Zähl Pixel
Raubtier

TAngst vor Wolfsangriffen: Harsefelder Eltern fordern Schutz für ihre Kinder

CDU-Politiker unter sich: Markus Eisenblätter übergibt den Forderungskatalog aus Harsefeld an die Landtagsabgeordnete Birgit Butter.

CDU-Politiker unter sich: Markus Eisenblätter übergibt den Forderungskatalog aus Harsefeld an die Landtagsabgeordnete Birgit Butter. Foto: Schröder

Der Wolf hat die Voraussetzungen für die Weidetierhaltung bereits massiv verändert. Aber auch bei Eltern von Kindern ist die Angst vor Angriffen präsent. Das hat eine Umfrage der CDU Harsefeld gezeigt - und das sind die Antworten der Bürger.

author
Von Miriam Fehlbus
Donnerstag, 11.01.2024, 05:50 Uhr

Harsefeld. Rinder auf der Weide. Das gibt es in Brest in der Samtgemeinde Harsefeld das ganze Jahr über. Aber die Angst ist immer da, spätestens seit in Wiepenkathen Rinder gerissen wurden. Die für den Wolf vermeintlich zu großen Tiere eignen sich ebenso wie junge Pferde oder Ponys als Beute.

Weidetierhalter Stefan Jablinski aus Brest hat vorgebeugt: Er hält Mutterkühe der Rasse Simmenthaler Fleckvieh sowie Pferde und hat die Weiden mit einem Wolfsschutzzaun nach den Vorgaben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gesichert. Ob er sich darauf verlassen kann, weiß er nicht, erzählt er den Mitgliedern des Vorstandes des CDU-Samtgemeindeverbands Harsefeld.

Aufwendige Pflege des Zauns - zweifelhafte Wirkung

Auch diese Zäune werden von Wölfen überwunden und es kommt zu Rissen von Weidetieren. Der Zaun mit fünf gespannten Drähten setzt dabei auf die Abwehr der Wölfe mittels Stromgerät. Die Spannung reicht aus, um dem Wolf einen ordentlichen Schreck zu verpassen, wenn er ihn berührt.

Der oberste Draht ist etwa 1,20 Meter hoch. Der unterste Draht verläuft nur etwa 15 Zentimeter über dem Boden. Er soll als Untergrabeschutz dienen. Das aber macht die Pflege des Zaunes sehr aufwendig.

Reduktion des Wolfsbestandes gefordert

Bodenunebenheiten durch Maulwurfshügel und Bewuchs durch Brombeeren oder Gräser müssen im Sommer fast täglich an den Zäunen entfernt werden, damit es nicht zur Ableitung kommt. „Als Ergebnis der Besichtigung kann festgehalten werden, dass Wolfsschutzzäune zum Schutz für die Weidetiere das Risiko von Wolfsrissen verringern, aber nicht ausschließen“, so der CDU-Samtgemeindeverband in einem Schreiben an die Landespolitik.

„Aufgrund der bereits sehr hohen Wolfsdichte in unserer Region muss daher umgehend mit einer Reduktion des Wolfsbestandes auf ein verträgliches Maß begonnen werden“, heißt es weiter. Noch am Zaun wurde der Forderungskatalog an die Landtagsabgeordnete Birgit Butter (CDU) übergeben.

Stefan Jablinski aus Brest zeigt den untersten Draht als Untergrabeschutz, der im Sommer wöchentlich freigemäht werden muss.

Stefan Jablinski aus Brest zeigt den untersten Draht als Untergrabeschutz, der im Sommer wöchentlich freigemäht werden muss. Foto: Schröder

Milliarden für Schutz wären nötig

Dazu haben die Harsefelder Christdemokraten die Daten einer Umfrage gestellt. 154 Personen haben an drei Infoständen Ende des vergangenen Jahres daran teilgenommen. Eine Frage richtet sich auf die staatliche Förderung von Herdenschutzzäunen wie sie in Brest zu sehen sind.

Um Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen entsprechend einzäunen zu können, wären 2,2 Milliarden Euro nötig, so die CDU Harsefeld. Halten Sie diese staatlichen Ausgaben für sinnvoll?, lautet die Frage. Eindeutig richtig, sagen 11 Prozent der Befragten. Eher richtig, sagen 11,7 Prozent. Unentschieden kreuzen 16,2 Prozent an. 61 Prozent sagen, das sei eher falsch.

Bei der Frage, wie zukünftig mit dem Wolf umgegangen werden sollte, sagen 92,2 Prozent, der Wolfsbestand sollte so angepasst werden, dass er den landschaftlichen und landeskulturellen Voraussetzungen entspricht. 7,8 Prozent sagen, der Wolf sollte weiter streng geschützt werden.

Ein ausgewachsener weiblicher Wolf steht in seinem Gehege im Tierpark Eekholt.

Der Wolf soll auch künftig geschützt werden. (Archiv) Foto: Christian Charisius/dpa

Eltern bringen Kinder mit Auto zur Bushaltestelle

Bei der Frage, ob sie eine Gefahr für sich, ihre Familie und Tiere sehen, sehen 42,9 Prozent der Befragten eine große Gefahr, 27,9 Prozent eine mittlere und 21,4 eine geringe Gefahr. 7,8 Prozent sehen keine Gefahr.

Bei den Umfragen in der Samtgemeinde Harsefeld äußerten besonders Eltern Sorgen. Vor allem aus dem dörflich geprägten Bereich der Gemeinde Ahlerstedt wurde am Infostand mehrfach auf eine Veränderung aufmerksam gemacht.

So dürften viele Kinder nicht mehr morgens im Dunkeln alleine zur Bushaltestelle gehen. Die Haltestellen liegen dabei zum größten Teil nicht an Fußwegen oder in dichter Wohnbebauung, sondern an wenig befahrenen Straßen mit angrenzendem Wald.

Zwei Wolfswelpen stehen auf einem Feld.

Jungtiere gelten als unbedarfter und ziehen sich erst später zurück, so Experten. (Archiv) Foto: Torsten Beuster/-/dpa/Symbolbild

Mitunter würden Kinder jetzt von Eltern mit dem Auto zur Haltestelle oder sogar ganz zur Schule gebracht, schildern Eltern. Die meisten Teilnehmer der Umfrage kommen nach eigenen Angaben aus der Gemeinde Ahlerstedt (47,4 Prozent).

Der zweitgrößte Teil kommt aus Harsefeld, zusammen mit den Ortsteilen Issendorf und Hollenbeck (41,6). Aus Bargstedt und Brest nahmen entsprechend weniger Menschen teil. Die größte Gruppe der Befragten war älter als 35 Jahre (69,3 Prozent).

Forderungen an die gesetzgebende Politik zur Wolfspopulation

Der Forderungskatalog der CDU zum Wolfsmanagement führt die über die Umfrage ermittelte Angst der ländlichen Bewohner an erster Stelle an. Die Sorge, dass Kinder, Jogger, Reiter vom Wolf angegriffen werden könnten, steige angesichts der zunehmenden Zahl von Wolfsrissen.

Im vergangenen Herbst wurden im Landkreis Stade auf einer Weide in Gräpel 55 Schafe getötet. Es war der bisher größte bekannte Wolfsriss. In zeitlich nahem Abstand folgten weitere Meldungen von getöteten oder schwer verwundeten Weidetieren.

Ein junger Wolf steht in einem Gehege im Tierpark.

Eine Ober- und Untergrenze für Wölfe in der Region erscheint sinnvoll. (Archiv) Foto: Christian Charisius/dpa

Immer häufiger werde der Wolf in der Region auch in besiedelten Gebieten gesehen. Über 500 Wölfe gibt es derzeit in Niedersachsen nach Schätzungen. Diese Populationen werden nach der Ranz im Frühjahr deutlich zunehmen, heißt es in den Ausführungen.

„Wir fordern die Einführung des schwedischen Modells. Dazu muss eine vertretbare Wolfsdichte zahlenmäßig definiert werden“, so die vom CDU-Vorsitzenden Markus Eisenblätter sowie den Stellvertretern Melanie Mohnen, Mirco Dawideit und Hartmut Schröder unterschriebene Forderung aus der Samtgemeinde Harsefeld.

Weitreichende Forderung zum Abschuss von Wölfen

Die Entnahme sollte insbesondere „Problemwölfe“ und Wölfe in sensiblen Gebieten berücksichtigen. So ist besonders an den Deichen die Pflege durch Schafe üblich.

Erheblich weiter als viele andere Forderungen geht der Katalog an dieser Stelle: Beim Wolf solle es eine Gleichbehandlung mit allen anderen Tieren, deren Bestände reguliert werden, geben. „Der Wolf ist nicht die Krone der Schöpfung“, heißt es wörtlich im Schreiben an die Politik in Hannover.

Den unteren Jagdbehörden auf Landkreisebene solle die Entscheidungskompetenz für Wolfsentnahmen zugestanden werden. Das ist laut Wolfsschutzverordnung derzeit schon Rechtsstand. Derzeit muss jedoch nachgewiesen sein, dass derselbe Wolf mindestens zwei Mal bestehenden und ausreichenden Herdenschutz überwunden und Weidetiere angegriffen hat.

Trotz zahlreicher Fälle in den vergangenen Monaten in der Region durfte bisher kein einziges Tier entnommen werden. Ein neues Schnellabschussverfahren, das ab Anfang dieses Jahres gültig ist, soll die Bejagung von Wölfen, die Nutztiere angegriffen haben, vereinfachen. Der Praxistest hier steht noch aus.

Weitere Artikel