TAmpel abgeschaltet: So reagieren die Parteien im Landkreis Stade

Betretene Gesichter schon vor dem Ampel-Aus: Christian Lindner (hinten), Robert Habeck und Olaf Scholz (rechts) noch gemeinsam auf der Regierungsbank. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Was sagen die Lokalpolitiker zum Scheitern der Ampel-Koalition in Berlin? Und was heißt das für den extrem verkürzten Bundestagswahlkampf? Eine Umfrage.
Landkreis. „Eines ist klar: Die Zeiten werden unruhiger. Jetzt kommt es auf Stabilität und Verlässlichkeit an“, sagt Landrat Kai Seefried (CDU) in einer ersten Reaktion. „Erst die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, dann das Aus der deutschen Bundesregierung. Das schafft Verunsicherung in der Bevölkerung.“ Europa werde sich im Hinblick auf eine neue amerikanische Politik gut aufstellen müssen. Hier habe Deutschland in seiner tragenden Rolle und als stärkste Volkswirtschaft Europas eine besondere Verantwortung.
Landkreis: Schnelle Wahl ist kein Problem
Der Landrat legt sich fest und stellt sich auf Unionslinie: Es sollte jetzt zügig zu Neuwahlen kommen. In der jetzigen Situation auf unsichere und wechselnde Mehrheiten einer Minderheitsregierung zu setzen, werde die Unsicherheit weiter vergrößern. Bei der Organisation einer schnellen Bundestagswahl sieht die Kreisverwaltung keine Probleme.
Koalition am Ende
Merz bei Steinmeier - Gespräch mit Scholz ergebnislos
Seefried liegt damit auf der Linie der CDU-Kreisvorsitzenden und Stader Landtagsabgeordneten Melanie Reinecke, die auf Neuwahlen im Januar hofft, nicht erst im März. Die Kakofonie innerhalb der Ampel-Koalition, das absurde Theater in Berlin sei ein katastrophales Zeichen für die nationale Wirtschaft, aber auch fürs Ausland gewesen, so Reinecke.
Für die vorgezogene Bundestagswahl, wann immer sie auch stattfindet, sieht sie ihre lokale Organisation gerüstet. Niedersachsen sei bundesweit das einzige Land, in dem die CDU bereits alle Kandidaten und Kandidatinnen benannt habe. Noch im November wird die Landesliste zusammengestellt.
Da kaum Zeit bleibt, für ihre Kandidatin, Vanessa Zobel aus Bremervörde, zu werben, geht sie von einer Parteienwahl aus, bei der die Bewerber nicht die große Rolle spielen. Ihr Team sieht sie motiviert. Sie verspüre einen positiven Schwung, aber sie warnt auch: Bitte nicht zu früh freuen, noch ist die Wahl nicht gewonnen.
Frauke Langen (SPD) ist schon im Wahlkampfmodus
„Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner eine klare Richtungsentscheidung für unser Land getroffen“, sagt die SPD-Co-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Corinna Lange aus Deinste. Nun gehe es darum, einen geordneten Übergang zu vorgezogenen Neuwahlen zu gestalten. Deutschland brauche Klarheit und Stabilität. Die SPD-Bundestagskandidatin Frauke Langen sagt schon ganz im Wahlkampfmodus: „Die Menschen erwarten in der aktuellen Lage zu Recht neue Impulse für die Wirtschaft, mehr Geld für unsere Sicherheit, die Senkung der Energiepreise und zusätzliche Investitionen.“
„Am Ende ging es um die Entscheidung, ob wir in unser Land investieren oder ob wir es kaputtsparen wollen“, sagt Kai Koeser, gemeinsam mit Corinna Lange Vorsitzender der SPD im Kreis Stade. Wer bei der Beantwortung dieser Frage die innere, äußere und soziale Sicherheit gegeneinander ausspiele, handele verantwortungslos. Es brauche Investitionen in die Wirtschaft und die gesamte Infrastruktur. Straßen, Schiene, Schulen und Gesundheitssystem müssten zukunftsfähig gemacht werden. Durch den Krieg in der Ukraine bestehe eine krisenhafte Lage, die ein Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertige.
Koalitions-Aus
Welche Projekte Scholz bis Jahresende noch durchbringen will
„Wir sind startklar und hoch motiviert“, sagt Frauke Langen. Mit welchem Spitzenkandidaten die Sozialdemokraten in die Neuwahlen gehen, ist aus Sicht der Kreis-SPD eindeutig. „Olaf Scholz ist der Richtige. Das hat er jetzt gerade wieder bewiesen“, sagt Corinna Lange. Sie weiß um die hohen Popularitätswerte von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Lange: „Wir leben in einer Zeit, in der es sehr wichtig ist, einen guten Verteidigungsminister zu haben. Ich bin glücklich, dass Boris Pistorius das macht.“
Als SPD-Bundesabgeordneter bezeichnet Daniel Schneider aus Otterndorf den Mittwoch als politisch „unglücklichen Tag“. Deutliche Worte fand er für das Verhalten des aus der Ampel-Regierung ausgeschiedenen Koalitionspartners: „Das Framing der FDP ist eine Sauerei.“ Bundeskanzler Olaf Scholz habe bis zuletzt loyal zur Dreierkonstellation gestanden und alles darangesetzt, die Ampel zusammenzuhalten. Für die Abwicklung des Regierungsbündnisses habe Olaf Scholz „einen sinnvollen und besonnenen Weg“ gewählt.
CDU steht geschlossen hinter Friedrich Merz
Bei der CDU gibt es keine zwei Meinungen, wer nächster Bundeskanzler werden soll. Alle fünf Bewerber um die Direktkandidatur für den Bundestagswahlkreis Stade / Rotenburg hatten sich für Friedrich Merz ausgesprochen. Die Wahl rückt jetzt schnell näher. „Eigentlich hatte ich elf Monate, um mich bei den Menschen bekanntzumachen, jetzt sind es nur noch zwei oder drei“, sagt Vanessa-Kim Zobel aus Bremervörde. Sie hatte den spannenden Nominierungswettbewerb für den Wahlkreis gewonnen.
„Wir brauchen jetzt einen schnellen Neustart, damit die Menschen in Deutschland diese Katerstimmung endlich loswerden“, sagt die Bankkauffrau. Sie ist mit ihrem Arbeitgeber im Gespräch, um für den Wahlkampf Zeit zu haben. „Es gab einen Plan für den Sommer, den brauche ich jetzt schneller“, sagt sie.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Oliver Grundmann - dreimaliger Seriensieger - tritt nicht wieder an. Dass er jetzt früher in die politische Rente geht, stört ihn nicht. „Das Elend muss ein Ende haben“, sagt Grundmann über die Arbeit der Ampel. Scholz müsse jetzt die Vertrauensfrage stellen. Eine politische Insolvenzverschleppung dürfe es nicht geben. Die Bürger hätten es dann in der Hand, wer Deutschland aus der Krise führen soll und es mit Trump und Putin aufnehmen kann. Grundmann: „Mit Friedrich Merz schicken wir den besten Mann ins Rennen.“ Er sei der Kanzler, den der Sanierungsfall Deutschland jetzt brauche.
Enak Ferlemann, Bundestagsabgeordneter der CDU aus Cuxhaven, ist nicht überrascht von dem Zerwürfnis der Ampel. Er hätte dies bereits vor einem halben Jahr erwartet. Von Anfang an hätten die drei Parteien nicht zusammengepasst. Er hat die Erwartung, dass es jetzt schnell mit den Neuwahlen geht und keine Hängepartie entsteht. Ferlemann kritisiert die Art und Weise des Bundeskanzlers, die Entlassung von Christian Lindner bekanntzugeben. Er bemängelt die Worte, die Scholz in seiner Erklärung wählte. Das Verhalten von Verkehrsminister Volker Wissing, der am Donnerstag aus der FDP austrat, bezeichnet Enak Ferlemann als „unterirdisch“. Es habe dem „Fass den Boden ausgeschlagen“.
Kandidaten kommen zeitlich in die Bredouille
„Was gestern passiert ist, ist massiv falsch“, sagt Joachim Fuchs, Co-Kreissprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Die FDP habe verantwortungslos gehandelt. Jetzt seien alle Demokratinnen und Demokraten aufgerufen, gemeinsam für Stabilität zu sorgen, sagt der frisch gekürte Direktkandidat für den Wahlkreis Stade I / Rotenburg II. Er fordert, dass der Bundestag wichtige Gesetze vor seiner Auflösung nach einer Vertrauensfrage noch verabschiedet. Er will den Neuwahltermin im März.
Wie die anderen Kandidaten braucht der Lehrer aus Sauensiek jetzt schneller eine Arbeitszeitreduzierung, um sich auf den Wahlkampf konzentrieren zu können. In Sachen Spitzenkandidatur ist Joachim Fuchs eindeutig: Robert Habeck sei der Richtige dafür.
Stefan Wenzel, Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sagt: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Koalition gerade in dieser Zeit zusammenhält. Das ist leider nicht gelungen.“
Reaktionen auf Ampel-Aus
Tschentscher nach Ampel-Aus gegen schnelle Neuwahl
„Jeder Tag, an dem die Ampel nicht mehr regiert, ist ein guter Tag für Deutschland“, sagt Helmut Wiegers, Kreissprecher der AfD im Landkreis Stade. Die Partei hat das Problem, dass sie im Gegensatz zu SPD, CDU und Grünen noch keine Direktkandidaten aufgestellt hat. Das ist für Mitte November geplant. Ort und Zeit will die AfD nicht öffentlich machen. Die Partei hat Angst vor Störungen. Ob das TAGEBLATT zugelassen wird, ist noch offen.
„Wir sind sofort wahlkampffähig und der Januar-Termin ist der richtige“, sagt Helmut Wiegers. Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen im Osten strotzt die Partei vor Selbstbewusstsein. „Wir haben unsere Mitgliederzahl in den vergangenen eineinhalb Jahren verdoppelt“, so der AfD-Kreissprecher. Laut AfD sollen es rund 170 sein.
FDP sieht in Habeck den Hauptschuldigen
„Schnelle Neuwahlen sind die beste Option für unser Land“, sagt Hilke Ehlers vom FDP-Kreisverband. Angesichts der US-Wahl brauche Deutschland eine starke Wirtschaft. Ehlers hat den Hauptschuldigen ausgemacht: Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck habe mit dem Heizungsgesetz und ausufernder Bürokratie die Wirtschaft an die Wand gefahren. Der sozialdemokratische Kanzler habe nur zugesehen. Finanzminister Lindner hingegen habe als Einziger in der Koalition Vorschläge gemacht, die deutsche Wirtschaft zu stärken. Nur die Schuldenbremse zu lockern, sei keine Lösung.
„Wir kämpfen um unser Überleben und um den Wiedereinzug in den Bundestag“, sagt Benjamin Koch-Böhnke, Fraktionsvorsitzender der Linken im Kreistag und im Rat der Stadt Buxtehude. Die Umfragewerte sind schlecht und das Bündnis Sahra Wagenknecht entzieht der Partei Wähler und Personal. „Lindner hat es überreizt. Olaf Scholz musste ihn rausschmeißen, wenn er nicht als Clown dastehen wollte“, so Koch-Böhnke. Die Linkspartei trifft sich am Wochenende, um den Wahlkampf vorzubereiten.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht will bei der Bundestagswahl in der Region eine Rolle spielen. Aktuell gibt es vor Ort aber noch keine belastbaren Strukturen. Der niedersächsische Landesverband wurde mit 60 Mitgliedern im September gegründet. Im Landkreis gibt es eine Unterstützer-Gruppe. Die hat am Donnerstag auf eine Anfrage vom TAGEBLATT nicht reagiert.
„Das Ende der Ampel-Koalition darf nicht zu Stillstand führen“, sagt Detlef Bade als Präsident der Handwerkskammer Wolfsburg-Lüneburg-Stade. Das Handwerk brauche verlässliche Wirtschaftspolitik. Wichtig seien schnelle Entlastungen, vor allem die Bürokratie und die Strompreise müssten spürbar verringert werden. Bade: „Unsere Betriebe können nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, sondern brauchen jetzt Klarheit, wie es in Zukunft weitergehen wird.“