TAngst vor dem Verkehr: Baljer hadern mit dem Kleiabbau für den Deich
Rund 80 Interessierte besuchten jüngst die Ratssitzung im Dorfgemeinschaftshaus der Gemeinde Balje. Foto: Helfferich
80 Bürgerinnen und Bürger besuchten die Ratssitzung in Balje. Sie treibt um, dass 540 Hektar Kleierde, also bestes Ackerland, in den Deich verbaut werden sollen.
Balje. Baljes Alt-Bürgermeister Hermann Bösch hat sich in den Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) eingelesen. Insbesondere die als Vorrangflächen vorgesehenen Kleiabbauflächen in Balje beschäftigen ihn. Sie gelten als bestes Ackerland. Auch Wischhafen ist betroffen.
Ende vergangener Woche berichtete Bösch in der Ratssitzung, dass der Landkreis in Nordkehdingen insgesamt 540 Hektar Vorrangfläche für den Kleiabbau plane. „Mit dem Vorranggebiet wird planrechtlich sichergestellt, dass diesen Bereichen bei künftigen Planungen der Kleigewinnung Vorrang eingeräumt wird“, so Bösch.
Große Sorge wegen des entstehenden Verkehrs
Nach Böschs Recherchen werden 1,5 Millionen Kubikmeter Klei benötigt. Für einen Kilometer Deich würden 100.000 Kubikmeter Erde verarbeitet. Würde am Kleiabbau festgehalten, erfolgten pro Kilometer Deich 4000 Lkw-Fahrten. Das erste Stück der Deicherhöhung, vom Oste-Sperrwerk bis zum Leuchtturm, betrage sechs Kilometer. Dann führen 24.000 Lkw durch Balje-Hörne. Ein Zuhörer errechnete sogar in Summe 40.000 Lkw; beides mutmaßlich mit Folgen für den Zustand der Straßen, der Häuser und letztlich auch der Menschen.
Hermann Bösch fordert, die Planung der Vorranggebiete zurückzunehmen und die Erde deutlich näher am Landesschutzdeich an der ersten Deichlinie zu nutzen. Außerdem müssten endlich Lagerflächen geschaffen werden, wo von außerhalb gelieferte Erde trocknen könne. Er verweist zudem darauf, dass nach der Sturmflut 1976 im Bereich Hünkenbüttel Boden dem Vorland entnommen wurde. Dort haben sich Flachwasserzonen gebildet, die dem Naturschutz dienen.
Landschaftsschutzvertrag sieht Ausnahme vor
Das wären die Alternativen: Bösch lenkt den Blick auf andere Flächen, auf das Natura-2000-Gebiet und das Landschaftsschutzgebiet. Dort sei die Kleigewinnung in der Regel unzulässig, sofern nicht überwiegendes öffentliches Interesse bestehe. Böschs Fazit: „Es ist zwar schwierig, in den genannten Schutzgebieten Klei zu entnehmen, aber es ist nicht verboten.“
Und er verweist auf den 2017 unterzeichneten Landschaftsschutzvertrag Kehdinger Marsch. Dort heißt es im Paragraf 5 (Freistellungen), Absatz 15, dass die Erd- und Kleigewinnung im Bereich von Ackerflächen für Deichbauzwecke freigestellt ist.
Da sich die Deicherhöhung über Jahrzehnte hinziehen werde, sei der Naturschutz nur temporär betroffen, sagt Bösch. Und er äußerte eine gewagte These: „Wir haben so viele Angebote an Erde, wir brauchen die als Vorrangflächen ausgewiesenen Kleiabbauflächen gar nicht.“
Das einzige Kleiabbaugebiet im Landkreis Stade
Der frühere Bürgermeister moniert, dass das 540 Hektar große Kleiabbaugebiet die einzige Klei-Vorrangfläche im gesamten Landkreis sei. Die noch im vorherigen Raumordnungsprogramm vorgesehenen Kleiabbauflächen zwischen Horneburg und Buxtehude seien inzwischen gestrichen. Das nähre das Gerücht, dass der Klei in diesen Mengen abgebaut werde, um das Alte Land mitzuversorgen.
Alle Betroffenen sollten bis zum 7. Januar eine Stellungnahme beim Landkreis abgeben, so Bösch. „Wir wünschen uns, dass der Kreistag mit großer Geschlossenheit das RROP verabschiedet und dass wir unsere Forderungen dort eins zu eins wiederfinden.“
Für die landwirtschaftlichen Betriebe vor Ort bedeute der Kleiabbau den Einstieg in den Ausstieg, so Bösch. Die für die Deicherhöhung notwendige Erde solle möglichst nah an der Baustelle gewonnen werden. Das erfordere unbedingt, sofort Lagerflächen zur Verfügung zu stellen.
Zuhörer Wolfgang Gellert regte an, an Oste oder Ruthenstrom Landungsstellen zu schaffen, „die Masse an Erde sollte per Schiff kommen“. Das bestärkte auch der örtliche Deichgraf Klaus Leydecker. Bürgermeisterin Rike Feil (CDU) wies auf den erwartbar hohen CO2-Ausstoß durch die Vielzahl an Kleitransporten hin. Außerdem fürchtet sie einen Wertverlust der Immobilien vor Ort. Ratsfrau Christina Quast (CDU) kritisiert, dass der Naturschutz über die Landwirtschaft gestellt werde. „Unsere Arbeit ist doch so wertvoll, gerade weil wir Lebensmittel produzieren.“

Der Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms sieht vier Vorrangflächen für Kleiabbau (braun-grau abgebildet) vor. Foto: Landkreis Stade
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