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Mücken

TAchtung: Ab zehn Grad erwachen die Quälgeister aus der Winterstarre

Ein milder und früh endender Winter kann Voraussetzung für einen Mücken-Boom sein.

Ein milder und früh endender Winter kann Voraussetzung für einen Mücken-Boom sein. Foto: Reinhard Paulin

Im Sommer sind sie überaus lästig. Doch derzeit haben sich die Stechmücken zurückgezogen. Sie überwintern überall dort, wo es kühl, feucht und windstill ist.

Von Wolfgang Kurtze Mittwoch, 25.12.2024, 15:00 Uhr

Landkreis. Stechmücken befinden sich jetzt in der kalten Jahreszeit in Winterstarre. Sämtliche Körperfunktionen sind bis auf das allernötigste Minimum heruntergefahren. Die Mücken sind nun unbeweglich starr. Sie überwintern überall dort, wo es kühl, feucht und windstill ist, mit Vorliebe in Schuppen, Ställen oder Kellern. Oft sind sie dort nicht allein, denn viele Mücken sind aus mehreren Kilometern Entfernung in kleineren Schwärmen zum Überwinterungsplatz gekommen. Zunächst sind sie nur kurz eingeflogen, haben getestet, ob ihnen ihr Mückenhotel passt. Dann zogen sie dort endgültig ein. Der Winter konnte kommen. Hier werden sie für etwa fünf Monate bis zum Frühjahr bleiben.

Rund 400 Eier legt eine Mücke im Sommer ab

Rückblick: Im Frühjahr 2024, nach dem Aufwachen aus ihrer Winterstarre, machten sich die befruchteten Weibchen sofort daran, Gewässer zu suchen. Denn Stechmücken brauchen für Eiablage und Entwicklung immer Wasser. Etwa 400 Eier legt eine Mücke, die immer in kleinen schwimmenden Paketen auf die Wasseroberfläche gebracht werden. Für die Produktion ihrer Eier benötigten sie aber Eiweiß. Das bekamen sie aus unserem Blut, indem sie uns gestochen haben. Dann erst erfolgte die Eiablage auf der Oberfläche von Gewässern.

Je mehr es geregnet hatte, je mehr Wasser zur Verfügung stand, desto mehr Eipakete konnten abgelegt werden. Deshalb war 2024 ein Mücken-Rekordjahr, die Bedingungen waren für Stechmücken ausgezeichnet: Sie konnten in diesem regennassen und warmen Jahr eine Mückengeneration nach der anderen produzieren.

Und was machten die Mücken-Männchen? Sie können nicht stechen. Sie saugten Nektar aus Blüten, leckten Pflanzensäfte. Ihre Aufgabe war nur die Paarung, danach starben sie. Überlebt haben nur Weibchen, die nun überwintern. Sie sind extrem zäh und durch im Körper eingelagerte Frostschutzmittel sehr gut an tiefe Temperaturen angepasst. 15 oder 20 Grad minus? Kein Problem, Mückenweibchen sind hart im Nehmen.

Schon ab zehn Grad plus werden die Quälgeister aktiv

Aber die Mückenweibchen können im Winter aufwachen. Zum Beispiel dann, wenn Mücken mit Kaminholz ins warme Haus getragen werden. Schnell sind sie im Flugmodus, fliegen bald ins Schlafzimmer, stechen uns und betanken sich mit Blut. Doch im Haus können sie kaum überleben. Erstens finden sie keine Pfützen, auf deren Oberfläche sie Schwebeteilchen fressen können. Zweitens ist es hier zu trocken und zu warm, so dass der zarte Mückenkörper schnell austrocknet. Aber Mücken können auch draußen vorübergehend aus der Winterstarre erwachen und fliegen. Ab etwa zehn Grad werden sie wieder aktiv. So könnten wir im Winter gestochen werden.

Spannend wird das Frühjahr 2025. Ist es warm und regnerisch, dann ist der Grundstock für ein mückenreiches Jahr gelegt. Die überwinternden Mückenweibchen könnten sofort mit der Eiablage loslegen, und schnell ist die nächste Generation zur Vermehrung bereit. Weil Stechmücken nicht nur als ausgewachsene Mücke, sondern auch als Larve und besonders häufig als Ei überwintern, könnten diese sich rasch in einem warmen Frühjahr weiterentwickeln. Ein milder und früh endender Winter kann Voraussetzung für einen Mücken-Boom sein.

Die Serie und das Buch

Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.

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