THochwasser-Alarm: So ist die Lage im Kreis Stade

Das Hochwasser im Buxtehuder Poggenpohl mit dem Blick in Richtung Horneburg. Foto: Feuerwehr Buxtehude
Feuerwehr und andere Helfer waren die ganze Nacht lang im Einsatz. Die Lage im Kreis Stade am Mittag des zweiten Weihnachtstages.
Update am Dienstag, 13.09 Uhr:
Die Lage an Aue/Lühe hat sich nicht verschärft. In der Nacht auf den zweiten Weihnachtstag lief das Wasser wieder ab 4 Uhr in Horneburg über die Überlaufschwelle in den Bullenbruch - der Pegel lag bei 2,34 Meter Normalhöhennull und damit sieben Zentimeter unter dem Maximalpegel des Vortags an der Lühe. Um 10 Uhr lag der Pegel bei 2,15 Meter.
Feuerwehr sowie Boden- und Deichverband haben auch den Bullenbruch weiter im Blick. Doch nicht nur aus der Lühe, sondern auch über die Bäche und Gräben von der Geest läuft das Wasser ins Moor. „Etwa im Verhältnis 2:1“, sagt Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts.

Jork-Wisch in der Nacht auf Dienstag: Pumpen laufen, rechts stehen Keller/Wirtschaftsgebäude unter Wasser. Foto: Björn Vasel
Feuerwehren pumpen die ganze Nacht Wasser über den Deich
In Jork-Wisch haben die Ortsfeuerwehren Moorende, Estebrügge und Borstel sowie das Technische Hilfswerk (TWH) aus Stade mit mehreren Pumpen die ganze Nacht lang das Wasser aus den Gräben über die Elbe gepumpt. Allein die drei THW-Pumpen schaffen sieben Kubikmeter pro Minute. Außerdem haben Obstbauern ihre Beregnungspumpen umfunktioniert. Ihr Ziel: Stauraum für weiteres Wasser schaffen, das unaufhörlich aus der Feldmark nachläuft. Die Flächen liegen sehr niedrig. Auch am Montag mussten in Jork-Wisch wieder Keller ausgepumpt werden. Mit Schaufel sorgen Feuerwehrleute für mehr Durchfluss.
„Wir haben die ganze Nacht Wasser aus den Gräben über den Deich gepumpt. Der Keller ist soweit unter Kontrolle. Die Pumpen waren weithin zu hören. Trotzdem läuft das Wasser durch die Wände“, berichtet ein Anwohner aus Jork-Wisch am Dienstagmorgen. Es ist noch nicht zu Ende. Weiteres Wasser drückt nach - aus der Feldmark.
Die Kreisstraße 39 ist in Jork war am Dienstagvormittag aufgrund des Hochwassers gesperrt, mittlerweile ist sie wieder freigegeben

Feuerwehr im Einsatz im Bereich Jork-Wisch. Foto: Feuerwehr
Nach tagelangem Dauerregen hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) alle seine zeitweise für mehrere Bundesländer geltenden Unwetterwarnungen aufgehoben. Der Regen habe nachgelassen beziehungsweise an Intensität verloren, teilte der DWD am Dienstagmittag in Offenbach mit. „Bis auf Weiteres ist mit keinen ergiebigen Niederschlägen zu rechnen.“ Allerdings bleibe die Hochwasserlage an den Flüssen teilweise noch sehr angespannt.
Ministerpräsident Stephan Weil dankt Helfern
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil dankte den vielen Feuerwehrleuten und freiwilligen Helfern im Kampf gegen Überflutungen. „Überall in Niedersachsen haben die Feuerwehrleute unruhige Weihnachten, weil sie mit dem Hochwasser kämpfen müssen“, sagte der SPD-Politiker am Montag. Ganz viele seien Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren. „Herzlichen Dank allen Haupt- und Ehrenamtlichen für diesen ganz besonderen Einsatz“, sagte Weil.
Der Regierungschef wird sich nach Angaben der Staatskanzlei am Dienstag selbst bei einem Besuch in einem Lagezentrum und an einer Einsatzstelle einen Eindruck von der Hochwasser-Situation machen. An welchem Ort dies genau sein wird, wurde am Montagabend noch nicht bekanntgegeben.
Auch Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner äußerte sich zu der angespannten Situation. „Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die keine besinnlichen Feiertage haben, weil ihre Keller volllaufen oder sie ihr Hab und Gut gegen das Hochwasser sichern müssen“, sagte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion. Bewundernswert sei das Engagement der vielen unermüdlichen haupt- und ehrenamtlichen Helfer. „Unsere Helfer stehen ununterbrochen im Einsatz, um die Schäden und die Gefahr für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. Wir sind ihnen zu tiefen Dank verpflichtet“, betonte Lechner.
Rückblick:
Kreisbrandmeister Peter Winter spricht bei der Einsatzbesprechnung um 18 Uhr am Montag von einer „statischen Lage“. Inzwischen wurde das Lühe-Sperrwerk wieder geöffnet, das bringt zusätzliche Entlastung. Kreisweit gebe es keine kritische, nicht beherrschbare Lage. In Buxtehude hat Stadtbrandmeister Nils Krugmeier 1500 Sandsäcke füllen lassen - falls am Poggenpohl die Lage kritisch wird. Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts hat mit seinem Verband den Umdeich weiter im Blick. Möglicherweise wir eine Schwachstelle mit einer Spezialfolie verstärkt. Die Deichwacht läuft die Lühe-Deiche ab.
Feuerwehr, Deichverbände sowie Wasser- und Bodenverbände hoffen jetzt, dass durch die Sperrwerks-Öffnung möglichst viel Wasser abläuft. Gegen 3 Uhr wird das nächste Hochwasser erwartet. Positiv sei auch, dass es am 1. Weihnachtstag tagsüber nicht geregnet hat.
Im Fokus steht aktuell vor allem der Bereich Jork-Wisch, wo einige Flächen unter Wasser stehen. Die Feuerwehr pumpt hier mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks (THW) Wasser von der Feldmark über den Deich. Heute Abend steigt ab 22 Uhr im Fährhaus Kirschenland ein Weihnachtsball mit etwa 600 Gästen - aufgrund der Pumpen ist der Veranstaltungsort nur über Jork-Borstel zu erreichen.
Erste Feuerwehren rücken wieder ein
Die Horneburger Feuerwehr ist derweil wieder eingerückt, während die Ehrenamtlichen in der Samtgemeinde Lühe noch im Einsatz sind. Die Mitglieder der Deichverbände laufen den Lühe-Deich weiter ab und kontrollieren auch die Friedensbrücke in Horneburg. Landrat Kai Seefried dankte den Ehrenamtlichen von Feuerwehr, Wasser- und Bodenverbände sowie Deichverbänden kreisweit.
Gegen 17 Uhr stand das Wasser in der Lühe bei Horneburg schon wieder über 2,41 Meter NN (Normalhöhe Null). Der Fluss ist randvoll, am Bullenbruchpolder läuft das Wasser wieder über die Überlaufschwelle. Viele Schaulustige betrachten das Spektakel.
Informeller Katastrophenschutzstab im Einsatz
Die Feuerwehren in den Samtgemeinden Lühe und Horneburg waren gegen fünf Uhr am Morgen des 1. Weihnachtstages ausgerückt. Der erste Einsatz am 25. Dezember: Ein noch nicht geschlossenes Deichschart in Neuhof in Guderhandviertel musste geschlossen werden. Der Pegelstand in der Lühe ist hoch: 2,41 Meter über NN, hieß es morgens um 6 Uhr. Die Überlaufstelle, an der das Wasser bereits in den Bullenbruch-Polder läuft, liegt bei 2,30 Meter NN. An der Oberen Lühe musste die Feuerwehr in Neuenkirchen, Mittelnkirchen und Guderhandviertel vollgelaufene Keller auspumpen.
Kurz darauf schloss die Feuerwehr in Horneburg den Dammbalken an der Friedensbrücke am Vordamm. Dort steht das Wasser schon knapp unterhalb der Brücke. Ein informeller Katastrophenschutzstab ist vor Ort: Die Gemeindebrandmeister von Horneburg (Torben Schulze), Lühe (Jens Kuck) und Jork (Jens Lohmann), der stellvertretende Stadtbrandmeister Buxtehude (Jan Durhack, Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts, Landrat Kai Seefried, Wilfried Sprekels von der Rettungsleitstelle, die Bürgermeister Timo Gerke (Lühe) und Knut Willenbockel (Horneburg) sowie Ortsvorsteher Heinrich Bröhan aus Dammhausen haben die Lage im Blick und besprechen sich laufend. Die Deichverbände sind alarmiert und werden Deichwachen aufstellen.
Sorge vor späterer Flutwelle aus Harsefeld
Die Deichverbände fordern die Menschen auf, die Deiche nicht mehr zu betreten. Sie seien vom Hochwasser aufgeweicht.
Die Situation ist unter Kontrolle, der Pegelstand fällt inzwischen wieder, doch die Bürger sind aufgerufen, wachsam zu sein, die Lage im Blick zu behalten und Autos aus tief liegenden Gebieten wegzufahren. „Wir treffen jetzt präventive Maßnahmen für die nächsten Stunden und Tage. Aktuell besteht aber keine Gefahr, dass die Lühe über die Deiche tritt“, sagt Landrat Seefried.
Es besteht allerdings zurzeit die Sorge, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Flutwelle vom Oberlauf der Lühe, die dort Aue heißt, folgen könnte. Denn die Regenrückhaltebecken in der Samtgemeinde Harsefeld sind jetzt schon übervoll. Zudem ist das Lühe-Sperrwerk noch geöffnet, muss aber wegen der auflaufenden Flut in der Elbe bald wieder geschlossen werden.
Dammhausen schützen: Feuerwehr riegelt Ilsmoorbach ab
In Horneburg wird befürchtet, dass Treibsel sich an der Friedensbrücke am Vordamm festsetzen und die Brücke dadurch zum Staudamm machen könnte. Ein Bagger wird in Bereitschaft gehalten, um eventuell in die Lühe fallende Baumstämme schnell entfernen zu können.
An der Jorker Chaussee südlich von Dammhausen riegelt die Feuerwehr den Ilsmoorbach mit Bigpacks ab, damit das Wasser nicht nach Dammhausen abläuft - nur eine Vorsichtsmaßnahme, denn laut Oberdeichrichter Ulferts ist das Fassungsvermögen des Bullenbruchs noch längst nicht erreicht. Für die Este besteht zurzeit keine akute Gefahr.
K26 zwischen Dammhausen und Jork zeitweise gesperrt
Die Horneburger Feuerwehr wappnet sich derweil für die kommenden Tage: Sandsäcke aus dem Lager des Deichverbandes und der Feuerwehr Jork - hier liegen insgesamt 250.000 Stück - werden im Laufe des Tages nach Horneburg gebracht.
Am Poggenpohl werden bereits Transformatoren mit Sandsäcken geschützt, damit in Teilen von Dammhausen der Strom nicht abgestellt werden muss. Hier sind der Zug I der Ortsfeuerwehr Buxtehude, sowie die Ortswehren aus Dammhausen, Hedendorf und Neukloster im Einsatz. Die Kreisstraße 26 musste kurzzeitig gesperrt werden.
Beim Aldi im Westmoor Buxtehude haben Feuerwehr und Bauhof gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk (THW) eine Sandsackbefüllstation eingerichtet. Dafür nutzen die Helfer den Sand, der für den Bau der Kita Wettern gedacht ist.
Hochwasser: Angespannte Lage schon an Heiligabend
Der anhaltende Regen hat am Sonntag mancherorts im Landkreis Stade für Überschwemmungen gesorgt. Einigen Wohnhäusern kam das Wasser gefährlich nahe - und ließ Keller volllaufen.
Alleine bis Nachmittag verzeichnete die Feuerwehr 47 Hochwasser-Einsätze, wie Feuerwehrsprecher Stefan Braun auf TAGEBLATT-Nachfrage sagte. Betroffen waren demnach vor allem die Samtgemeinde Lühe, Jork, Kehdingen, Oldendorf-Himmelpforten und Fredenbeck.
Nachts sei es noch vereinzelt zu Alarmierungen im Bereich der Lühe gekommen, so Braun weiter. Auch er betont: Es sei noch keine kritsche Lage, aber unter Beobachtung.
In Oldendorf-Himmelpforten und in Fredenbeck gibt es weiterhin hohe Wasserstände. „Viel hohes Wasser, aber nichts Dramatisches. In Lühe allerdings steht das Wasser richtig, richtig hoch“, sagte Braun am Montagvormittag. An der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Stade wurde der Verschluss für Sandsäcke aufgehoben - Feuerwehren könnten diese bei Bedarf abholen, sagte der Feuerwehrsprecher.
Die Feuerwehr sei in Bereitschaft, aber man müsse abwarten, wo etwas passiert. „Wir hatten jetzt Glück, dass es ein paar Stunden keinen Regen gab, aber das Wasser ist noch nicht weg.“ (bv/ari/bat/fe/dpa)

Das Hochwasser im Buxtehuder Poggenpohl mit dem Blick in Richtung Horneburg. Foto: Feuerwehr Buxtehude