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Neue-Deutsche-Welle-Star

TAndreas Dorau: „Einen starken Willen hatte ich schon immer“

Andreas Dorau wurde 1981 mit dem Lied „Fred vom Jupiter“ bekannt.

Andreas Dorau wurde 1981 mit dem Lied „Fred vom Jupiter“ bekannt. Foto: Sönke Held

Mit dem Neue-Deutsche-Welle-Hit „Fred vom Jupiter“ wurde Andreas Dorau bekannt. Im Interview mit TAGEBLATT-Mitarbeiter Martin Sonnleitner spricht er über Außerirdische, Haltung und den Zustand des deutschen Schlagers.

Von Martin Sonnleitner Sonntag, 31.03.2024, 08:40 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Wie würden Sie Ihre Musik einem Außerirdischen erklären, der noch nie zuvor etwas von menschlicher Musik gehört hat?

Andreas Dorau: Dass es sich um eine tonale Musik handelt, die dem letzten Jahrhundert zuzuordnen ist, wobei die Texte schwer einzuordnen sind.

Ihre letzte Platte heißt „Im Gebüsch“. Was assoziieren Sie mit dieser Metapher?

Da diese Platte eine Songsammlung ist und kein Oberthema hat, fand ich „Im Gebüsch“ eine schöne Schatulle. Im Gebüsch findet man ja auch seltsame Sachen. Irgendwelche Überbleibsel eines Verbrechens oder Schmuckgegenstände. Ein schönes Sammelbecken.

Eine gewisse Sperrigkeit, also nicht eindeutig sein zu wollen, ist angelegt in Ihrer Musik?

Ich habe keine Lust auf gewisse Künstlerarchetypen. Ich möchte weder der Lustige sein - noch der Poet oder Zyniker - noch sonst eines dieser gängigen Role Models verkörpern. Ich versuche, mich schlangenhaft durch diese möglichen Angebote durchzulavieren. Auch musikalisch erlaube ich mir, das zu machen, was mir gerade gefällt.

Versuchen Sie mal, Ihre Texte in zwei Sätzen auf den Punkt zu bringen.

Die Stücke entstehen wie eine Kurzgeschichte aus Fragmenten, die sich in verschiedene Richtungen bewegen. Ich gucke mir die unterschiedlichen Stilistiken dann an und ordne sie nach Niveau, Einfachheit und auch Länge.

Sie haben im Januar Ihren 60. Geburtstag mit einem Konzert im Hamburger Knust gefeiert. Wie war die Stimmung?

Ich habe vor lauter Trubel so gut wie nichts mitbekommen. Ich hatte mir vorgenommen, dass ich, um nicht zu sehr über meinen Geburtstag nachdenken zu müssen, mich mit Beschäftigung vollballere. Damit habe ich es übertrieben.

War oder ist Ihr Publikum auch ein Abbild Ihres mittlerweile 45 Jahre währenden Oeuvres?

Ich glaube, es gibt drei Gruppen. Das Atatak-Publikum, das war das Independent-Label in meiner Frühphase, dann das 1990er-Jahre-Publikum, das ich über meine Videos bei VIVA erreicht habe und die Jüngeren, die den Postpunk vor einigen Jahren entdeckt haben und insofern auch mich.

Ihre Karriere startete mit „Fred vom Jupiter“ 1981. Sie waren 17 und eine Art Shootingstar der frühen Neuen Deutschen Welle. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?

Ich hatte ja das Pech oder auch Glück, dass „Fred vom Jupiter“ den Underground verlassen hatte. Es war das erste Stück aus meiner Szene, das in die normale Welt eindrang. Dann tauchten sehr schnell die ganzen Markuse, Hubert Kahs und all die anderen auf. Danach hatte ich nur noch damit zu tun, mich zu rechtfertigen, dass ich nichts mit denen zu tun hatte, was für mich schrecklich war. Das war der kommerzielle Ausverkauf.

Hat Sie dieser frühe Erfolg dennoch geprägt?

Mein Glück war tatsächlich, dass ich, als der ganze Hype um „Fred vom Jupiter“ vorbei war, erst 19 war. So konnte ich alles komplett neu überdenken und habe angefangen, Film zu studieren. Ich war auch nie Musiker in klassischer Hinsicht. Ich wollte Tonträger herstellen. In Proberäumen oder live zu spielen, hat mich nie interessiert.

Anfang der 1980er Jahre galt ja Synthie-Pop als Maß aller Dinge. Auch Ihre Musik ist sehr elektronisch geprägt. Was sind die wichtigsten Einflüsse und Inspirationen?

Ich wollte nie Synthie-Musik machen, auch wenn die Neigung zu Dancing-Stücken schon immer da war. Ich wollte mich nie festlegen. Gerade bei elektronischer Musik tun mir die Künstler oft leid. Wenn du zu lange ein Haus bewohnst, das du dir musikalisch selber gebaut hast, hast du ein Problem, es zu renovieren.

Aber braucht man als Künstler keine Wiedererkennung, um den Mainstream besser bedienen zu können?

Ich entscheide von Stück zu Stück, bin nicht daran interessiert, einer Gruppe oder einem Lager anzugehören. Ich höre alle möglichen Arten von Musik. Ich bin nie ein reiner Indie-Hörer gewesen. Wenn mein eigener Geschmack in Richtung einer breiteren Publikumsschicht tendiert, habe ich auch nichts dagegen.

Sie wollten ja schon mit Ihrer ersten Band „Andreas Dorau und die Marinas“ weder Punk sein, wie es in der damaligen deutschen Underground-Szene angesagt war, noch dem Mainstream und Major-Label andienen. Eine Haltung war also schon früh da?

Einen starken Willen hatte ich schon immer.

Welchen Einfluss haben die Streamingdienste für Ihre Reichweite?

Ich freue mich über Spotify. Es schwirren mehrere Alben von mir da herum. Leuten wird was vorgeschlagen, und sie können meine Musik entdecken. Ich würde sie sonst nicht erreichen.

Haben Ihre persönlichen Erfahrungen Ihr Songwriting beeinflusst?

Meine Stücke haben selten autobiografische Bezüge. Wenn, dann nur so, dass mich keiner dabei erwischt.

Wie bewerten Sie den Zustand des deutschen Schlagers?

Wenn ich durch die Stadt gehe und die großen Plakate von Open-Air-Veranstaltungen sehe, finde ich es interessant, welch breites Spektrum Schlager jetzt hat. Es reicht von Kerstin Ott über Jürgen Drews bis hin zu den Ballermann-Leuten. Es ist sehr facettenreich. Trotzdem möchte ich mit dieser Szene nichts zu tun haben.

Sie waren auch in Frankreich mit Ihren Platten erfolgreich und in den Charts. Fühlen Sie sich mit Ihrer Art Musik zu machen dem französischen Chanson näher als deutscher Pop- und Schlagermusik?

Nein, aber tatsächlich finden sich in meiner Musik Einflüsse von französischer Musik. Ich habe viel davon gehört und berufe mich zum Teil auch darauf.

Wie gehen Sie mit kreativen Blockaden um?

Über mögliche Lösungen nachzudenken, macht mir Spaß, sie sind aber von Fall zu Fall anders. Früher haben mich kreative Blockaden total erschrocken, inzwischen kann ich ganz gut damit umgehen. Ich muss keine Platten rausbringen, muss somit niemanden enttäuschen oder vertragliche Verpflichtungen erfüllen.

Wollen Sie mit Ihrer Musik auch Botschaften versenden, wenn ja, welche?

Versteckt tauchen kleinere Botschaften auf, die ich aber nicht mit erhobenem Zeigefinger vor mir hertrage. Ich bin Musikfan, möchte gute Texte schreiben, mache aber nicht primär Musik, um Inhalte zu transportieren.

Ihr Vater war als protestantischer Pfarrer im NS-Widerstand. Hat Sie das geprägt?

Ja. Ich bin dankbar dafür, wie meine Eltern mich geprägt haben, nämlich nicht mit den Schafen zu blöken. Dass ich meine eigenen Ideen verfolgen und Dinge auch hinterfragen soll.

Sie haben Film studiert, auch ein Musicalstück auf Kampnagel inszeniert mit dem Titel „König der Möwen“. Wie wichtig sind Ihnen diese Genres?

„Genres“ ist auch schon wieder eine sehr enge Jacke. Mich interessiert es nicht, eine systemkonforme Arbeit abzuliefern. Es geht mir um meine Version, wie ich mich damit wohlfühle oder was ich sehen oder hören will.

Inwieweit spielen visuelle Elemente bei der Interpretation Ihrer Songs eine Rolle?

Videos sind für mich ein ganz wichtiges Ausdrucksmittel und eine Art drittes Standbein zu Musik und Text. Durch sie kann ich die Interpretation eines Stückes noch einmal beeinflussen.

Was erwartet uns als Nächstes von Andreas Dorau?

Es gibt noch einige Konzerte. Dann Lesungen mit meinem Kollegen Sven Regener. Mit ihm habe ich mein zweites Buch „Die Frau mit dem Arm“ mit autobiografischen Bezügen veröffentlicht. Uns begleitet da das Filmorchester Babelsberg. Und ich werde ich diesem Jahr noch ein weiteres Album rausbringen.

Zur Person: Andreas Dorau schrieb bereits mit 15 Jahren im Rahmen einer Schul-AG den späteren Hit der Neuen Deutschen Welle „Fred vom Jupiter“. Er studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und arbeitete als freier Video-Consultant. Immer wieder brachte der 60-Jährige auch Alben heraus. In Frankreich landete er mit „Girls in Love“ 1996 einen Top-10-Hit. 2017 schaffte er mit seinem Album „Die Liebe und der Ärger der Anderen“ erstmals den Sprung in die Albumcharts. Dorau lebt in seiner Heimatstadt Hamburg.

Bitte ergänzen Sie...

Humor ist… Geschmacksache.

Hamburg ist… meine Geburtsstadt.

Mein schönster Ort in Hamburg ist… keiner.

Wenn ich nicht Musiker wäre, wäre ich… ich bin kein Musiker.

Science-Fiction bedeutet mir… nicht so viel.

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