Barcelona. Ein Road-Trip, um den Kopf freizubekommen. Für Christian Saathoff hat das funktioniert.
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Erst später hat er seine damaligen Probleme bewusst aufgearbeitet und das Thema entdeckt, das ihn bis heute umtreibt: mentale Gesundheit. „Es ist wichtig, dass man auf sich achtgibt“, sagt Christian Saathoff.

Christian Saathoff bei seiner Wanderung durch Deutschland. Foto: Privat
Was kann man für seine mentale Gesundheit tun?
Wichtig für ihn vor allem: ein gutes Umfeld und mindestens eine Person, der man alles anvertrauen kann. „Das ist für mich meine Mutter“, sagt er. Sport könne eine wichtige Rolle spielen, um abzuschalten und die körpereigenen Belohnungssysteme zu aktivieren.
Für andere Menschen wiederum stehe Kunst in all ihren Ausprägungen im Mittelpunkt. Eine gesunde Lebensweise inklusive ausreichend Schlaf gehört auch dazu. Unterm Strich stehen weniger Stress und mehr Achtsamkeit.

885 Kilometer legte der Bremerhavener Student Christian Saathoff auf seiner Wanderung nach München zurück. Foto: Privat
Doch für Christian Saathoff ist das Thema mentale Gesundheit in der Gesellschaft immer noch ein wenig in der Nische oder ist im schlimmsten Fall sogar schambehaftet und stigmatisiert.
Und so überlegte er sich ein neues Abenteuer, mit dem er gleichzeitig für mehr Offenheit im Umgang mit mentaler Gesundheit gerade bei Jugendlichen werben und das er in sein Studium „Gründung, Innovation, Führung“ (GIF) integrieren konnte.
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Die Wanderung für mentale Gesundheit als Hochschulprojekt
Denn der Studiengang lässt nicht nur ausreichend Freiraum für eigene Unternehmensgründungen, sondern auch für das eine oder andere Projekt. Dabei werden auch verrückt anmutende Ideen durchaus auf Vermarktbarkeit und mediale Verwertbarkeit abgeklopft.
Und so entstand die Idee, in den Semesterferien einmal quer durch Deutschland zu wandern. Das Ziel: mehr Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit inklusive medialer Berichterstattung und eine Spendensammlung für eine entsprechende Initiative.
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Schließlich wanderte Christian Saathoff im September in 22 Etappen 885 Kilometer von Bremerhaven bis nach München. Etwa 100 Kilometer mehr als der klassische Jakobsweg in Nordspanien. Macht im Schnitt ziemlich genau 40 Kilometer am Tag. „Meine längste Strecke waren 52 Kilometer an einem Tag, weil ich mich verlaufen hatte“, sagt er.
Trotz leichtem Gepäck mit gerade drei T-Shirts und zwei Hosen bedeutet die Wanderung einiges an Organisation. So brauchte er Sponsoren wie die Krankenkasse AOK für sein Projekt. Dazu suchte er Hotels auf der Strecke, die ihn mit einer kostenlosen Übernachtung unterstützen würden.
Mediale Reichweite für das Thema mentale Gesundheit
Für die mediale Begleitung verabredete er sich unterwegs mit Journalisten, die über seine Vorhaben berichten wollten. Auch die NORDSEE-ZEITUNG kündigte seine Wanderung an. Außerdem nahm er für seinen Instagram-Kanal christian_saathoff12 im Internet selbst immer wieder Videos auf, während er von seiner Wanderung erzählte. Auch nach seiner Wanderung spricht er noch mit verschiedenen Medien. Demnächst hat er noch einen Fernsehauftritt.
Start war für Christian Saathoff Ende August am Theodor-Heuss-Platz in Bremerhaven. Nachts machte er häufiger in kleineren Orten Station, aber auch in einigen größeren Städten wie Bremen, Göttingen, Bamberg und Nürnberg.
Unterwegs sammelte der Student außerdem Spenden für die Mental Health Initiative in München, die sich insbesondere für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einsetzt. So bietet die Initiative Kurse für Schulen an, in denen Schüler lernen, besser mit Stress umzugehen und ihn zu vermeiden.
Ein Thema ist der hohe Konsum von sozialen Medien auf dem Smart-Phone. Wobei Christian Saathoff selbstkritisch einräumt, dass er selbst auch schon mal vier Stunden am Tag am Handy verbringt.
Als er Ende September in München ankam, besuchte er dann auch die Mental Health Initiative, für die er durch seine Aktion 2000 Euro an Spendengeldern gesammelt hat.
Vom FC Bayern wurde der Student dann auch noch zum Spiel gegen Werder Bremen eingeladen. Auch wenn der Auricher eigentlich eher HSV-Fan ist. Ein Abstecher zum Oktoberfest war auch noch drin, wenn man schon mal in München ist.
Wie war die Wanderung durch Deutschland?
Und wie war es, wochenlang durch Deutschland zu wandern? „Die erste Woche war die Strecke ziemlich flach und eintönig. Aber hinter Göttingen fangen die Kasseler Berge an und die Landschaft wird viel abwechslungsreicher“, erzählt Christian Saathoff. Überhaupt sei ihm während der Wanderung erst bewusst geworden, wie schön Deutschland ist.
„Vor allem waren die Menschen unterwegs immer sehr hilfsbereit“, hat er festgestellt. Und so hat er unterwegs zahlreiche Bekanntschaften gemacht, mit denen er über sein Herzensthema mentale Gesundheit sprechen konnte.
Zurück nach Bremerhaven ging es für Christian Saathoff dann mit dem ICE. „Das war schon merkwürdig, in nicht mal sechs Stunden die Strecke zurückzulegen, für die ich vorher Wochen gebraucht habe“, sagt er.
Christian Saathoff denkt bereits über sein nächstes Abenteuer nach
In Zukunft möchte Christian Saathoff das Thema mentale Gesundheit weiter vorantreiben. Im Rahmen seines Studiums möchte er ein sechsmonatiges Praktikum bei der Initiative in München absolvieren. Denkbar wäre für ihn auch, deren Programm eines Tages in Bremerhaven einzuführen.
Eine Idee für sein nächstes Abenteuer hat Christian Saathoff auch schon. Im nächsten Jahr möchte er gern mit dem Fahrrad nach Athen fahren.