TAnklage nach Flughafen-Geiselnahme: Diese Strafe droht dem Buxtehuder Vater

Salman E. hatte seine vierjährige Tochter 18 Stunden lang in seiner Gewalt, bevor er verhaftet werden konnte. Foto: Jonas Walzberg/dpa
18 Stunden lang sorgte Salman E. auf dem Rollfeld des Hamburger Flughafens für einen Nervenkrimi, seine vierjährige Tochter in seiner Gewalt. Was der Generalstaatsanwalt dem 35-Jährigen zur Last legt.
Hamburg. Gut vier Monate nach der 18-stündigen Geiselnahme am Hamburger Flughafen hat die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Täter Salman E. erhoben. Der 35 Jahre alte Türke aus Buxtehude soll sich wegen Geiselnahme, Entziehung Minderjähriger, vorsätzlicher Körperverletzung und Waffendelikten verantworten, wie die Anklagebehörde am Donnerstag mitteilte.
Im Fall einer Verurteilung drohen Salman E. bis zu 15 Jahre Haft. Einen Termin für die Hauptverhandlung gebe es noch nicht, hieß es weiter.
Salman E. werde vorgeworfen, seine vierjährige Tochter gegen 19.30 Uhr am 4. November vergangenen Jahres aus der Wohnung der Mutter in der Udonenstraße in Stade entführt zu haben und mit dem Kind in einem schwarzen Audi zum Hamburger Flughafen gefahren zu sein. Mit dem Wagen habe er drei Schranken durchbrochen und sei bis auf das Vorfeld gefahren. Dort habe der 35-Jährige mit einer Pistole mehrfach in die Luft geschossen und zwei brennende Molotowcocktails aus dem Fahrzeug geworfen. Zudem habe er gedroht, drei Bomben bei sich zu haben, die sich später als Attrappe herausstellten. Es hatte sich um ein mit Alufolie umwickeltes Buch gehandelt, in das Drähte gesteckt waren.
Generalstaatsanwalt erhebt Anklage gegen Geiselnehmer aus Buxtehude
Mit der Aktion wollte Salman E. laut Anklage seiner Forderung nach Bereitstellung eines Flugzeugs zur ungehinderten Ausreise in die Türkei für sich und seine Tochter Nachdruck verleihen. Hintergrund war ein Sorgerechtsstreit mit der 38 Jahre alten Mutter des Mädchens.
Laut einem Zeugen aus der Nachbarschaft soll die Mutter auf der Straße gestanden, geschrien und versucht haben, das Auto noch zu stoppen, in dem ihr Ex-Partner und die gemeinsame Tochter saßen. Das berichteten Nachbarn dem TAGEBLATT.

In diesem Wohnhaus in Stade hat die Mutter mit ihrer kleinen Tochter gelebt. Foto: Alexandra Bisping
Salman E. habe die 38-Jährige auf der Udonenstraße fast angefahren, danach sei sie zusammengebrochen. E. soll die Ex-Partnerin mit einer halbautomatischen Waffe bedroht und dabei einen Schuss in die Luft abgegeben haben. Mittlerweile ist bekannt, dass der Täter aus rechtlicher Sicht keine Waffe haben durfte.
Schusswaffe war mit einer Patrone durchgeladen
Nach 18 Stunden, in denen sich die psychische und physische Verfassung von Salman E. verschlechterte, konnte der Angeschuldigte schließlich von der Polizei festgenommen werden, nachdem er seine vermeintliche Sprengstoffweste freiwillig abgelegt und seine Tochter einer Polizeibeamtin übergeben hatte. Mit Blick auf die Gefährdung des Kindes hatte die Polizei zunächst von einem Zugriff abgesehen. Die Vierjährige war körperlich nicht zu Schaden gekommen.

Die Polizei beim Zugriff auf dem Rollfeld. Foto: Jonas Walzberg/dpa
Bei seiner Festnahme trug der Buxtehuder außerdem ein Messer, 22 Schuss Munition, ein Reizstoffsprühgerät und eine mit einer Patrone durchgeladene und entsicherte Schusswaffe bei sich.

Einsatzkräfte der Feuerwehr positionierten sich entlang der Alsterkrugchaussee. Foto: Bodo Marks/dpa
Noch während die Geiselnahme lief, hatte die Polizei gemeinsam mit der Feuerwehr Buxtehude die Wohnung von Salman E. in der Schröderstraße durchsucht. Weil Sprengstoffe nicht auszuschließen waren, gelangten die Beamten über den Balkon in die Wohnung.

Noch während der Geiselnahme wurde die Wohnung von Salman E. in Buxtehude durchsucht. Foto: Weselmann
Buxtehuder Geiselnehmer den Behörden in Stade bekannt
Der Geiselnehmer war bereits im Frühjahr 2023 zu einer Geldstrafe von 3600 Euro wegen Entziehung Minderjähriger verurteilt worden. Salman E. hatte das Mädchen im März 2022 in seine Heimat mitgenommen. Die Mutter hatte Anzeige erstattet, dann aber zunächst versucht, auf anderem Wege die Sache zu regeln. Zunächst war das Verfahren daher eingestellt worden.
Am 2. September 2022 hatte die Frau dann noch einmal Anzeige erstattet. Zuvor hatte im Juli das Familiengericht des Amtsgerichts Stade dem Vater die elterliche Sorge entzogen und das Sorgerecht allein der Mutter übertragen. Die Frau holte ihre Tochter demnach am 17. September aus der Türkei ab und brachte sie zurück nach Deutschland.
Flughafen Hamburg will Schadensersatz von Buxtehuder Geiselnehmer
Während der Geiselnahme war der gesamte Flughafen lahmgelegt. Der Flughafen hatte jüngst angekündigt, Schadensersatz bei einer Verurteilung von Salman E. einzufordern. Eine sehr hohe Summe, nämlich eine halbe Million Euro, will der Airport von dem Geiselnehmer verlangen.
Airport-Geschäftsführer Christian Kunsch ist in diesem Fall zwar nicht sehr optimistisch, dass der 35-Jährige die Kosten auch wirklich erstatten wird. Der Flughafenchef betonte aber: „Es geht nicht, dass jemand uns schädigt und wir das dann nicht in Rechnung stellen.“ Es gehe auch um eine Signalwirkung.

Überblick über den Tatort. Foto: dpa
Der Schaden durch Flugausfälle sei immens gewesen. Mindestens 213 der insgesamt 286 geplanten Flüge waren laut Airport zuvor gestrichen worden. Flughafen und Terminals mussten evakuiert, der gesamte Bereich weiträumig abgesperrt werden. Zahlreiche Passagiere mussten die Nacht in einem Flughafen-Hotel verbringen.

Hunderte Reisende mussten umplanen. Foto: Bodo Marks/dpa
Insgesamt waren rund 920 Beamte aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und der Bundespolizei im Einsatz.
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Hamburg: Flughafen-Zufahrten werden jetzt massiv geschützt
Bundesweit entbrannte durch den Fall eine Debatte um fehlende Sicherheitsstandards auf Flughäfen. In Hamburg-Fuhlsbüttel ist bereits reagiert worden. Es gibt neue bauliche Sicherheitsvorkehrungen an den Zufahrten. Dazu zählen Betonbarrieren und mobile Rammschutzanlagen. Einige Ausfahrten seien auch verlegt worden. Die Umbauten sollen verhindern, dass Fahrzeuge mit Gewalt in das Gelände des Airports eindringen können.

Eine mobile Rammschutzanlage sichert eine Einfahrt zum Flugfeld am Südende des Hamburger Flughafens. Foto: Christian Charisius/dpa
Geplant ist in den kommenden Wochen die Installation von massiven Schutzanlagen wie stählerne Falttore und hydraulisch versenkbare Stahlpoller. Der Flughafen investiert dafür über eine Million Euro. (dpa/bt)