TAnrufe bei ärztlichen Notfällen: Das soll sich ändern

Blick in die Zentrale Notaufnahme im Stader Elbe Klinikum. Foto: Archiv/Knappe
Stundenlanges Warten in der Notaufnahme, überlastete Ärzte und Pflegekräfte - Patienten werden im akuten Fall heute oft nicht ideal versorgt. Ein Stader Modell kann bundesweit Schule machen.
Landkreis. Beim Neujahrsempfang der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) konnte der Vorsitzende Dr. Stephan Brune über positive Entwicklungen sprechen. Der niedergelassene Kardiologe nutzte eine Vorlage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Hilfesuchenden sollen bereits am Telefon oder vor Ort im Krankenhaus verstärkt in eine nahe Praxis geschickt oder telemedizinisch betreut werden. Das ist das Ziel einer Notfallreform, die Lauterbach am Dienstag vorlegte. Seitens der KVN gab es Zustimmung.
Beide Notfallnummern an einer Stelle zusammenführen
Unter anderem soll der Notruf 112 besser mit der Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung vernetzt werden. Das war im Landkreis Stade in der Rettungsleitstelle in Wiepenkathen schon gängige Praxis, wurde aber vor ein paar Jahren geändert.
Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst wird außerhalb der Praxisöffnungszeiten durch niedergelassene Ärzte sichergestellt. Erreichbar ist der Dienst über die Nummer 116 117. Nur in lebensbedrohenden Notfällen soll 112 gewählt werden. „Wenn beides in der Rettungsleitstelle verknüpft ist, hilft das bei der guten und bedarfsgerechten Versorgung der Menschen“, sagt Ärztesprecher Brune. Es gibt zunehmend Probleme, angesichts des Ärztemangels und des hohen Durchschnittsalters der Mediziner den Bereitschaftsdienst in der jetzigen Form aufrechtzuerhalten.
Bereitschaftsdienst
T Fehlende Ärzte: Praxissterben gefährdet jetzt auch die Notfallversorgung im Kreis Stade
Niedergelassene Ärzte beteiligen sich an Ärzte-Ausbildung
Die KVN Stade ist das Selbstverwaltungsorgan von 900 niedergelassenen Ärzten zwischen Hamburg und Bremen. Der Neujahrsempfang ist Treffpunkt wichtiger Akteure im Gesundheitssystem. Stephan Brune konnte neben Problemen eine weitere gute Nachricht öffentlich machen. Ab April beteiligen sich die niedergelassenen Ärzte an der Ausbildung der Studenten aus Riga. Das von den Elbe Kliniken Stade-Buxtehude und dem Landkreis Stade initiierte Pilot-Projekt bringt deutschsprachige Medizinstudenten der Universität der lettischen Hauptstadt für drei Jahre in den Kreis. Das soll helfen, den Medizinermangel zu bekämpfen. Der Region droht die Unterversorgung. Auch das thematisierte Brune.

KVN-Geschäftsführer Sören Rievers (von links), Professor Norbert Roeder und Dr. Stephan Brune, Vorsitzender des KVN-Bezirksausschusses Stade. Foto: Hutcheson
Gesundheitspolitischer Rahmen verändert sich dramatisch
Als hochkarätigen Referenten für den Neujahrsempfang konnte die KVN Professor Norbert Roeder gewinnen. Sein Thema waren die Probleme, die Gesundheitsversorgung in der Zukunft aufrechtzuerhalten. Der gesundheitspolitische Rahmen für Krankenhäuser verändere sich dramatisch, so Roeder. Der politische Unterstützungswille aus der Corona-Pandemie für Krankenhäuser existiere nicht mehr, das Geld ist knapp in den Bundes- und Landeshaushalten, es gebe stationäre Überkapazitäten, die Finanzierbarkeit und Personalverfügbarkeit dominierten die Diskussion über das deutsche Gesundheitswesen. Sein Fazit: „Wir werden die zukünftige Versorgung nur gemeinsam gestalten können.“ Es sei notwendig, verfügbare Kräfte zu bündeln, um eine Versorgung annähernd auf dem in der Vergangenheit bekannten Niveau halten zu können.
Praxen geschlossen
Sind 146.000 Euro im Jahr zu wenig für einen Arzt?
Wann in die Notaufnahme - und wann nicht?
Ob die Notaufnahme die richtige Anlaufstelle ist - das hängt davon ab, wie ernst die Symptome sind. Akute Beschwerden sind längst nicht immer ein Fall für die Notfallversorgung. Doch wie ernst ist der eigene Gesundheitszustand, ist die Notaufnahme doch die richtige Adresse? Hier kommt ein Überblick, der bei einer Einschätzung hilft:
Was ist ein medizinischer Notfall?
Wenn das Leben in Gefahr ist oder bleibende Schäden drohen, ist schnelle Hilfe ein Muss - es sind Notfälle. Daher gilt: „In lebensbedrohlichen Situationen, wenn jede Minute zählt, sofort die 112 anrufen“, so Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Die Leitstelle kann einen Rettungswagen schicken, der einen in die Notaufnahme bringt. Alternativ kann man sich auch selbst in die Notaufnahme begeben oder bringen lassen, sofern der gesundheitliche Zustand das zulässt.
Doch was sind Beschwerden, bei denen schnelle Hilfe notwendig ist? Der Stiftung Gesundheitswissen zufolge liegt ein Notfall vor, wenn eine Person bewusstlos wird oder ihr Bewusstsein erheblich getrübt ist.
Auch starke Brustschmerzen oder Herzbeschwerden sind ein Fall für die Notaufnahme, weil sie auf einen Herzinfarkt hindeuten können. Ebenso Atemnot, hinter der zum Beispiel eine Lungenembolie oder eine schwere allergische Reaktion stecken können.
Auch starke Blutungen, die sich nicht stillen lassen, sind Notfälle. Ebenso Unfälle mit Verdacht auf schwere Verletzungen, starke Verbrennungen, Stromunfälle und Krampfanfälle.
Und: Wer anhaltende stärkste Schmerzen erlebt, wendet sich der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge ebenfalls an die Notaufnahme. Ursache für enorm starke Bauchschmerzen etwa kann eine Blinddarmentzündung sein, die unbehandelt zu lebensbedrohlichen Kreislaufstörungen führen kann.
Auch Vergiftungen können lebensbedrohlich werden. In so einem Fall kann man sich auch über die Giftnotrufzentrale der Region eine erste Einschätzung einholen, was nun am besten zu tun ist.
Welche Beschwerden gehören nicht in die Notaufnahme?
Starke Hals- und Ohrenschmerzen sind der Stiftung Gesundheitswissen zufolge keine Notfälle. Das gilt auch für akute Harnwegsinfekte wie Blasenentzündungen, für Rücken- oder Bauchschmerzen. Auch ein Magen-Darm-Infekt mit Erbrechen und Durchfall gehört nicht in die Notaufnahme, Erkältungen mit hohem Fieber auch nicht.
Aber diese Beschwerden sind trotzdem quälend - und sie können oft nicht warten, bis am nächsten Morgen oder am Montag die Hausarztpraxis wieder öffnet. Die Anlaufstelle in solchen Fällen: der Ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen, der unter der Telefonnummer 116 117 zu erreichen ist.
Auf der dazugehörigen Webseite 116117.de gibt es außerdem ein Patienten-Navi: Dort gibt man seine gesundheitlichen Beschwerden ein, beantwortet Detailfragen dazu - und bekommt am Ende eine Empfehlung, was nun am besten zu tun ist. Es gibt auch eine Suche nach Bereitschaftspraxen, an die man sich außerhalb der üblichen Sprechzeiten wenden kann.
Meine Arztpraxis hat zu - kann ich in die Notaufnahme kommen?
Die Hausärztin ist krank oder im Urlaub. Wohin jetzt bei akuten Beschwerden? „Eine geschlossene Praxis ist kein Grund, die Notaufnahme eines Krankenhauses aufzusuchen“, so Roland Stahl von Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Patientinnen und Patienten sollten sich an die Vertretungspraxis oder an den Patientenservice 116 117 wenden.“
Gut zu wissen: Auch wenn Ärztinnen oder Ärzte nur einen Brückentag freinehmen oder ein verlängertes Wochenende vereisen, müssen sie Stahl zufolge eine Vertretung organisieren. Darüber müssen sie informieren - zum Beispiel durch einen Hinweis auf der Webseite oder dem Anrufbeantworter oder durch einen Aushang an der Praxistür. (mit dpa/tmn)