TAbnehm-Tricks: Warum der Verzicht auf Kohlenhydrate nicht die Lösung ist

Nach dem Winter ist die Motivation häufig noch groß, die überflüssigen Pfunde loszuwerden. Foto: Colourbox
Low Carb, Paleo, Clean Eating – Ernährungsdogmen gibt es viele. Sie sollen zu weniger Pfunden, mehr Gesundheit, größerem Wohlbefinden führen. Aber sind die teilweise sehr strengen Regeln tatsächlich gesund. Eine Ökotrophologin klärt auf.
Zeven. Spätestens, wenn nach dem Winter die Hose am Bauch kneift, steht der Plan. Bis zum Sommer müssen Pfunde weg. „Ich hab mit der Ernährungsumstellung begonnen, ich lass‘ schon mal das Brot, Kartoffeln und Nudeln weg“, hört Rosita Harder, Ernährungsberaterin bei der AOK Zeven, dann häufig in Gesprächen mit Abnehmwilligen. Das Einschränken der Kohlenhydrate oder das modifizierte Fasten, also acht Stunden Nahrung zu sich nehmen und 16 Stunden fasten, wird häufig zu Hause ausprobiert.
Das Gehirn braucht die Kohlenhydrate
Kohlenhydrate sind die wichtigste Energiequelle. Rund die Hälfte des Energiebedarfs sollte mit ihnen gedeckt werden. Bei Vollkornprodukten wird das vermahlene ganze Korn verarbeitet und dadurch haben sie viele Ballaststoffe. Sie werden langsamer verdaut und halten dadurch lange satt. „Die Ballaststoffe im Getreide sind andere als die in Gemüse.“ Kohlenhydrate einfach wegzulassen, ist nach Rosita Harders Meinung zu kurz gedacht. „Es ist ein großer Unterschied zwischen Kohlenhydraten und Kohlenhydraten. Da wird zu wenig differenziert.“
Nach ihrer Meinung ergibt es immer Sinn, den Zuckerkonsum und Weißmehlprodukte einzuschränken. „Viele Mahlzeiten sind sehr süß, haben damit zu viele einfache Kohlenhydrate.“ Und es ist ein großer Unterschied, ob man Vollkornbrot oder weißes Toastbrot isst, stellt die Ökotrophologin klar.
Das Gehirn braucht Kohlenhydrate, betont sie. „Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass es Menschen mit Depressionen schlechter geht, wenn sie das Brot weglassen.“
Ein Salat am Abend hält nicht lange vor
Wer abends nur einen Salat isst, den sättigt zwar die Menge, aber häufig kommt nach einer Stunde der Hunger zurück. Und das ist dann häufig etwas Süßes“, weiß Rosita Harder. Übrigens muss Vollkornbrot nicht immer ein grobes Brot sein, es kann auch ganz fein gemahlen sein.

Die Hälfte jeder Mahlzeit sollte aus frischem Gemüse bestehen. Foto: Colourbox
Kohlenhydrate sind die wichtigste Energiequelle für den Menschen. Rund die Hälfte des Energiebedarfs sollte mit ihnen gedeckt werden. Die Ernährungsspezialistin empfiehlt, dass zum Beispiel eine Mahlzeit zu einem Viertel aus einer Kohlenhydratbeilage, zur Hälfte aus Gemüse und zu einem Viertel aus Eiweiß in Form von Fisch, Fleisch oder Hülsenfrüchten bestehen sollte.
Kohlenhydrate durch viel Gemüse ersetzen
Als Ernährungsspezialistin bedauert es Rosita Harder, dass die weggelassenen Kohlenhydrate nur in seltenen Fällen durch mehr Gemüse kompensiert werden. Stattdessen kommt mehr eiweiß- und fettreiche Produkte auf den Tisch.
Dabei haben gerade Kartoffeln nur wenige Kalorien. Verarbeitet allerdings oft deutlich mehr. „150 Gramm Pommes haben genauso viele Kalorien wie 450 Gramm Salz- oder Pellkartoffeln. Besonders viele Ballaststoffe haben kalte Kartoffel, denn die enthaltene Stärke wird beim Abkühlen teilweise unverdaulich und dadurch nimmt der Körper weniger Kalorien auf.“
Wer auf Kalorien achtet, der sollte auf das sogenannte Eiweißbrot mit Bedacht verzehren, rät die Ökotrophologin. In diesem Brot wird das Mehl durch Sonnenblumenkerne, Chiasamen oder Nüsse ersetzt. Es soll aufgrund des höheren Eiweißgehalts länger sättigen, hat aber in der Regel doppelt so viele Kalorien, wie ein normales Brot.
Nur langfristige Veränderungen bringen einen Erfolg
Auch wer das Brot am Abend durch Tomate und Mozzarella ersetzt, sollte bedenken, dass eine Käse-Kugel beachtliche 350 Kalorien hat. Das ist soviel, wie vier Scheiben Brot. Die Expertin rät dazu, besser Vollkornbrot mit dünnen Scheiben Mozzarella und vielen Tomatenscheiben zu belegen.
Grundsätzlich gelte, so Rosita Harder, dass einseitige Ernährung kurzfristig tatsächlich zum Erfolg führen kann, langfristig aber zum gefürchteten Jojo-Effekt führt.
„Keine Diät hat einen dauerhaften Erfolg, wenn keine Ernährungsumstellung erfolgt. Wenn man nur 1000 Kalorien am Tag zu sich nimmt, setzt sich der Körper auf Sparflamme. Wenn man dann wieder normal isst oder vielleicht auch weniger, hört diese Sparflamme nicht von heute auf morgen auf. Der Körper hat sich an weniger Kalorien gewöhnt und haushaltet mit dem, was er bekommt. Manche haben durch ständige Diäten nur noch einen verminderten Kalorienbedarf.“
Der Trick mit den Angaben von Fett
Auch Lebensmittel, die als fett- oder zuckerreduziert angeboten werden, sind mit Vorsicht zu genießen, denn der Begriff Light-Produkte ist nicht geschützt und lässt den Herstellern genug Raum für eigene Interpretationen.
„Normalerweise wird zum Beispiel beim Käse das Fett in der Trockenmasse gekennzeichnet. Gouda hat 50 Prozent Wasser, das er während der Reife verliert. Der Fettgehalt bleibt dabei gleich und wird daher in der Trockenmasse angegeben. Neuerdings steht aber auf Käse einer bekannten Marke für Abnehmprodukte der Fettgehalt, zum Beispiel 30 Prozent, absolut. Obwohl es beides das Gleiche ist, wird suggeriert, dass der betreffende Käse weniger Fett enthält. Das Wasser wird mit eingerechnet und dann sinkt rein rechnerisch der Fettgehalt“, verdeutlicht Rosita Harder.
Ruhig darauf hören, was das Gefühl sagt
Sogenannte Abnehmshakes, die als Ersatz für eine Mahlzeit zu sich genommen werden, sind nur eine kurzfristige Lösung, betont die Ernährungsspezialistin. „Sie sollen schnell satt machen, aber auch den Geschmack haben viele schnell satt. Außerdem sind diese Shakes teuer.“
Rosita Harder rät dazu, lieber bunt zu essen und Essen als Geschmackserlebnis, als Genuss in den Alltag einzubauen. „Ein guter Anfang ist es, erst einmal eine Woche lang aufschreiben, was täglich gegessen wird, um es sich bewusst zu machen. Meist ist es dann viel mehr, als vorher gedacht.“
Schuld daran ist ihrer Meinung nach auch, dass es so viel „winkendes“ Essen gibt. Der Duft, den der Bäckerladen verströmt, die Schüssel mit Süßigkeiten von der Kollegin. Besser ist „summendes“ Essen, wenn der Körper sagt, dass er auf etwas Appetit hat. „Kinder haben oft ein gutes Gefühl dafür, was der Körper braucht. Erwachsene haben gelernt, es zu unterdrücken.“
Nahrungsergänzungsmittel sind nicht nötig
Und wer dann nach den Grundsätzen von Clean Eating oder Paleo seine täglichen Mahlzeiten bereitet, der greift womöglich zu Nahrungsergänzungsmittel, um rundum versorgt zu sein. „Ich höre häufig, dass Lebensmittel heutzutage nicht mehr genug Vitamine habe. Natürlich sind viele Nahrungsmittel hoch verarbeitet, aber eine Tomate hat heute noch genau so viele Inhaltsstoffe, wie früher, manchmal sogar noch mehr, weil sie so aufgezogen ist, dass sie gut wächst“, informiert die Ernährungsberaterin.
Für einige Menschen sei die Ergänzung, wie zum Beispiel Folsäure für Schwangere, B12-Vitamine für Veganer oder mit dem Mangelvitamin Vitamin D, sinnvoll, jedoch sollten alle Einnahmen in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Dabei kann der Nährstoffspiegel bestimmt werden. „Das muss man zwar selber bezahlen, aber teure Nahrungsergänzungsmittel ohne Nutzen zu schlucken, wird teurer. Es gibt Ratsuchende, die geben über 100 Euro im Monat dafür aus“, wundert sich Rosita Harder.
„Wer sich ausgewogen und abwechslungsreich ernährt, benötigt keine Nahrungsergänzungsmittel. Ich vermute, dass der Gedanke mitspielt, dass es ja egal ist, wie man isst, weil man Nahrungsergänzungsmittel schluckt. Aber man kriegt es nie so hin wie durch natürliche Lebensmittel“, stellt die Expertin klar. „Natürliche Lebensmittel sind mit ihrer Nährstofffülle immer wertvoller als Nahrungsergänzungsmittel.“