TAirbus-Ingenieurin rettet ehrenamtlich Leben auf der Nordsee

Stefanie Riemer ist in Rostock groß geworden. Eine abenteuerliche Reise auf den Azoren war für sie der Auslöser, sich der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger anzuschließen. Foto: Steven Keller
Stefanie Riemer ist die einzige Frau im Team der Seenotretter in Fedderwardersel. Für ein solches Ehrenamt braucht es Mut und Nervenstärke. Beides hat die Airbus-Ingenieurin längst bewiesen.
Nordenham. Menschen aus dem Wasser bergen oder sich mit einem Seil von einer Rettungsinsel in einen Hubschrauber ziehen zu lassen - das sind Übungen, die Festangestellte und ehrenamtlich Tätige der Organisation Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger durchlaufen. Eine von ihnen ist Stefanie Riemer, die hauptberuflich als Ingenieurin in der Qualitätssicherung für Airbus arbeitet. Nach einem Urlaub auf den Azoren entschied sie, ehrenamtlich für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger tätig werden zu wollen. Sie ist die einzige Frau im Team der Seenotretter in Fedderwardersiel.
Ein Abenteuer vor der Küste Portugals
„Ich war im Rahmen eines Projekts der Biosphere Expeditions letztes Jahr beim Whale Watching dabei. Es wurden freiwillige Helfer gesucht, die Daten über Pottwale, Blauwale, Finnwale oder Delfine sammeln“, sagt Stefanie Riemer, die sechs Tage lang mit einem Team auf einem motorisierten Katamaran verbrachte.

Stefanie Riemer im Einsatz. Foto: Steven Keller
Die Besatzung hatte nicht mit ungünstigen Wetterbedingungen gerechnet. Doch es kam anders. „Wir befanden uns zwischen den portugiesischen Inseln Faial und Pico, als sehr viel Seegang aufkam. Manche hielten sich fest und wurden nervös“, sagt sie. Als sich der Seegang verschlimmerte, kommentierte ein Engländer das Geschehen laut Stefanie Riemer wie folgt: „Heute geht es nur ums Überleben, außer bei Steffi, die hat Spaß.“
Das Erlebnis war der Auslöser für die gebürtige Rostockerin, sich intensiver mit den Themen der Seenotrettung auseinanderzusetzen. Als einzige Frau trat sie der Gruppe in Fedderwardersiel bei. Bis die angehende Bootsführerin erste Einsätze fahren darf, wird es jedoch noch etwas dauern.
Schiffssicherheitslehrgang in Neustadt
Wer der Organisation beitritt, wird vorerst auf Seediensttauglichkeit geprüft. Um Bootsführer oder Bootsführerin zu werden, müssen der Sportbootführerschein See und ein Funkzeugnis vorliegen. Außerdem müssen angehende Einsatzkräfte diverse Lehrgänge an der Seenotretter-Akademie in Neustadt absolvieren, dazu Kurse in technischer und nautischer Navigation. Die Vorleute der Stationen entscheiden schließlich, wann ein Rettungsmann oder eine Rettungsfrau ein Seenotrettungsboot führen darf.
Stefanie Riemer war bereits für fünf Tage zum Schiffssicherheitslehrgang im maritimen Schulungs- und Trainingszentrum in Neustadt, in dem auch die angehenden Einsatzkräfte der Bundespolizei und Marine ausgebildet werden.
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„Man lernt hier, mit dem Kälteschutzanzug umzugehen, die Rettungsweste auszulösen, wie ich zu einer Rettungsinsel gelange und die Bergung aus dem Wasser“, erläutert Stefanie Riemer. Karsten Ohme, ihr Vormann, sagt: „Es dauert etwa zwei bis drei Jahre, bis man als Bootsführer eingesetzt werden kann.“ Im April hat Stefanie Riemer eine ihrer bisher größten Übungen erfolgreich absolviert.
„Ich wurde in der Ostsee auf einem Seenotrettungsfloß zurückgelassen, bis ein Hubschrauber der Marine kam. Mit einer Seilwinde wurde eine Bergungsschlaufe herabgelassen“, erzählt sie. „Ich musste die Schlaufe anbringen und wurde anschließend in den Hubschrauber gezogen, der mich zurück zum Seenotrettungskreuzer flog. Dort angekommen, wurde ich aus 30 Metern mit einem Seil wieder auf dem Kreuzer abgesetzt.“
Belastungsprobe für Stefanie Riemer
Erst jüngst musste Stefanie Riemer erneut Nervenstärke beweisen. Sie nahm an der Großübung SAREx in Büsum teil. Die Abkürzung steht für „Search and Rescue Exercise“. Stefanie Riemer erläutert: „Es wurde eine Schadenslage simuliert, bei der zwei Schiffe miteinander kollidierten.“

Vor der Küste Büsums trainierten erst kürzlich 8 Einheiten gemeinsam einen Notfall. Stefanie Riemer muss noch einige Lehrgänge über die Nautik und die Seenotrettung sowie Grundlagenlehrgänge der Rettung und Organisation durchlaufen, ehe sie als Bootsführerin eingesetzt werden kann. Foto: Steven Keller
Dafür speziell trainierte Darsteller mimten Verletzte an Bord. Eins der Seenotrettungsboote näherte sich der Unfallstelle auf See. Eine Einsatzkraft prüfte zunächst den technischen Zustand des Schiffs mit den „Verletzten“, checkte ob beispielsweise Wasser eintrat, bevor weitere Kräfte an Bord gingen, um der Crew zu helfen.
Während der SAREx wurden an drei Übungstagen anhand verschiedener Szenarien der Erstfall geprobt. Das Training sollte für die Seenotretter als Belastungsprobe dienen und die Zusammenarbeit fördern - aufregende Tage auch für Stefanie Riemer.

Karsten Ohme am Steuer der Emil Zimmermann. Foto: Die Seenotretter - DGzRS
Wenn Boote oder Fischkutter in der Nordsee in Gefahr geraten, sticht im Hafen in Fedderwardersiel das Seenotrettungsboot „Emil Zimmermann“ in See - im Idealfall mit einer Besatzung von fünf Freiwilligen. „Für eine festgefahrene Yacht im Wattenmeer braucht es mindestens so viele Einsatzkräfte“, sagt Karsten Ohme. Vor zwei Jahren war die Gruppe noch zu sechst. Inzwischen haben die Fedderwardersieler weitere neun Ehrenamtler für ihre Sache gewinnen können, die sich immer am ersten Mittwoch im Monat treffen - und sich über neue Kolleginnen und Kollegen wie Stefanie Riemer freuen.

Das Rettungsboot der Fedderwardersieler Seenotretter, die „Emil Zimmermann“ kreuzt vor Bremerhaven. Foto: Wiggers