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Vor 20 Jahren

TAchtjährige Levke ermordet: Jetzt äußert sich ihre Mutter

Pressekonferenz im Cuxhavener Kreishaus am 8. Januar 2005: Karsten Bettels, Leiter der Soko "Levke", und Petra Guderian, Leiterin der Soko in Rotenburg. Am Tag zuvor hatte der Täter auch den Mord an einem kleinen Jungen aus Neu-Ebersdorf gestanden.

Pressekonferenz im Cuxhavener Kreishaus am 8. Januar 2005: Karsten Bettels, Leiter der Soko "Levke", und Petra Guderian, Leiterin der Soko in Rotenburg. Am Tag zuvor hatte der Täter auch den Mord an einem kleinen Jungen aus Neu-Ebersdorf gestanden. Foto: Reese-Winne

Am 23. August 2004 wurde die Kinderleiche gefunden. 20 Jahre später spricht ihre Mutter über die Ereignisse und enthüllt neue Details.

Von Maren Reese-Winne Freitag, 23.08.2024, 23:16 Uhr

Cuxhaven/Stade. Fast auf den Tag genau 20 Jahre ist es her, dass ein Pilzsammler in einem Wald bei Attendorn im Sauerland auf eine bereits stark verweste Kinderleiche stieß. Der schreckliche Verdacht bewahrheitete sich schnell: Es war die seit über drei Monaten vermisste achtjährige Levke aus Cuxhaven. Sie war einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.

Doppelfolge des Podcasts

Der Mordfall ließ vor 20 Jahren ganz Altenwalde und Cuxhaven fassungslos zurück. Nachdem das Geschehen kürzlich bereits in der ZDF-Reihe „XY gelöst“ im Fernsehen rekapituliert wurde, wirft eine soeben erschienene Doppelfolge des Podcasts „Aktenzeichen XY - Unvergessene Verbrechen“ (herunterzuladen auf den gängigen Plattformen) neue Schlaglichter auf die Zeit des Verschwindens, des Wartens - aber auch des Weiterlebens.

Angehörigenbetreuer übernahmen die Schlüsselrolle

Wie kann eine Familie den Verlust der geliebten Tochter, der kleinen Schwester verkraften, wie die Ungewissheit ertragen? Dazu kommt in beiden Folgen ausführlich Levkes Mutter zu Wort. Die Schlüsselrolle hätten in der Zeit vom Verschwinden Levkes bis zur Festnahme des Täters die Angehörigenbetreuer Uwe Sandrock und Ralf Beyer eingenommen, sagt sie. Deren Verdienst zu schildern, sei die entscheidende Motivation für die Teilnahme an diesem Podcast gewesen.

Plakat im Schaukasten auf dem Waldparkplatz in Flögeln. Über diesen Ort wird im Podcast eingehend berichtet.

Plakat im Schaukasten auf dem Waldparkplatz in Flögeln. Über diesen Ort wird im Podcast eingehend berichtet. Foto: Archiv

Noch am Abend zur Seite gestellt

Noch am Abend wurden die Beamten der Familie zur Seite gestellt. Bis dahin war nur bekannt, dass eine Schulfreundin Levke nach Hause begleitet und eine Nachbarin die Achtjährige kurz danach dort noch an der Straße stehend gesehen hatte. Als ihr Vater Minuten später nach Hause kam, war Levke weg, wie vom Erdboden verschwunden.

Ihre Mutter erzählt von der ersten quälenden Nacht, von dem Impuls, selber loszufahren und zu suchen. Niemand wusste, dass Levke da schon tot war, eiskalt missbraucht und erdrosselt durch Marc H. (im Podcast ist sein Name verändert), der beim ziellosen Herumfahren zufällig auf sein Opfer getroffen worden war, was sich auch im Titel der Folge - „Der Zufallsmörder“ - niederschlägt.

An den Straßen rund um Cuxhaven hingen Schilder, mit denen nach dem verschwundenen Mädchen gesucht wurde.

An den Straßen rund um Cuxhaven hingen Schilder, mit denen nach dem verschwundenen Mädchen gesucht wurde. Foto: Reese-Winne

Auch Freunde und Vertraute standen auf einmal im Fokus

Eingehend werden die folgenden Ereignisse beschrieben: das Auffinden ihrer Sachen am nächsten Tag auf dem Waldparkplatz in Flögeln, die Überwachungsmaßnahmen, die Beschaffung von Kleidungsstücken, identisch zu denen, die Levke getragen hatte. Dazu gibt die Mutter immer wieder Einblicke in die Situation der Familie, die durch die Angehörigenbetreuer geschützt wurde, aber auch aushalten musste, wie plötzlich sämtliche Freunde und engste Vertraute durch die Polizei vernommen wurden.

In der Sendung "XY ungelöst" wurde mehrfach um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten.

In der Sendung "XY ungelöst" wurde mehrfach um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten. Foto: Archiv

Leiter der Sonderkommission beschreibt die Polizeiarbeit

Nicht weniger aufwühlend sind die Schilderungen des damaligen Leiters der Soko „Levke“ bei der Polizei Cuxhaven, Karsten Bettels, über das taktische Vorgehen der Polizei, zu dem die bewusst dosierte Information der Öffentlichkeit gehörte.

Nach dem Auffinden des Mädchens spannte sich ein Netz der Indizien um den Beschuldigten. Nach seinem Geständnis, das er im Dezember 2004 auf der Cuxhavener Polizeiwache ablegte (die Umstände sind im Podcast packend beschrieben), hat er sich nie wieder zu dem Fall eingelassen.

Völlig überraschend zweiten Mord gestanden

Am 7. Januar 2005 aber gestand er völlig überraschend in U-Haft eine weitere Tat, nämlich den Mord am ebenfalls achtjährigen Nils (geänderter Name aus den ZDF-Dokumentationen) aus Neu-Ebersdorf/Kreis Rotenburg. Ihn hatte er am 30. Oktober 2004 - als die Polizei ihm also schon auf der Spur war - im Auto mitgenommen, missbraucht, erwürgt und den Leichnam danach in der Geeste versenkt. Vor dem Landgericht Stade wurde er am 29. Juni 2005 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Für ihn ist es der „Fall seines Lebens“

Der Leiter der Soko Levke, Kriminaldirektor Karsten Bettels, hält über den „Fall seines Lebens“ auch im Ruhestand noch Vorlesungen an Universitäten als Dozent im Bereich nationaler und internationaler Cold Case-Analysen und will für den Zusammenhang zwischen Vermisstenfällen und ungeklärten Verbrechen (Cold Cases) sensibilisieren. Genauso wie die Familien der Opfer nie zur Ruhe kämen, dürften auch die Täter nicht ruhen, „ihr ganzes Leben nicht.“

Jägerschaft und Freiwillige Feuerwehren auf der Suche nach Levke - hier in Wanhöden.

Jägerschaft und Freiwillige Feuerwehren auf der Suche nach Levke - hier in Wanhöden. Foto: Koppe

„Sie ist weiter mit uns und unter uns“

Zur Begleitung durch die Angehörigenbetreuer sagt Levkes Mutter abschließend: „Ich bin mir sehr sicher, dass ich heute in meinem Leben an einer anderen Stelle stehen würde, hätte es das nicht gegeben.“ Trotz aller Sparzwänge dürfe in diesem Bereich auf keinen Fall gekürzt werden. „Durch diese Begleitung ist es einer kleinen Familie gelungen, weiterzuleben.“ Ein normales Familienleben, zu dem auch die Trauer gehöre, sei möglich. Levke sei ein Teil der Familie, es werde regelmäßig an sie erinnert und auch das Ältere der inzwischen geborenen Enkelkinder wisse bereits um die Geschichte seiner Tante, berichtet Levkes Mutter. „Sie ist weiter mit uns und unter uns.“

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