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TAltländer Viertel in Stade: Am Straßenrand wachsen die Müllberge

Im Sperrmüll liegen auch Hausmüll und Essensreste.

Im Sperrmüll liegen auch Hausmüll und Essensreste. Foto: Anping Richter

Sperrmüllhaufen sind im Altländer Viertel nichts Neues. Doch in letzter Zeit eskaliert die Lage: Schwärme von Möwen, Tauben und Krähen tummeln sich auf Müllbergen am Straßenrand.

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Von Anping Richter
Freitag, 14.06.2024, 17:57 Uhr

Stade. „Ich ziehe hier so schnell wie möglich weg“, sagt eine Anwohnerin an der Grünendeicher Straße. Sie zeigt auf kaputte Schaumstoffmatratzen, zerbrochene Möbel, Teppichstücke, Planen, Kartons und immer wieder dazwischen: Hausmüll mit Essensresten. Vielleicht haben sogar die Krähen, die sich im Schwarm über die Haufen hermachen, die Tüten aufgerissen, um an die essbaren Inhalte zu kommen.

Die Anwohnerin verweist auf die Hausmeister. Die besprechen sich gerade in ihrem Büro am Spielplatz. „Wir können nicht mehr“, sagt einer. „Ganz ehrlich: Wir sind zurzeit absolut überfordert.“ Ihren Namen wollen sie lieber nicht in der Zeitung lesen.

Seit Wochen bleibt der Sperrmüll liegen

Die vier Hausmeister arbeiten für einen Betrieb, der sich im Auftrag von zwei Hausverwaltungen um 500 Wohnungen nebst Grünanlagen kümmert. Wohnungen, die unterschiedlichen Eigentümern gehören. Die Müllkosten seien ziemlich hoch, denn der Müll werde von vielen Mietern unsachgemäß entsorgt und kaum getrennt.

Einmal in der Woche holt die Firma Meyer, die der Landkreis mit der Abfuhr beauftragt hat, den Hausmüll ab. Auch der Sperrmüll wird im Altländer Viertel einmal in der Woche abgefahren, jeden Donnerstag. In den letzten drei Wochen allerdings nicht mehr. Das liege daran, dass einfach alles abgeladen werde, von Hausmüll bis zum alten Autoreifen, sagen die Hausmeister. Von den Anwohnern komme das zu höchstens 60 Prozent. Es gebe viel Mülltourismus, vor allem nachts.

Mülltourismus ist ein Problem

„Einiges ist liegengeblieben, weil es kein sachgerecht abgeladener Sperrmüll war“, erklärt Landkreis-Pressesprecher Daniel Beneke auf Nachfrage. Es sei schon ein besonderer Service, dass es einen festen, wöchentlichen Sperrmülltag gebe. Sperrmüll und Elektrogeräte müssten getrennt aufgestellt werden, Hausmüll gehöre gar nicht hinein.

„Wir haben nicht die Ressourcen, das nachträglich zu sortieren“, sagt Beneke. Und mehr sei auch den Gebührenzahlern nicht zuzumuten.

Immobilien-Investoren kümmern die Probleme oft nicht

Ein Grund für die Probleme ist auch in anderen Vierteln mit ähnlicher Struktur, beispielsweise in Bützfleth, zu finden: Eigentum verpflichtet, heißt es im Grundgesetz. Doch einige Investoren erwerben Wohnungen, sind aber nicht vor Ort, kümmern sich nicht um Instandhaltung oder eine gesunde Mieterstruktur. „Hauptsache, die Miete kommt jeden Monat“, erklärt einer der Hausmeister. In vielen Fällen komme sie vom Amt - egal, wie hoch die Müllgebühren sind.

Im Fall eines überquellenden Müllhäuschens an der Jorker Straße verweist die Hansestadt Stade an den zuständigen Eigentümer: die dii Deutsche Invest Immobilien GmbH. Die Bewohner seien wegen des störenden Mülls bereits mit dem Unternehmen in Kontakt, berichtet Christoph Grüneberg von der Stadt Stade. Er ist der Quartiersmanager für das Altländer Viertel.
Müll türmt sich auch rund um die Mülltonnen einer Häuseranlage der dii-Immobilien, die sich im vorläufigen Insolvenzverfahren befindet.

Müll türmt sich auch rund um die Mülltonnen einer Häuseranlage der dii-Immobilien, die sich im vorläufigen Insolvenzverfahren befindet. Foto: Anping Richter

Eine Immobilienfirma steckt im Insolvenzverfahren

Wie sich herausstellt, geht es um eine Tochter der dii Holding (Deutsche Invest Immobilien AG), eines großen Wiesbadener Immobilienfondsunternehmens, das schon im April Insolvenzantrag gestellt hat. Laut Homepage der dii laufen Gespräche mit strategischen Investoren zur Fortführung und Sanierung der Gruppe.

Wegen des Mülls im öffentlichen Raum hat Grüneberg mit den Kommunalen Betrieben Stade Kontakt aufgenommen. Was vom Sperrmüll liegenblieb, sollen sie als Wildmüll zeitnah abholen. „Wenn es für die Bewohner untragbar wird, machen wir das auch auf privaten Flächen, stellen es dem Eigentümer aber in Rechnung“, sagt Grüneberg.

Quartiersmanager: Lösung braucht langen Atem

Und wie könnte eine nachhaltige Lösung aussehen? „Es braucht einen langen Atem“, sagt der Quartiersmanager. Im Viertel lebten schließlich 2500 Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern und mit unterschiedlichem Bildungshintergrund. Viele Bewohner leiden unter dem Müll, manche beseitigen ihn kurzerhand auf eigene Faust, andere gehören selbst zu den Verursachern, sagt Grüneberg. Hinzu komme der gezielte Mülltourismus.

Sechs Mal im Jahr lädt die Stadt zur Nachbarschaftsversammlung, um Probleme anzusprechen. Die Ankündigung gehe in jedes Haus, aber meist seien höchstens zehn Anwohner dabei, außerdem Vertreter von Einrichtungen im Viertel, berichtet Grüneberg.

Hausmeister wünschen sich fürs Viertel eine Müll-Streife

Er selbst spricht Bewohner auch einfach an. Auf Spielplätzen, im Vorbeigehen und vor allem bei der wöchentlichen Tour mit dem Kaffee-Fahrrad. Beim Kaffee, den es umsonst gibt, kommt es automatisch zu Gesprächen - auch über Müll.

Die Hausmeister wünschen sich mehr: einen runden Tisch, an dem sie mit Vertretern von Stadt, Landkreis und Institutionen beraten. Zum Beispiel über eine Streife, die durchs Viertel läuft. „Die Hausverwalter wären sicherlich geneigt, dafür etwas zu bezahlen.“

Im Sperrmüll liegen auch Hausmüll und Essensreste.

Im Sperrmüll liegen auch Hausmüll und Essensreste. Foto: Anping Richter

Müllberge an der Grünendeicher Straße im Altländer Viertel.

Müllberge an der Grünendeicher Straße im Altländer Viertel. Foto: Anping Richter

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