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Rechtsextremismus

TAfD-Familienfest in Drochtersen - Kirche setzt Zeichen gegen Hetze

Am Altar hängt ein Tuch in Regenbogenfarben mit der Aufschrift Frieden. Die Christen zünden kleine Kerzen an der Osterkerze an und legen sie am Altar nieder.

Am Altar hängt ein Tuch in Regenbogenfarben mit der Aufschrift Frieden. Die Christen zünden kleine Kerzen an der Osterkerze an und legen sie am Altar nieder. Foto: Lohmann

Größer könnten die Gegensätze nicht sein: Während die AfD über angebliche Indoktrination an Schulen diskutiert, geht es ganz in der Nähe um christliche Werte.

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Von Sabine Lohmann
Sonntag, 15.09.2024, 12:16 Uhr

Drochtersen. Der Parkplatz vor dem Kehdinger Bürgerhaus und die Drochterser St. Johannis und Catharinen-Kirche liegen nur 300 Meter voneinander entfernt. Doch die Menschen, die sich dort am Samstag um 16 Uhr versammeln, trennen Welten. Hier feiert die Rechtsaußen-Partei, die Ängste schürt und Feindbilder aufbaut, ein Familienfest; dort zeigen Christen Haltung gegen Hass und Hetze. Der Kontrast könnte kaum größer sein.

Die Kirche ist fast voll, als die Andacht beginnt. Der Kirchenvorstand hatte dazu spontan nach dem TAGEBLATT-Bericht über die politische Auseinandersetzung um die AfD-Veranstaltung eingeladen. Rund 90 Menschen kamen.

Altar mit Regenbogenfahne

Am Altar hängt ein Tuch in Regenbogenfarben mit der Aufschrift Frieden. Die Christen zünden Kerzen an der Osterkerze an und legen sie am Altar nieder. Die Werte des Christentums sind Thema: im Gebet, in der Predigt, in den Liedern.

Es geht um Angst und Hilflosigkeit angesichts der Not und Menschenverachtung in der Welt, um Liebe, Frieden, Mitmenschlichkeit und Miteinander. Thematisiert werden das Gleichbehandlungsgesetz und die Bergpredigt, die Würde des Menschen und die Menschenrechte. Zusammen wird das Lied „Wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg gesungen.

Zeichen gegen Hetze und Hass-Sprache setzen

Dass die AfD zeitgleich feiert, ist in der Andacht kein Thema. Sie sei keine Gegenveranstaltung, betont Pastor Jan-Peter Schulze. „Wir denken darüber nach, solche kleinen Andachten regelmäßig zu veranstalten“, sagt Astrid Richter vom Kirchenvorstand. Es sei wichtig, ein Zeichen gegen Hetze und Hass-Sprache zu setzen, sagt auch ihre Vorstandskollegin Susanne Klein.

Beim Klönen nach der Andacht bei Kaffee und Kuchen ist die AfD-Veranstaltung dann aber doch Thema. Es sei erschreckend, dass solch einer Partei die Möglichkeit gegeben werde, auf öffentlichem Grund, mitten im Dorf, zu feiern, heißt es wiederholt.

Ein Familienvater sagt, ihm sei es wichtig, dass „unsere Kinder in Demokratie und in einer bunten, offenen Gesellschaft aufwachsen“. Eine 74-Jährige will ein Zeichen setzen für eine freie Gesellschaft, in der alle Menschen gleich sind, egal welche Hautfarbe sie haben. Sie ist unbedingt dafür, Zuflucht Suchende, die in ihrem Land verfolgt werden, aufzunehmen.

Auffällig viele junge Männer bei AfD-Familienfest

Nur drei Geh-Minuten entfernt, auf dem Platz vor dem Bürgerhaus mit Deutschland-Fahnen und AfD-Plakaten, ist die Stimmung komplett anders. Auffällig viele junge Männer sind der Einladung zu Bratwurst und Freibier gefolgt. „Wir geben keine Interviews“, sagt Sebastian Sieg, AfD-Politiker aus Drochtersen.

Auf dem Parkplatz vor dem Kehdinger Bürgerhaus feiert die AfD ein Familienfest.

Auf dem Parkplatz vor dem Kehdinger Bürgerhaus feiert die AfD ein Familienfest. Foto: Lohmann

Kreisvorsitzender Maik Julitz aus Buxtehude hält sich nicht an die Absprache. Er sei sehr zufrieden mit der Besucherzahl, sagt er. Wie viel es genau sind, könne er bei dem „Kommen und Gehen“ nicht sagen. Nicht nur Parteimitglieder seien gekommen, sondern auch viele Bürger. Und Familien.

Schüler würden angeblich linksextremistisch indoktriniert

Migration sei das bestimmende Thema gewesen, sagt Julitz. Doch sei er auch gefragt worden, was Eltern gegen die „Indoktrination an Schulen“ tun könnten, die Schüler würden „linksextremistisch indoktriniert“. Ein älteres Paar verabschiedet sich und bedankt sich bei Julitz für das „tolle Fest“. Dank der guten Werbung durch das TAGEBLATT sei es so gut besucht, sagen sie hämisch.

Der Kreisvorsitzende sieht das Ziel erreicht, in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein. Mit Drochtersen hätten sie angefangen - wegen der sehr guten Ergebnisse: dem „überdurchschnittlichen Wähleranteil“ bei der Europawahl. Für ihn ist die AfD auch im Landkreis auf dem Weg zur Volkspartei - „wie in Sachsen und Thüringen“. Solche Feste werde es nun öfter geben, kündigt er an.

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