TAufregung um Kita-App: DRK verschiebt Einführung nach massiver Elternkritik

Kommunikation und zu viele Ausfallzeiten: In vielen ländlichen Kitas werden zusätzliche Ausgaben nicht mehr kritiklos von den Eltern hingenommen. Für Träger und Kommunen ist es oft kein einfacher Weg. Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Eine App sollte in Harsefelder Kitas für einen besseren Informationsfluss sorgen - stattdessen erzeugte sie Ärger bei den Eltern. Was sie kritisieren und was das DRK dazu sagt.
Harsefeld. Fachkräftemangel und eingeschränkte Betreuungszeiten, Kommunikationsprobleme und Zusatzgebühren: Aus den Kitas des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Harsefeld erreichte die Elternkritik zuletzt das Rathaus und auch das TAGEBLATT. Dass Betreuungszeiten kurzfristig gekürzt oder Gruppen ganz geschlossen werden, sei für arbeitende Eltern ein riesiges Problem, sagen Betroffene. Eine digitale Lösung für einen schnelleren Dialog zwischen Familien und den DRK-Einrichtungen als Träger löste aber im ersten Schritt mehr Unruhe als Erleichterung aus.
Lizenzgebühren: Zwei Euro pro Kind und Monat
Die Hintergründe: Das Kita-Personal soll sich auf die Kernaufgaben konzentrieren können - die Betreuung der Kinder. Morgens geht es für die Einrichtungen aber derzeit meist erst einmal darum, Personal abzustellen, um Anrufe zu Absagen erkrankter Kinder aufzunehmen, Änderungen bei den Öffnungszeiten zu kommunizieren oder andere kurzfristige Mitteilungen am Aushang zu platzieren. Das soll beim DRK in Zukunft eine App ändern. Sie ist nicht umsonst zu haben: Zwei Euro pro Kind und Monat werden zur Begleichung der Lizenzgebühren angesetzt - zu zahlen von den Eltern.
Vorteile der App: Ohne Sprachbarriere schnelle Infos
Mit der App können „Kinder schnell und unkompliziert abgemeldet werden. Wichtige Informationen, wie etwa Abholberechtigungen oder Allergiehinweise sind direkt zugänglich. Kita-Termine werden im Kalender angezeigt und Einladungen zu Veranstaltungen können einfach angenommen werden“, heißt es in der schriftlichen Begründung des DRK auf die TAGEBLATT-Nachfrage.
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Fotos und Infos zum Kita-Alltag könnten direkt an die Eltern gesendet werden, mit der Möglichkeit, diese zu personalisieren. Die App sei in verschiedenen Sprachen verfügbar. „Änderungen der Öffnungszeiten oder kurzfristige Mitteilungen werden sofort an alle Eltern gesendet und Eltern können untereinander in Gruppen kommunizieren und rückwirkend sehen, wann ihr Kind in der Kita war“, so DRK-Sprecherin Franziska Kampmann.
Fehlende Transparenz und keine Alternativen aufgezeigt
Es kam bei einigen Eltern jedoch ganz anders an. Es gehe um die fehlende Transparenz bei der Einführung der App, sagt eine Mutter, die sich beim TAGEBLATT gemeldet hat. Ein anderes Elternpaar sieht in den anfallenden Lizenzgebühren Geldverschwendung. Für so etwas müsse es doch Fördermittel geben. „Wir haben nur keine Wahl, wenn wir noch etwas über unsere Kinder wissen wollen“, sagen sie.
Bis Anfang nächster Woche sollten eigentlich alle Eltern eine Verpflichtung in Sachen App unterschreiben. Nach der TAGEBLATT-Anfrage reagierte das DRK: Aufgrund der verunsicherten Rückmeldungen der Eltern habe man beschlossen, den Start der App für die Eltern auf den 1. Dezember 2024 zu verschieben. Ursprünglich war der 1. Oktober dafür vorgesehen.
Neuer Aufreger: Darum geht es diesmal beim Kita-Thema
Wiederholt ist ein Auslöser für Beschwerden, dass sich Eltern trotz zugesicherter Betreuungszeiten derzeit nicht darauf verlassen können. Ein Vater legt eine Liste mit Zeiten vor. Diese dokumentiert, dass von Januar bis Ende Mai 38 zum Teil kurzfristige Absagen die vorzeitige Abholung des Kindes aus einer DRK-Kita in Harsefeld nötig machten oder die Gruppe ganz geschlossen blieb. „Einer von uns muss dann sofort den Arbeitsplatz verlassen oder nicht zur Arbeit gehen“, schildert der Vater. Er fühlt sich nicht allein mit dem Eindruck. Eine Unterschriftenliste dokumentiert, dass zahlreiche Eltern seine Einschätzung teilen. Alles liegt der Redaktion vor.
Eltern-Frust durch wiederholte Ausfälle bei Betreuungszeiten
Die Problematik des Fachkräftemangels im ländlichen Raum war wiederholt Thema im TAGEBLATT. Ein Runder Tisch im Pressehaus mit Trägern und Politik zeigte eindrücklich die Bemühungen aller Beteiligten, gepaart mit einer großen Portion Hilflosigkeit, die Versprechen der Landes- und Bundespolitik vor Ort erfüllen zu können.
Bei den Eltern hat sich Frust aufgestaut. Dass eine App zusätzliche Kosten von rund 28.000 Euro pro Lizenzjahr verursachen soll, ohne die Situation bei den Betreuungszeiten zu verbessern, wird so von vielen kritisch gesehen. Von einer kurzfristigen Umsetzung, einem „Durchdrücken“ ist die Rede.
„Bereits am 14. August 2024 haben wir die Eltern über die Einführung der App informiert. Damit hatten die Eltern zehn Wochen Zeit, um sich mit der App auseinanderzusetzen“, antwortet die DRK-Sprecherin auf die Kritik. „Wir haben in diesem Zusammenhang auch einen Link zur Webseite der App bereitgestellt, auf der viele hilfreiche Informationen zu finden sind. Wir verstehen, dass dies für einige Eltern vom zeitlichen Ablauf Probleme darstellt und kommen den Eltern gerne entgegen.“
Mehr Zeit für die Eltern, sich zu entscheiden
Da die App für die Eltern nun erst ab dem 1. Dezember zu nutzen sei und der Beitrag von zwei Euro monatlich erst ab diesem Datum erhoben werde, hätten alle ausreichend Zeit, sich zu entscheiden. Die Teilnahme bleibe weiterhin freiwillig. Bis zum 10. Oktober solle „eine informierte Entscheidung“ getroffen werden. Auch die Elternabende in den Kitas könnten damit genutzt werden, um offene Fragen zu klären.
Der Einführungstermin für die Kita-Teams bleibe weiterhin der 1. Oktober, um die nötigen Vorbereitungen intern abschließen zu können. Die Hoffnung beim DRK: „Durch die App wird der Austausch effizienter und transparenter, was uns die Zusammenarbeit mit den Eltern erleichtert. Und den Eltern den Austausch mit uns vereinfacht.“
Warum wird nicht die DRK-eigene CARE Kita-App genutzt?
Es gibt eine DRK-eigene App mit offensichtlich ähnlichen Funktionen. Warum diese nicht genutzt wird, fragen Eltern. Auf die TAGEBLATT-Anfrage gibt die Sprecherin diese Antwort: „Nach einer ausführlichen Prüfung verschiedener Anbieter in Zusammenarbeit mit den Kitaleitungen haben wir uns für die Famly App entschieden. Sie überzeugt durch ihre übersichtliche und leicht verständliche Handhabung sowie ein breites Funktionsspektrum, wie beispielsweise Übersetzungen und die Möglichkeit zur Entwicklungsdokumentation. Zudem bietet die App kontinuierlichen Support für unsere Teams.“
Ausschuss tagt
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Da auch die CARE Kita-App des DRK nicht kostenfrei sei, habe man sich für die Vorteile der anderen App entschieden. App ist die Kurzform für Applikation und beschreibt eine Anwendung, die auf einem Smartphone oder Tablet installiert wird.
24 der 25 DRK-Kindertagesstätten im Kreis führen die Famly App ein
Die Nutzung sei zunächst auf ein Jahr befristet. „In dieser Zeit sammeln wir Erfahrungen und evaluieren, wie gut die App angenommen wird.“ Sollte nach diesem Jahr entschieden werden, die App nicht weiterzuführen, würden die angeschafften iPads weiterhin genutzt. „Größere finanzielle Verluste entstehen dadurch nicht“, so die DRK-Sprecherin.
Von den insgesamt 25 Kindertagesstätten des DRK-Kreisverbands Stade wird die neue App in 24 Einrichtungen eingeführt. Einzige Ausnahme: der Waldkindergarten - aufgrund organisatorischer und technischer Herausforderungen sowie witterungsbedingter Gründe.